Hamburg. Hannes und Mathias Müller sind die verbliebenen Hamburger im Kader der deutschen Hockeyherren. Den EM-Titel halten sie für realistisch.

Wie es wohl wäre, am Sonntag der kommenden Woche den Siegerpokal zu stemmen und sich im Mönchengladbacher Hockeypark von 9000 begeisterten Fans für den EM-Titel feiern zu lassen, darüber haben Hannes Müller und Mathias Müller – nicht verwandt, nicht verschwägert – nur kurz nachgedacht.

„Natürlich entstehen da im Kopf ein paar Bilder. Aber wird sind gut beraten, uns erst einmal auf die ersten Schritte zu konzentrieren“, sagt Hannes Müller vor dem Auftaktspiel der Heim-EM im Feldhockey, das die deutschen Herren an diesem Sonnabend (18 Uhr) gegen Wales bestreiten.

Nur zwei Hamburger dabei

Die beiden Müllers sind im Team des amtierenden Weltmeisters, wie schon beim WM-Triumph Ende Januar in Indien, die letzten verbliebenen Hamburger. „Das ist zwar einerseits schade, weil bei meinem Nationalmannschaftsdebüt vor zehn Jahren fast die Hälfte des Teams aus Hamburg kam“, sagt Abwehrchef Mathias Müller (31) vom Hamburger Polo Club.

Richtig stören täte es aber auch nicht, sagt Hannes Müller (23) vom Uhlenhorster HC, der im defensiven Mittelfeld die Fäden zieht, „weil das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team so groß ist, dass es egal ist, wer von welchem Verein oder aus welcher Stadt kommt.“

Rühr, Trompertz und Miltkau fehlen

Tatsächlich wird die Auswahl von Bundestrainer André Henning von Spielern aus dem Westen dominiert. Sechs Akteure vom deutschen Meister Rot-Weiß Köln und vier von Uhlenhorst Mülheim stehen im 18er-Kader. Aus dem WM-Aufgebot fehlen in Kölns Christopher Rühr (wegen Studium verhindert) sowie den aus beruflichen Gründen zurückgetretenen Moritz Trompertz und Marco Miltkau drei Leistungsträger, die von den Mülheimern Timm Herzbruch und Malte Hellwig aber mehr als adäquat ersetzt werden dürften.

Auch deshalb zählen die Deutschen, die seit 2013 auf einen EM-Titel warten, in Mönchengladbach zu den Titelkandidaten – aber sind trotz des WM-Siegs nicht Topfavorit. „Die Top vier in Europa sind so nah beieinander wie lange nicht“, sagt Mathias Müller mit Blick auf den zweiten Gruppengegner Niederlande (Montag, 18 Uhr) und die in der Parallelgruppe favorisierten Belgier und Engländer, „da entscheiden Glück und Tagesform“. Der Titelgewinn sei zwar erklärtes Ziel, „und wir halten ihn auch für realistisch. Aber die anderen können ihn ebenso holen.“

Keine Pause nach der WM

Nach dem überraschenden Triumph in Indien waren viele Nationalspieler in ein mentales Loch gefallen. „Vor allem der Fakt, dass wir kurz danach schon wieder mehrere Wochen zur Pro League nach Indien mussten und keine Pause hatten, um uns zu erholen und den Erfolg zu verarbeiten, war schwer zu verkraften“, sagt Ma­thias Müller.

Eine längere Pause war bislang nicht möglich und ist auch bis zu den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris nicht vorgesehen. Die Bundesliga beginnt bereits am 9. September. Einzige Chance wäre, wenn sich das Team mit dem Titelgewinn in Mönchengladbach direkt das Frankreich-Ticket sichern würde.

Dann würde man sich das Qualifikationsturnier im Januar 2024 sparen, zu dem Deutschland voraussichtlich nach Lahore (Pakistan) reisen müsste. „Für diese Region existiert eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts. Es ist deshalb ein doppelter Ansporn für uns, hier gut zu performen“, sagt Mathias Müller.

Stabile Defensive als Schlüssel

Probleme mit der Motivation seien aber bei einer Heim-EM grundsätzlich nicht zu befürchten, sagt Hannes Müller. „In unserer Mannschaft hat noch kein Spieler ein internationales Großevent auf dem Feld in der Heimat erlebt. Deshalb haben wir uns nach dem mentalen WM-Loch auch schnell wieder gefangen und haben wieder den Spirit, den wir brauchen.“ Eine stabilere Defensivarbeit und noch mehr Konsequenz im Umschaltspiel standen während der Vorbereitung im Fokus der Systemoptimierung.

Das Halbfinale, das nach dem dritten Gruppenspiel am Mittwoch (19.30 Uhr) gegen Frankreich erreicht sein soll, ist das Minimalziel, die Müllers glauben jedoch beide an mehr. „Die Vorfreude ist riesig, und wir trauen uns alles zu“, sagen sie. Nun sollen die Bilder, die sie im Kopf haben, Realität werden.