Hamburg. Die Lokalmatadoren Eva Lys und Alexander Zverev überzeugen bei ihren Auftaktmatches bei den Hamburg European Open.
Als der letzte Ball gespielt war, war Eva Lys am Boden. Nur kurz allerdings, dann rappelte sich die Überraschungssiegerin des Dienstags, die sich nach ihrem 6:1, 6:1-Triumph über die an Position zwei gesetzte Ägypterin Mayar Sherif rücklings in den roten Sand des Center-Courts am Rothenbaum hatte fallen lassen, auf und genoss die Zuneigung des Hamburger Tennispublikums.
Die Fans – insgesamt kamen am Dienstag 7000 auf die Anlage an der Hallerstraße – feierten die Lokalmatadorin vom Club an der Alster überschwänglich. Die 21-Jährige war davon noch eine Stunde später in der Pressekonferenz schwer beeindruckt.
Eva Lys gelingt am Hamburger Rothenbaum perfektes Auftaktmatch
„Ich habe schon oft gesagt, dass dieses Turnier für mich etwas ganz Besonderes ist. Heute habe ich gespürt, wie es ist, wenn das Publikum einen trägt“, sagte die Weltranglisten-167., die von der Deutlichkeit ihrer Überlegenheit gegen die im Ranking 136 Positionen höher eingestufte 27-Jährige selbst überrascht war.
„Das war das perfekte Auftaktmatch. Ich habe unglaublich gut und mutig gespielt“, sagte die in der Ukraine geborene Hamburgerin, die ihrem Auftritt zehn von zehn Punkten verlieh. Vergleichbar seien die Emotionen lediglich mit ihrem ersten Sieg für das deutsche Nationalteam beim Billie Jean King Cup in Kroatien im vergangenen Jahr. „Aber dieser Sieg ist der größte meiner Karriere, ich habe nie eine höher platzierte Gegnerin geschlagen“, sagte sie.
Besonders beeindruckend war, wie souverän Eva Lys die sich ihr bietenden Gelegenheiten nutzte. Dass sie das Potenzial besitzt, in der Weltrangliste in die Top 100 vorzustoßen, ist seit Jahren bekannt. Was ihr in den vergangenen Monaten fehlte, war die Konstanz in ihren Leistungen.
Rittner: Lys hat gezeigt, was in ihr steckt
„Sie hatte Pech mit körperlichen Problemen, aber sie arbeitet konsequent daran, sich zu verbessern“, sagte Chefbundestrainerin Barbara Rittner dem Abendblatt. „Heute hat man gesehen, was der Heimvorteil bewirken kann, aber auch, was alles in ihr steckt. Jetzt muss das Ziel sein, dass sie solche Leistungen auch auf einem Nebenplatz im Ausland abruft.“
Lys selbst, die zum ersten Mal ein Hauptfeldmatch am Rothenbaum gewann, bemühte sich ebenfalls, den schönsten Sieg ihrer Karriere richtig einzuordnen. Ihr Team, zu dem in dieser Woche neben ihrem Cheftrainer und Vater Wladimir Lys auch Torben Beltz, der langjährige Coach der dreifachen Grand-Slam-Siegerin Angelique Kerber, zählt, habe ihr gestattet, „bis 15 Uhr den Erfolg zu genießen. Danach muss ich mich auf meine nächste Aufgabe einstellen“, sagte sie.
Diese wartet an diesem Mittwoch (nicht vor 16 Uhr/Servus TV) auf dem Center-Court und trägt den Namen Panna Udvardy. Die 24 Jahre alte Ungarin ist als 96. der Welt zwar ein kleineres Kaliber als Sandplatzspezialistin Sherif, genau das jedoch birgt die Gefahr, sich von den Erwartungen überrollen zu lassen. „Heute hatte ich es als Außenseiterin leichter. Ich darf mich darauf auf keinen Fall ausruhen und denken, dass es so weitergeht“, sagte sie.
Zwei weitere Hamburgerinnen im Rennen
Das Gute ist: Eva Lys hält die Hamburger Fahne im Achtelfinale nicht allein hoch. Ihre Alster-Clubkolleginnen Tamara Korpatsch und Noma Noha Akugue versuchen ebenfalls, zum ersten Mal in Hamburg ins Viertelfinale vorzustoßen.
Korpatsch (28/Nr. 100) trifft auf die Australierin Daria Saville (29/Nr. 225), Akugue (19/Nr. 207) hat es mit deren Landsfrau Storm Hunter (28/Nr. 154) zu tun, die am Dienstagnachmittag überraschend die topgesetzte Kroatin Donna Vekic (27/Nr. 22) mit 3:6, 6:3, 6:3 ausschaltete. Beide spielen am Mittwoch (Start 11 Uhr) nacheinander auf Court M1.
Auch bei den Herren bleibt der Lokalmatador im Rennen. Olympiasieger Alexander Zverev strahlte bei seinem 6:0, 6:3-Auftaktsieg über den letztjährigen Halbfinalisten Alex Molcan (25/Nr. 118) eine ansteckende Spielfreude aus. Vergangene Woche hatte er noch zweieinhalb Stunden gebraucht, bis er den Slowaken beim Erstrundenmatch im schwedischen Bastad in drei Sätzen niedergerungen hatte. Am Dienstag war der bedauernswerte Molcan nach 61 Minuten gezwungen, seine Taschen zu packen.
Zverev zeigt bei Rothenbaum-Auftaktmatch Spielfreude
„Der Unterschied zwischen vergangener und dieser Woche ist, dass wir in Hamburg sind“, sagte der 26 Jahre alte Weltranglisten-19., der erstmals seit 2019 wieder in seiner Geburtsstadt aufschlägt und ungeachtet seiner juristischen Probleme – die Staatsanwaltschaft Berlin hat einen Strafbefehl wegen mutmaßlicher Körperverletzung seiner ehemaligen Lebensgefährtin Brenda Patea beantragt – von den Fans gefeiert wurde.
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„Außerdem habe ich heute wirklich gut gespielt“, sagte Zverev, der sehr aggressiv und druckvoll von der Grundlinie agierte und Molcan nie in dessen Rhythmus kommen ließ. Es war eine Gesamtleistung, die bei einigen bereits die Hoffnung aufkeimen ließ, 30 Jahre nach dem Triumph Michael Stichs wieder einen deutschen Turniersieger am Rothenbaum feiern zu können.
Zverev am Mittwoch gegen Marterer
„Wenn ich mein bestes Tennis spiele, kann es eine sehr schöne Woche werden“, sagte Alexander Zverev, der seinen Achtelfinalgegner Maximilian Marterer (28/Nr. 144) allerdings nicht unterschätzen wird – und darf. Der Nürnberger, der am Dienstag das einstige deutsche Supertalent Rudi Molleker (22/Berlin/Nr. 251) 7:6 (7:2), 6:2 ausschaltete, hat in der vergangenen Woche das Challengerturnier in Amersfoort (Niederlande) gewonnen.
„Er ist auf dem Weg zurück und spielt gutes Tennis. Ich werde es seriös angehen“, sagte Zverev. Die Fans werden es ihm danken. Die Partie beginnt auf dem Center-Court am Mittwoch nicht vor 18 Uhr.