Hamburg. Die frühere spanische Weltklassespielerin Arantxa Sanchez Vicario spricht über ihre Karriere und die Rückkehr an den Rothenbaum.

Sie war ein Weltstar ihrer Tennis-Ära, und sie hatte mit Hamburg eine besonders innige Beziehung. „Der Rothenbaum war eins meiner liebsten Turniere, vor allem, weil die Fans mir so viel Liebe gegeben haben, als wäre ich Deutsche gewesen“, sagt Arantxa Sanchez Vicario.

Dreimal (1993, 1994 und 1996) konnte die 51 Jahre alte Spanierin, die heute als Mutter von Arantxa (14) und Leo (11) in Florida lebt, am Rothenbaum den Titel gewinnen. Seit ihrer Finalniederlage gegen die Schweizerin Martina Hingis im Jahr 2000 war sie nicht mehr in der Stadt, in der übernächsten Woche nun kehrt sie zu den Hamburg European Open (22. bis 30. Juli) als Gaststar zurück – und freut sich unbändig darauf, wie sie im Abendblatt-Gespräch betont.

Hamburger Abendblatt: Arantxa, zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Damentennis-Organisation WTA werden Sie angesichts Ihrer Verdienste am Rothenbaum – sechs Finalteilnahmen, nur Steffi Graf mit acht hat mehr – als Ehrengast nach Hamburg kommen. Was sind die signifikantesten Erinnerungen, die Sie mitbringen?

Arantxa Sanchez Vicario: Die an das Hamburger Publikum. Dieses Turnier ist ein Teil von mir geworden, und das lag vor allem an der Wärme, die ich hier gespürt habe. Die Menschen mochten meine Art, Tennis zu spielen, meine Leidenschaft und Hingabe, und das haben sie mich spüren lassen. Hamburg war immer das erste Turnier, das ich mir neben den Grand Slams im Kalender angestrichen habe. Die Stadt ist so schön, ich habe viele gute Restaurants kennengelernt und es geliebt, an der Alster spazieren zu gehen. Ich kann es kaum erwarten, das wieder zu tun.

Publikumsliebling in Hamburg

Sie haben damals gut Deutsch gesprochen, auch das kam bei den Fans gut an. Wie sieht es damit aus?

Oh, mein Deutsch ist nicht mehr so gut, aber ich werde mich bemühen, euch mit ein paar Sätzen zu überraschen! Ich habe die Sprache in der Schule gelernt, es war meine erste Fremdsprache, und ich fand es schön, dass ich sie auf Turnieren in Deutschland nutzen konnte. Jetzt lebe ich in den USA und spreche mehr Englisch.

Die Deutschen haben Sie damals geliebt, obwohl Sie 1993 am Rothenbaum die Regentschaft von Steffi Graf beendet haben, die von 1987 bis 1992 sechsmal hintereinander den Titel gewinnen konnte. Was hat Ihre Rivalität so besonders gemacht?

Ich denke, das war unser gegenseitiger Respekt. Unser persönliches Duell hat ja 1989 in Paris bei den French Open begonnen, als ich Steffi im Finale bezwingen konnte, obwohl sie damals als unbesiegbar galt. Sie hatte fünf Grand-Slam-Turniere in Folge gewonnen. Als ich es geschafft hatte, sie zu schlagen, ist mir klar geworden, dass ich alles erreichen konnte, woran ich glaubte. Steffi hat immer das Beste aus mir herausgebracht, weil wir gegeneinander stets besonders motiviert waren. Aber wir hatten größtmöglichen Respekt voreinander. Es war wie zwischen Roger Federer und Rafael Nadal.

Sie haben vier Major-Titel gewonnen, standen auf allen Belägen in den Finals bei Grand-Slam-Turnieren, vor allem aber waren Sie die Nummer eins der Weltrangliste im Einzel und im Doppel. Warum waren Sie so gut und warum schafft das heute niemand mehr?

Ich glaube, dass es körperlich zu hart geworden ist, das auf diesem Niveau durchzustehen. Ich war damals eine Spielerin, die den Nutzen darin gesehen hat, aus dem Doppel Erfahrung und Weiterentwicklung für das Einzel zu ziehen. Ich brauchte das, es war gut für mein Spiel. Manche nannten mich eine Maschine. Aber der körperliche Einsatz war tatsächlich hoch, manchmal waren es 14 Partien pro Woche, die ich gespielt habe. Mein Glück war, dass ich selten verletzt war. Aber ich kann verstehen, dass sich die meisten heute entweder auf Einzel oder Doppel konzentrieren.

Kinder beanspruchen ihre Energie

Wenn man heute Boris Becker beim Gehen zusieht, tut das schon beim Hinschauen weh. Sie haben einen ähnlich kraftraubenden Stil gespielt wie er. Wie hat Ihr Körper diese Belastungen überstanden?

Ich möchte mich nicht beklagen. Natürlich spüre auch ich mit meinen 51 Jahren, dass ich meinem Körper einiges zugemutet habe. Aber ich habe auch sehr darauf geachtet, ihn anständig zu behandeln und zu pflegen. Ich habe zwei Kinder, die meine ganze Energie beanspruchen, und ich bin dankbar und froh, dass ich in der Lage bin, ihnen diese auch zu geben.

Dennoch haben Sie Ihre Karriere recht früh beendet, im Alter von 30 Jahren. Viele Athletinnen und Athleten, die zur Weltklasse zählen, sorgen sich vor dem Moment, in dem das, was sie am besten können, zu einem Ende kommt. Wie war das bei Ihnen?

Den richtigen Zeitpunkt zu finden, um diese Entscheidung zu treffen, das ist wirklich schwierig, das kann ich bestätigen. Dennoch glaube ich auch heute, dass ich den perfekten Moment dafür erwischt habe. Ich wollte nicht irgendwann vom Platz getragen werden, sondern in einer Phase gehen, in der ich es selbstbestimmt und auf der Höhe meiner Leistungsfähigkeit tun konnte. Ich würde es genauso wieder machen.

Allerdings haben auch Sie ein Comeback versucht, 2004 im Doppel. Also haben auch Sie die große Bühne vermisst?

Nein, das hatte andere Gründe. Damals wollte ich einer jungen spanischen Spielerin, Anabel Medina Garrigues, die Chance geben, bei den Olympischen Spielen in Athen im Doppel anzutreten. Also habe ich ein paar Turniere gespielt, um in Form zu kommen, und bin dann in Athen noch einmal bei Olympia an den Start gegangen. Aber die große Bühne habe ich tatsächlich nie vermisst. Natürlich ist es toll, vor 25.000 Menschen anzutreten und gefeiert zu werden. Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich dieses Privileg genießen durfte. Aber das Leben muss weitergehen, man muss herausfinden, was es noch bereithalten kann.

Kontakt noch mit einigen Ex-Größen

Was war das für Sie und was hat Ihnen geholfen, den Weg in das Leben nach der Karriere zu finden?

Meine Familie. Den Adrenalinkick, den einem ein Grand-Slam-Finale gibt, den bekomme ich jetzt durch meine Kinder. Ich bin eine glückliche Mutter.

Im Tennis-Geschäft dagegen sieht man Sie kaum. Gibt es noch Kontakte, die Sie aus Ihrer aktiven Zeit pflegen?

Sie haben recht, ich habe mich aus der Öffentlichkeit ein wenig zurückgezogen. Einen Job im Tennis anzunehmen, das war für mich keine Option. Ich spiele ab und an noch Legendenmatches und genieße es sehr, dort auf Kontrahentinnen von damals zu treffen. Ich habe noch immer einige Freundschaften, die ich pflege. Nicht zu Steffi, leider! Aber mit Mary Pierce, Barbara Schett, Iva Majoli, Mary Joe Fernández oder Gabriela Sabatini spreche ich regelmäßig. Jeder hat sein Leben, aber ich freue mich, dass es allen gut geht.

Was hat Sie Ihre Leistungssportkarriere für das Leben danach gelehrt?

Neben Disziplin, Durchhaltevermögen und Leistungswillen ist für mich das Wichtigste, dass ich die gleiche Person bin, die ich auch vor der Karriere im Tennis war. Mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, das ist entscheidend. Ich wollte das immer genauso machen wie damals. Ich schätze es sehr, die Liebe der Fans zu spüren. Aber es ist nichts, was für mein Leben ausschlaggebend ist. Ob als Champion oder als ganz normaler Mensch, Bescheidenheit ist das Wichtigste.

Ihr Motto: Gib niemals auf

Wäre das der wichtigste Ratschlag, den Sie der aktuellen Generation geben würden?

Nein. Mein Rat, den ich allen gebe, die danach fragen: Gib niemals auf! Folge deinem Traum und gib immer dein Bestes, dann werden alle guten Dinge kommen. So war es auch bei mir. Wenn mir jemand 1985, als ich ins Profigeschäft kam, einen Vertrag hingelegt hätte für diese Karriere, die ich gemacht habe, hätte ich ohne zu zögern sofort unterschrieben. Aber ich habe dafür hart gearbeitet.

Gibt es etwas, um das Sie die heutige Generation beneiden? Oder etwas, das damals besser war als heute?

Ich vergleiche ungern verschiedene Generationen, weil jede Ära ihre Eigenheiten hat. Außerdem maße ich mir über die heutige Generation kein Urteil an, weil ich nicht mehr so nah dran bin. Ich weiß, dass ich in einer sehr starken Ära gespielt habe. Was aber damals wie heute gleich ist: Man muss Leidenschaft haben und bereit sein, jede Woche aufs Neue mit den Besten zu konkurrieren und sich durchzusetzen.

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  • Warum gelingt das seit Jahrzehnten Spielerinnen und Spielern aus Spanien besonders gut? Was ist das Geheimnis Ihres Landes?

    Da gibt es kein großes Geheimnis. Der Erfolg liegt darin begründet, dass wir so viele tolle Spielerinnen und Spieler haben, die sich gegenseitig antreiben. Und wir gönnen einander den Erfolg, jeder und jede ist bereit, den anderen zu helfen. So wie in Spanien trainiert wird, haben alle die gleichen Routinen, wir lernen auf Sand und transferieren das mit Erfolg auf die anderen Beläge, wie man gerade wieder an Carlos Alcaraz sieht.

    Großer Fan von Combined Events

    Auch in Hamburg haben spanische Triumphe Tradition. Ich denke da nicht nur an Sie oder Rafael Nadal, auch an Albert Portas, der 2001 als Qualifikant den Titel holte.

    Oder 1996, als ich bei den Damen gewinnen konnte und Roberto Carretero bei den Herren siegte. Ich habe damals in Hamburg mit ihm trainiert, weil ich gern mit Männern trainierte und er keinen Sparringspartner hatte. Nachdem er das Finale gewonnen hatte, hat er sich dafür explizit bei mir bedankt. Das zeigt, wie wir auch damals schon zusammengehalten haben.

    Hamburg ist seit 2022 ein kombiniertes Damen- und Herrenturnier, beide Titel werden innerhalb einer Woche ausgespielt. Es ist das einzige Turnier dieser Art in Deutschland. Was halten Sie davon? Ist das für die Damen ein Vor- oder ein Nachteil?

    Ich persönlich liebe diese Turniere, ich hätte früher sehr gern mehr davon gespielt. Ich glaube, dass kombinierte Events eine perfekte Möglichkeit dafür sind, die Gleichberechtigung nach vorn zu bringen. Deshalb gratuliere ich Hamburg sehr zu dieser Entscheidung.

    Erlauben Sie zum Abschluss noch diese persönliche Frage: Wir hörten, dass Sie bei Ihrem Hamburg-Besuch nicht zum Schläger greifen werden. Hat man Ihnen etwa keine Wildcard angeboten?

    Nein! Gut, dass Sie das ansprechen (lacht). Aber im Ernst: Wenn, dann nur im Doppel. Fürs Einzel würde es nicht mehr reichen. Ich gehe gern für eine Trainingseinheit auf den Court, aber ein Match ist für meinen Besuch nicht vorgesehen, und das ist auch gut so. Ich freue mich einfach darauf, ein paar schöne Tage in der Stadt meines Herzens verbringen und Teil der Feier zum 50-jährigen WTA-Bestehen sein zu können. Das ist für mich Ehre genug.