Hamburg. Tobias Bruns, Urgestein der Eishockey-Crocodiles Hamburg, wollte in die Geschäftsführung einsteigen. Nun hofft er auf den Fortbestand.
Jeden Tag, wenn er seinen Kleiderschrank öffnet, reißen die Wunden wieder auf. Trikots aus zwölf Saisons bei den Crocodiles Hamburg hängen dort, dazu alle Fanshirts aus diesen Jahren. „Ich habe alles gesammelt, und natürlich tut es weh, dass es so enden muss“, sagt Tobias Bruns.
Zu behaupten, dass seine Lebensleistung zerstört wurde am 21. April, fiele dem 33-Jährigen zwar niemals ein, weil er sich selbst nicht in der Form überhöhen würde, dass die Crocodiles sein Werk waren. Aber der Tag, an dem die Spielbetriebs GmbH des Eishockey-Oberligisten bekannt gab, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen zu müssen, hat auch bei ihm „eine Mischung aus Schock und Resignation“ verursacht.
Mit fünf spielte er erstmals Eishockey
28 seiner 33 Lebensjahre hat Tobias Bruns zu großen Teilen auf Kufen verbracht. Als Fünfjähriger begann er in Farmsen mit dem Eishockey, bis auf ein paar Ausflüge zum Lokalrivalen HSV spielte er nie für einen anderen Verein als die Crocodiles. Ihn als „Urgestein“ zu bezeichnen, das ist fast schon eine Untertreibung.
In den vergangenen Jahren war er Stürmer und Pressesprecher in Personalunion, er half auf der Geschäftsstelle aus. Und weil er im vergangenen Jahr Vater eines Sohnes geworden war, hatte er zu Beginn der abgelaufenen Saison für sich entschieden, die aktive Karriere in diesem Sommer beenden zu wollen.
„Mein Plan war, mehr Zeit für die Familie zu haben und auf der Geschäftsstelle richtig durchzustarten, um unseren Geschäftsführer Sven Gösch zu entlasten“, sagt er, „dass diese Möglichkeit nun nicht mehr besteht, ist das, was mich an der Insolvenz am meisten ärgert.“
Tobias Bruns hat sich arbeitslos gemeldet
Anstatt sich um Sponsorenakquise und den Kader für die kommende Spielzeit zu kümmern, hat sich Tobias Bruns zunächst arbeitslos gemeldet. Vom kommenden Montag an geht er zwei Monate in Elternzeit, die er nun nicht unbelastet mit seiner Frau Insa und Sohn Peeke verbringen kann, sondern nutzen muss, um über berufliche Alternativen nachzudenken.
Der gebürtige Hamburger hat Sportjournalismus und Sportmanagement studiert, eine Weiterbildung im Onlinemarketing schwebt ihm vor. Aber zu wissen, dass sein Herzensverein schweren Zeiten entgegengeht, ohne dass er daran etwas ändern kann, wurmt ihn.
Der vorläufige Insolvenzverwalter Sven-Holger Undritz verschafft sich aktuell einen Überblick über die finanzielle Lage. Das Hard Rock Café als einer der Sponsoren der Crocodiles hat eine Rettungsaktion initiiert, will 500 Hamburger Unternehmen motivieren, je 1000 Euro zu spenden, um die Insolvenz abzuwenden.
Kaum Hoffnung auf Crowdfunding
Hoffnung, dass daraus etwas Nachhaltiges entsteht, hat kaum jemand. Als im Dezember 2018 schon einmal die Insolvenz im Raum stand, kamen im Crowdfunding 200.000 Euro zusammen, die Probleme jedoch blieben. Realistischer erscheint ein Neustart in der Regionalliga, an dem im Hintergrund gearbeitet wird.
Tobias Bruns will nicht ausschließen, dann noch einmal als Spieler auszuhelfen. Zwar sind Hüfte, Knie und Füße lädiert, die Lunge macht bei tiefen Atemzügen Probleme; eine Folge der schlimmen Verletzung im Januar 2019, als bei einem Spiel in Tilburg infolge eines gegnerischen Checks eine Arterie riss und unter dem 2,2-Liter-Blutverlust der linke Lungenflügel kollabierte. „Aber ich wollte ursprünglich in unserer 1-B-Mannschaft in der Verbandsliga weiterspielen. Regionalliga wäre davon ja auch nicht weit weg“, sagt er.
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Viel wichtiger aber ist ihm der Fortbestand der Jugendarbeit im Farmsener TV, dem Stammverein der Crocodiles; dafür will er sich einsetzen. „Als die Nachricht der Insolvenz kam, habe ich zu meiner Frau gesagt, dass ich damit nichts mehr zu tun haben will. Sie antwortete, dass es doch unser Traum ist, dass Peeke irgendwann auch das Crocodiles-Trikot trägt. Und das stimmt. Ich wünsche mir sehr, dass er auch diesen Teamgeist erlebt, der mein Leben so geprägt hat“, sagt er.
Bruns trägt die Crocodiles unter der Haut
Es sind eben nicht die augenscheinlichen Dinge wie schwere Verletzungen oder mehrere Insolvenzanträge, die Tobias Bruns als die seine Karriere definierenden Erlebnisse in Erinnerung behalten wird. Was für immer bleibt – neben dem Krokodilhaut-Tattoo auf seinem linken Unterarm –, das sind die vielen kleinen Momente des gemeinsamen Gewinnens und Verlierens, die sich wie kleine Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild fügen.
„Mein erstes Spiel in der ausverkauften Eishalle Farmsen, der Klassenerhalt 2015/16 oder Play-off-Spiele in Rosenheim oder Riessersee, das sind die Eindrücke, die bleiben“, sagt er. Auch daran erinnern ihn die Trikots im Kleiderschrank. Schmerz vergeht, Stolz bleibt für immer.