Hamburg. Exklusiv: Hamburgs Eishockey-Drittligist steckt erneut in akuten finanziellen Problemen. Wie es nun weitergeht.

Als Sven Gösch am Freitagmittag den Anruf des Abendblatts entgegennahm, da klang er nicht wie einer, dem gerade ein Stück seines Lebenswerks weggebrochen ist. Nein, der Geschäftsführer und Sportchef der Crocodiles Hamburg hinterließ den Eindruck eines gefassten Mannes, der die erneute Hiobsbotschaft schon befürchtet hatte.

Zu häufig hatte der 50-Jährige in den vergangenen Jahren vor dem Aus für das professionelle Eishockey in Hamburg gewarnt, als dass die Nachricht, die er am Vormittag der Mannschaft verkünden musste, noch überraschend gekommen wäre.

Deckungslücke beträgt 150.000 Euro

Die Crocodiles, seit dem Aus des DEL-Clubs Hamburg Freezers im Frühjahr 2016 in der Oberliga Nord – drittbeste nationale Liga hinter DEL und DEL 2 – klassenhöchstes Hamburger Eishockeyteam, stehen vor einer ungewissen Zukunft. Wenn über das Wochenende nicht ein Wunder in Form eines Großsponsors geschieht, muss Gösch am Montag beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Spielbetriebsgesellschaft des Farmsener Vereins stellen.

Hauptgrund dafür ist, dass ein ursprünglich schon für die abgelaufene Spielzeit 2022/23 vorgesehener Hauptsponsor seine Bereitschaft zum Einstieg in der Saison 2023/24 zurückgezogen hat. Dadurch entsteht im Etat, der zuletzt die Rekordsumme von knapp einer Million Euro betrug, eine Deckungslücke von 150.000 bis 180.000 Euro.

Saison war teurer als erwartet

„Die vergangene Saison war wegen der drastisch gestiegenen Energiepreise, des Inflationsausgleichs und einer überraschenden Steuerrückforderung schon deutlich teurer als kalkuliert“, sagt Gösch. Diese Unterdeckung allerdings hatten die fünf Gesellschafter ausgleichen wollen, die auch in der Vergangenheit immer wieder bei finanziellen Engpässen in die Bresche gesprungen waren.

Als dann jedoch der Rückzug des geplanten Hauptsponsors bekannt wurde, entschieden die Gesellschafter auf ihrer Versammlung am Donnerstagabend, die Reißleine zu ziehen. „Was bringt es, etwas retten zu wollen, was leider nicht mehr zu retten ist?“, sagt ein dem Gesellschafterkreis nahestehender Sponsor, der nicht namentlich genannt werden will.

Club braucht eher zwei Hauptsponsoren

Die Hoffnung, dass über das Wochenende das gelingt, was ihm über viele Monate trotz unzähliger Gespräche nicht glücken wollte, ist bei Sven Gösch denn auch nicht allzu groß. „Wir müssen realistisch sein. Die wirtschaftliche Situation ist derzeit für sehr viele Unternehmen so, dass sie Sorgen haben und teils selbst um die Existenz bangen müssen“, sagt er. Vor einigen Wochen hatte Gösch im Abendblatt-Interview eingeräumt, dass ein Hauptsponsor allein schon fast zu wenig sei. „Wir brauchen eher zwei“, hatte er gesagt.

Das Problem, das die Crocodiles seit Jahren auch öffentlich thematisieren, ist die sportliche Perspektivlosigkeit, vor der sie stehen. Weil die in die Jahre gekommene Eishalle Farmsen als Spielstätte für die DEL 2 keine Zulassung erhält, ist ein Aufstieg für die Hamburger nicht möglich.

Göschs Bemühungen, die Politik vom notwendigen Bau einer neuen Halle zu überzeugen, liefen allesamt ins Leere. In der abgelaufenen Saison kamen zu den Heimspielen im Schnitt zwar immerhin rund 1300 Zuschauer, was zur Deckung des Etats aber keinesfalls ausreicht.

Lage anders als im Dezember 2018

Unbekannt ist die Thematik für Gösch keineswegs. Bereits im Dezember 2018 hatten die Crocodiles wegen eines Fehlbetrags von rund 250.000 Euro einen Insolvenzantrag stellen müssen. Damals jedoch konnte dank einer großen Solidaritätswelle über Crowdfunding die für die Fortführung des Spielbetriebs notwendige Summe aufgebracht werden, die Rettung gelang mittels einer Planinsolvenz und einer Sanierung in Eigenverwaltung.

Diesmal ist die Lage eine andere. Da über den Sommer keine Einnahmen zu erwarten sind und der dringend benötigte Hauptsponsor fehlt, wird es zu einem Regelinsolvenzverfahren kommen, bei dem nicht das Unternehmen selbst, sondern der Insolvenzverwalter die Beschlüsse der Gläubigerversammlung umsetzt, um die Insolvenzmasse zu verwerten und die Forderungen der Gläubiger zu tilgen.

Drei Möglichkeiten gibt es die sportliche Zukunft der Crocodiles betreffend nun. Man könnte mit einer neu zu gründenden Gesellschaft weiterhin in der Oberliga antreten, was allerdings ähnlicher finanzieller Mittel bedürfte und deshalb sehr unwahrscheinlich ist, zumal die Spieler und Trainer Henry Thom nun vertragsfrei sind und sich neue Teams suchen werden.

Wahrscheinlich Neustart in Regionalliga

Wahrscheinlicher ist ein Neustart in der Regionalliga, was allerdings eine Rückkehr in den Profisport – und als solcher wird die Oberliga gewertet – angesichts der enormen Lücke zwischen den beiden Spielklassen sehr hart machte. Dritte Möglichkeit: Das komplette Aus für die Crocodiles – und damit ein schleichender Tod des Eishockeys in Hamburg.

Sven Gösch wollte dazu noch keine Stellung nehmen. Er und seine Mitstreiter werden über das Wochenende am Wunder arbeiten. Montag weiß man mehr.