Hamburg. 29-Jähriger spricht über seinen Arterienriss und die Folgen für seine Karriere. Schmerzen, “wie ich sie im Leben noch nie hatte“.

Die Todesangst kam, als er in der Kabine auf den Krankenwagen wartete. Tobias Bruns bekam keine Luft mehr, was, wie er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, daran lag, dass sein linker Lungenflügel unter dem Druck von 2,2 Litern seines eigenen Blutes kollabiert war. Er, der schon einige Knochenbrüche und Muskelrisse überstehen musste, hatte Schmerzen, „wie ich sie im Leben noch nie hatte“. Er wollte weder freundlichen Zuspruch noch, dass ihm jemand die Hand hielt. „Ich wollte einfach nur ins Krankenhaus und eine Menge Schläuche in mir stecken haben, die mich wieder gesund machen.“

Tobias Bruns sitzt am Donnerstagmorgen im Schweinske an der Lübecker Straße und ist die Ruhe selbst, während er erstmals über seinen Unfall spricht. Dabei stand am Sonntag der vorvergangenen Woche zu befürchten, dass dieser Text ein Nachruf werden würde. Bruns ist Stürmer beim Eishockey-Oberligisten Crocodiles Hamburg, in Personalunion macht er seit Sommer 2017 die Pressearbeit. Im Gastspiel bei den Tilburg Trappers am 13. Januar war der 29-Jährige Ende des zweiten Drittels von einem fairen Check seines Gegners Ryan Collier an den linken Rippen erwischt worden.

Arzt sagte zunächst, er könne weiterspielen

„Ich habe sofort gespürt, dass das kein normaler Schmerz war, und deshalb den Tilburger Arzt zu Hilfe gerufen“, sagt Bruns. In der Oberliga haben die Teams auswärts kein eigenes medizinisches Personal dabei. „Der Doktor sagte, es sei nichts gebrochen, ich könne eine Schmerztablette nehmen und weiterspielen.“ Zum Glück untersagte Kapitän Christoph Schubert dies. Als die Partie beendet war, lag Bruns mit flacher Atmung und am ganzen Körper zitternd in der Umkleide. Anstatt wie geplant mit dem Teambus nach Hamburg zurückzureisen, wurde er nach Gabe von Beruhigungs- und Schmerzmitteln unter einer Sauerstoffmaske ins Krankenhaus transportiert – was sein Leben rettete.

Im Schockraum wurde ein Arterienriss diagnostiziert, hervorgerufen durch die stumpfe Gewalteinwirkung des Zusammenstoßes. Um die verletzte Ader zu finden, musste Bruns 20-mal geröntgt werden. Anschließend wurde durch ein Loch in der Brustwand eine Drainage gelegt, damit die Flüssigkeit abfließen konnte. Dank seiner guten Grundkonstitution brauchte Bruns keine Blutkonserve, obwohl er nur knapp unter der lebensgefährlichen Grenze von drei Litern Blutverlust – sechs Liter fließen im menschlichen Körper – geblieben war.

Der Kreislauf war am Boden

Seine Schmerzen wurden mit Morphium betäubt, der Kreislauf jedoch war am Boden. „Ich lag in meinem Bett und konnte mich nicht bewegen. Selbst das Anheben des Kopfes war fast unmöglich“, sagt er. Zwei Tage nach der Verletzung hatte sich Luft zwischen Herz und Lunge gesammelt, die derartige Schmerzen verursachte, dass Bruns einen Herzinfarkt befürchtete. Tags darauf wurde er erstmals in seinem Bett aufgesetzt. „Dann sollte ich in einen Stuhl neben dem Bett steigen. Ich dachte nur: Nie im Leben schaffe ich das!“ In diesen Momenten brach sich die Angst Bahn, nie mehr aufs Eis zurückkehren zu können.

Was half, war die Unterstützung von Freundin Insa (28) und Bruder Daniel (30), die sich zwei Tage nach dem Unfall in Tilburg einquartiert hatten. „In den ersten Nächten hatte ich totale Angst, nicht wieder aufzuwachen. Als meine Freundin da war, ging es besser“, sagt der Angreifer. Auch die Anteilnahme der Trappers, die oft Besuche abstatteten und sogar die Hotelkosten für die Angehörigen übernahmen, und die vielen Nachrichten aus der Heimat gaben ihm Kraft. Dennoch warf die Entlassung am vergangenen Sonnabend neue Sorgen auf. „Ich habe dreimal nachgefragt, ob die Arterie wirklich hält.“

Keine bleibenden Schäden

In der ersten Nacht zu Hause bekam Tobias Bruns Husten, er fürchtete, dass die wunde Ader aufreißen könnte, widerstand jedoch dem Drang, in die Notaufnahme zu fahren. „Als ich am Morgen aufwachte, war ich darüber sehr froh, denn ich will eine solche Angst gar nicht erst entstehen lassen“, sagt er. Schließlich ist er fest entschlossen, aufs Eis zurückzukehren. „Ich habe keine Sekunde darüber nachgedacht, mit dem Sport aufzuhören. Eishockey ist mein Leben“, sagt er. Dass es ihn fast das Leben gekostet hätte, bucht er als tragischen Unfall ab. „So etwas wird nicht noch mal passieren.“

Tatsächlich gibt es keine bleibenden Schäden, die Lunge regeneriert sich von selbst, Bruns hilft mit einem Lungentrainer nach. Aktuell ist an sportliche Betätigung noch nicht zu denken, „wenn ich 100 Meter gehe, bin ich total platt“. Vier verschiedene Schmerzmittel muss er schlucken. Damit sich sein Blut neu bildet, isst er stark eisenhaltig. An diesem Freitag, an dem sein Team um 20 Uhr in Leipzig spielt, hat er sein erstes Rehatraining, am Sonntag (16 Uhr) möchte er zum Heimspiel gegen Herne ins Eisland Farmsen gehen. Sein Ziel ist das letzte Saisonheimspiel gegen Duisburg am 1. März, „da will ich wieder fit sein“.

Nach vorne schauen

Freundin und Familie haben nichts anderes erwartet, sie baten nur darum, „dass ich nicht zu früh wieder anfange“. Sollte er im Training spüren, dass er gehemmt in harte Zweikämpfe geht, will er sich psychologische Hilfe holen. Aber er hat nicht das Gefühl, einen neuen Blick auf das Leben gewonnen zu haben. „Ich war mir immer schon bewusst, dass ich ein Haltbarkeitsdatum habe, aber ich denke nicht jeden Morgen, dass es mein letzter Tag sein könnte, ich schaue lieber nach vorn.“ Dass es ein Geschenk ist, dies noch tun zu können, weiß Tobias Bruns aber.