Weil die USA auf eine Bewerbung verzichtet, ist Deutschland als Austragungsland plötzlich wieder im Rennen – und das mit guten Aussichten.
Hamburg. „Das ist eine gewichtige Information, ein wichtiges Signal. Es gibt eine positive Richtung für eine europäische, möglicherweise deutsche Bewerbung.“ Wenn der vorsichtige Thomas Bach das sagt, kann man davon ausgehen, dass sich die Tür für eine zweite Kandidatur Münchens um Winterspiele wieder etwas geöffnet hat. Der DOSB-Präsident und IOC-Vizepräsident reagierte mit seiner Aussage auf die am Dienstag verkündete Absicht des Nationalen Olympischen Komitees der USA, sich nicht für die Winterspiele 2022 bewerben zu wollen.
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Somit scheint der Weg geebnet zu sein für ein olympisches Wintersportfest in rund neun Jahren in Europa. Nach den Spielen 2010 im kanadischen Vancouver, 2014 im russischen Sotschi und 2018 im koreanischen Pyeongchang hätte eine Bewerbung aus den USA für 2022 eine allererste Chance gehabt. Dessen NOK setzt nun aber auf die Karte Sommerspiele 2024. Nach zwei vergeblichen Anläufen mit New York (2012) und Chicago (2016) würde aus heutiger Sicht ein dritter amerikanischer Kandidat aussichtsreich ins Rennen gehen.
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Nach seiner unerwartet hohen Niederlage im Duell mit Pyeongchang um die Winterspiele 2018 hatte der DOSB Ende vorigen Jahres beschlossen, dass „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine erneute Bewerbung Münchens um Winterspiele geplant sei. Zudem müsse abgewogen werden, ob eine Kandidatur für die Sommerspiele nicht aussichtsreicher sei.
Die jüngste Entscheidung des US-NOK setzt nun neue Fakten. Sie lässt für 2022 einen zweiten Münchner Anlauf als chancenreich erscheinen, zumal 2011 der erste Versuch keineswegs aus Mangel an Qualität gescheitert ist. Für Pyeongchang sprach die Zugehörigkeit zum asiatischen Kontinent. Zudem belohnte das IOC Einsatz und Ausdauer der Südkoreaner mit der dritten Bewerbung innerhalb von 14 Jahren.
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Vor einer Entscheidung über eine künftige Olympia-Kandidatur will der DOSB noch die Vergabe der Sommerspiele 2020 Anfang September 2013 in Buenos Aires abwarten, und dazu auch die Herbstwahlen im Bund und in Bayern. Bei der IOC-Wahl gilt Tokio als leichter Favorit, herausgefordert von Istanbul. Als drittem Kandidaten werden Madrid wegen Spaniens Wirtschaftskalamität nur geringe Chancen eingeräumt. „Wir wollen sehen, wie in Buenos Aires die Fronten verlaufen“, sagte Bach. Und der deutsche Sport wolle sich vergewissern, ob die Politik nach wie vor geschlossen eine Olympia-Kandidatur unterstützt.
Danach hat der DOSB bis zur Anmeldefrist Ende 2013 Zeit, sich über eine erneute Bewerbung mit München klar zu werden. Zeitknappheit sieht der deutsche Sportchef dabei nicht. Es gehe dabei lediglich um eine „Interessenbekundung. Münchens Konzept steht, man müsste es nur noch aus der Tasche ziehen“. Gewählt wird die Olympia-Stadt 2022 erst 2015. Als ein möglicher Mitbewerber gilt die Schweiz, deren Projekt St. Moritz/Arosa aber noch eine Reihe von Hürden zu überspringen hat.
Was die letzten drei Monate im kommenden Jahr so ungewöhnlich machen könnte, ist die Möglichkeit, dass dann Thomas Bach bereits IOC-Präsident sein könnte. So jedenfalls sieht es Jacques Rogge. Während Bach sich eine Kandidatur nach wie vor offen hält, geht der in Buenos Aires nach zwölf Präsidenten-Jahren scheidende Belgier fest von einer Bewerbung des 58 Jahre alten Deutschen aus. „Er ist für uns der Frontrunner, ganz bestimmt“, sagte Rogge der „Sport-Bild“. Und Bach sei einer, „dem wir vertrauen“. Darüber hinaus wäre es für die olympische Bewegung „wichtig, wenn sich Deutschland wieder bewerben würde, seien es Sommer- oder Winterspiele“. (dpa/HA)