Bad Oldesloe. Wegen des demografischen Wandels könnten Küchen künftig kalt und Kitas geschlossen bleiben. Doch aktuelle Entwicklungen überraschen.
Seit Jahren hält der Fachkräftemangel den deutschen Arbeitsmarkt in Atem, hat teils verheerende Folgen für Menschen, Gesellschaft und Wirtschaft. Stellen bleiben unbesetzt, die Arbeitsbelastung für das vorhandene Personal steigt, sorgt für Stress und Unzufriedenheit. Unternehmen müssen Umsatzeinbußen in Kauf nehmen. Einige Branchen, darunter Pflege, Gastronomie und Erziehung, sind besonders vom Fachkräftemangel gebeutelt. Was passiert, wenn bald niemand mehr die Kinder in der Kita betreut, das Essen serviert oder die Alten pflegt?
Einer der Gründe für den Fachkräftemangel ist der demografische Wandel. Die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge gehen in Rente, es fehlt an Nachwuchskräften. Doch: Es gibt Hoffnung – dank ausländischer Bürgerinnen und Bürgern, die mehr und mehr in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden. Das teilt Kathleen Wieczorek, Chefin der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe, auf Nachfrage unserer Redaktion mit. Demnach sind in Stormarn im Vergleich zu vor fünf Jahren weniger Deutsche auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt, dafür aber wesentlich mehr Ausländer.
Fachkräftemangel Stormarn: Immer mehr Ausländer betreuen Kinder und servieren Essen
Insgesamt sei die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in den vergangenen fünf Jahren gewachsen. „Im Mai 2024 waren 89.630 Personen in Stormarn sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 2990 oder 3,5 Prozent mehr als noch im Mai 2019. Ein zwischenzeitliches Beschäftigungshoch hatten wir im Mai 2022, hier waren es 91.990 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Seinerzeit lag der Beschäftigungszuwachs gegenüber Mai 2019 bei plus 5350 Beschäftigten oder 6,2 Prozent“, so Wieczorek.
Seitdem habe die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Stormarn um 2360 oder 2,5 Prozent abgenommen. „Hier sind der Ausbruch des Krieges in der Ukraine mit seinen Folgewirkungen, die anhaltend schwache Konjunkturlage und die zunehmende demografische Entwicklung, es scheiden zunehmend Beschäftigte aus dem Arbeitsleben aus, ursächliche Faktoren“, so die Agenturchefin.
Unter Deutschen ist die Beschäftigung zurückgegangen, unter Ausländern gestiegen
Betrachtet man die Beschäftigungsentwicklung nach Staatsangehörigkeiten, zeigen sich laut Wieczorek Unterschiede. „Bei Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Fünf-Jahres-Betrachtung leicht abgenommen.“ Von Mai 2019 bis Mai 2024 um 740 oder ein Prozent. Bis zum Jahr 2022 habe ihre Zahl noch zugenommen, sei seitdem in den vergangenen drei Jahren jedoch rückläufig.
Nach dem Beschäftigungshoch 2022 seien es bis Mai 2024 3050 oder 3,8 Prozent weniger beschäftigte Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Wieczorek: „Gründe für den Rückgang sind, wie bereits bei der Gesamtentwicklung der Beschäftigung, schon beschrieben: Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine mit seinen Folgewirkungen, die anhaltend schwache Konjunkturlage und die demografische Entwicklung.“
Fachkräftemangel Stormarn: Ausländer sind eine große Chance für den Arbeitsmarkt
Anders sehe die Entwicklung bei den ausländischen Arbeitskräften aus. Sie habe über die vergangenen fünf Jahre deutlich und überproportional zur Gesamtentwicklung der Beschäftigung zugenommen. „Waren es im Mai 2019 noch 8840 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, so hat ihre Zahl um 3730 Personen oder 42,2 Prozent zugenommen und betrug im Mai dieses Jahres 12.570. Zum Vorjahr waren dies 140 oder 1,1 Prozent weniger – der Rückgang dürfte primär in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der anhaltenden Konjunkturschwäche zu begründen sein“, sagt die Agenturchefin.
Auch interessant
- Stormarn: Unternehmer ist erst 13 Jahre alt – und sein Geschäft brummt
- Restaurants Stormarn: Fischerklause am Lütjensee zu verkaufen – und der See auch
- Reinbek: Runder Tisch Radverkehr „ist nicht das Jüngste Gericht“
Sie sieht in der Arbeitskraft von Ausländern großes Potenzial. Wieczorek: „Ohne ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wäre die Arbeitskräftelücke auf dem Arbeitsmarkt in Stormarn noch größer und die Beschäftigung in den vergangenen fünf Jahren nicht in dem Maße gestiegen. Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren, in denen zunehmend die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wird ihre Bedeutung für die Unternehmen weiter zunehmen, um den Arbeits- und Fachkräftebedarf der Zukunft zu decken.“