Bad Oldesloe. Der Schnuppertag in der Oldesloer Kindertagesstätte Stoppelhopser war ein reiner Boys‘ Day. Grund: Nur acht Prozent der Erzieher sind männlich.
Dieser Donnerstag war in der Kindertagesstätte Stoppelhopser der Johanniter in Bad Oldesloe ein besonderer. Denn die Leute, die sich am Mittag im Bewegungsraum tummelten, hießen: Tom, Nils, John, Malte, Simon, Patrick, René, Ugurcan, Philipp und Oskar. Dass so viele Männer auf die Kinder in der Kita aufpassen, ist ungewöhnlich.
Die meisten pädagogischen Mitarbeiter in Kitas sind nämlich Frauen. „Nur 8,1 Prozent sind Männer“, sagt Ilka Lambke, Leiterin der Kita Stoppelhopser. Seit 2014 hat sich der Anteil zwar von 4,9 Prozent erhöht. Trotzdem sind männliche Erzieher und Sozialpädagogische Assistenten im vom Fachkräftemangel geplagten Kitaalltag eher eine Seltenheit.
Trotz Fachkräftemangel: Kita lädt nur Jungs zum Schnuppertag ein
So ist es auch in der Kita Stoppelhopser, obgleich der Anteil dort vergleichsweise hoch ist. 80 Kinder werden in zwei Krippen- und drei Elementargruppen in der Einrichtung betreut. Von den 16 pädagogischen Fachkräften sind zwei Festangestellte männlich, dazu kommen unterstützende Springer. Das möchte Lambke ändern und strebt ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis an.
„Das liegt mir am Herzen“, sagt sie. „Studien belegen, dass man eigentlich in allen Bereichen bessere Ergebnisse hat, wenn es eine Durchmischung gibt“, so Lambke. „Ich bin selbst eine große Verfechterin davon. Monokultur ist selten gut, das gilt nicht nur für die Landwirtschaft.“
Den Anstoß zum Boys‘ Day gab einer der wenigen Männer in der Kita
Aus diesem Grund hat die Kindertagesstätte zum jährlich stattfindenden Girls‘ und Boys‘ Day ausschließlich junge Männer in die Einrichtung eingeladen, um sie in den Berufsalltag eines Erziehers oder Sozialpädagogischen Assistenten hineinschnuppern zu lassen – abseits von Rollenklischees und Stereotypen.
Den Anstoß gegeben hat dafür Ugurcan Komutekir, der seit 2022 als Sozialpädagogischer Assistent in der Einrichtung arbeitet. „Als vor einigen Wochen Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré zu Besuch war, hat er vorgeschlagen, eine Kampagne zu starten, um mehr Männer für die Arbeit in Kitas zu begeistern“, sagt Lambke. Der Boys‘ Day war eine Möglichkeit, die Idee schnell umzusetzen.
Aus pädagogischer Sicht sei ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu begrüßen
„Wenn sich mehr Männer für den Beruf des Erziehers entscheiden, bedeutet das automatisch auch mehr Fachkräfte, was zu geringeren Ausfallzeiten und einer besseren Situation insgesamt beitragen würde“, sagt Komutekir. „Aber auch pädagogisch ist ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu begrüßen. Es tut Kindern gut, neben dem Vater ein weiteres männliches Vorbild zu haben. Auch für diejenigen, die ohne Vater aufwachsen, ist das sehr wichtig.“
So weit, so nachvollziehbar. Dennoch bleibt die Frage: Ist es die richtige Entscheidung, angesichts des prekären Fachkräftemangels nur ein Geschlecht zum Schnuppertag einzuladen? Oder sollten nicht alle potenziellen Nachwuchskräfte, auch Mädchen, willkommen sein? Diese Entscheidung hat einen Grund, sagt Ilka Lambke: „Die Grundidee des Girls‘ und Boys‘ Day ist es, dass Mädchen und Jungs in Bereiche hineinschnuppern, in denen sie unterrepräsentiert sind.“
Einige der jungen Männer können sich vorstellen später Erzieher zu werden
Die Chancen jedenfalls, dass die Oldesloer Kita einige junge Männer für den Erzieherberuf begeistert hat, stehen gar nicht so schlecht angesichts dessen, was die fünf Schüler nach ihrem Tag mit den Kindern berichten. Am Start war neben den Kita-Mitarbeitern auch Oskar Söhl, der aktuell ein Freiwilliges Soziales Jahr beim VfL Oldesloe macht und dank einer Kooperation mit der Kita regelmäßig Bewegungsaktionen mit den Kindern veranstaltet.
„Ich mag es, Zeit mit Kindern zu verbringen und habe schon immer gerne zum Beispiel auf meinen kleinen Cousin aufgepasst“, sagt Tom Reddig. „Es war total schön, heute so herzlich von den Kindern empfangen zu werden und ein bisschen mit ihnen herumzualbern“, sagt der 13-Jährige, der die Ida-Ehre-Schule in Bad Oldesloe besucht. Die Erfahrung habe ihn in seinem Berufswunsch bestärkt: „Ich möchte Erzieher werden.“ Ähnlich sieht es bei Malte Liebentraut aus. „Ich habe eine siebenjährige Schwester und spiele gerne mit Kindern, deshalb wollte ich mir das heute mal angucken“, sagt der 13 Jahre alte Oldesloer. Zum Glück: „Es hat mir sehr gut gefallen. Ich könnte mir schon vorstellen, später Erzieher zu werden.“ Nils Huse ist sich da noch nicht ganz so sicher: „Es hat Spaß gemacht, war aber auch anstrengend. Die Kinder sind süß, schreien aber auch manchmal.“
Männliche Erzieher haben hin und wieder mit Vorurteilen zu kämpfen
Die große Frage nach dem Beruf ist für Philipp Gienow längst beantwortet. Der 29-Jährige ist in der Kita Stoppelhopser Erzieher im Krippenbereich. „Ich habe schon als Kind in Freundebücher geschrieben, dass ich später mal Erzieher werden möchte“, sagt er. „Ich denke, für die Kinder ist es gut, wenn sie in der Kita von Männern und Frauen umgeben sind, gerade auch, wenn Eltern sich trennen und Kinder ohne Vater aufwachsen.“ Seinen Berufsweg hat er nie bereut: „Es macht mir großen Spaß. Ich liebe es, die Kinder groß werden zu sehen.“
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Dass sie mit Vorurteilen konfrontiert waren, haben die männlichen Kollegen der Kita aber auch schon erlebt. „Einmal wollte ein Vater nicht, dass ich seine Tochter wickle“, sagt Erzieher Patrick Mulack, der als Feuerwehrkraft in der Kita Stoppelhopser arbeitet. Meistens seien das aber nur anfängliche Vorbehalte. Wenn die Eltern die Männer erst einmal kennengelernt haben, seien die Bedenken fast immer aus dem Weg geräumt.
Und wie sieht es privat aus? „Ich habe noch nie eine komische Bemerkung zu meiner Berufswahl gehört“, sagt Ugurcan Komutekir. „Ich habe aber auch ein modernes Umfeld. Das ist nicht bei allen so. Manche denken schon, Erzieher sei kein männlicher Beruf.“ So eine Erfahrung hat Tom Reddig in der Schule gemacht. „Als wir in der Pause über den Boys‘ Day gesprochen habe und ich gesagt habe, was ich mache, hat jemand gesagt: Das ist doch nur etwas für Frauen.“ Doch davon lässt sich der 13-Jährige zum Glück nicht beirren: „Damit komme ich klar.“