Reinbek. Kritiker merken an, das Beratungsgremium sei „etwas außer Kontrolle geraten“, CDU fordert gar die Auflösung. Die Gründe.

Radfahrer haben es in Reinbek nicht leicht, besonders in der Innenstadt: Die Topografie ist geprägt vom Gefälle und der Steigung des Billetals und der Hohen Geest, ob an der sprichwörtlichen Bergstraße, am Schmiedesberg, am Rosenplatz, aber auch an Bahnhofstraße, Völckers oder Gleisners Park, Parkallee, Schönningstedter oder Hamburger Straße. Der Zustand des Radwegenetzes wird von vielen kritisiert, die auch im Alltag einmal vom Auto auf das Fahrrad umsteigen möchten.

Die desolate Radinfrastruktur der Stadt war eigentlich schon vor der Befragung in diesem Juni bekannt, denn bereits 2015 war ein Radverkehrskonzept für Reinbek erarbeitet worden, das allerdings nie umgesetzt wurde. Die Befragung war der erste Schritt, das alte Konzept zu aktualisieren. Demnach hatten sich 577 Menschen aus Reinbek zu Wort gemeldet. Mehr als drei von vier der Befragten sind eher unzufrieden (279) oder gar sehr unzufrieden (173) mit Reinbeks Radverkehr. Mittlerweile hat das beauftragte Büro Planungssocietät der Politik ein vorläufiges Radwegenetz vorgestellt. Mit dem Thema beschäftigt sich seit 2021 auch der Runde Tisch Rad, ein Gremium aus Vertretern der Politik, der Verwaltung, Bürgern und Schulen, mit dem Ziel, den Reinbeker Radverkehr voranzubringen. Jetzt fordert die Reinbeker CDU dessen Auflösung.

Reinbek: Runder Tisch Radverkehr „ist nicht das Jüngste Gericht“

Das liege nicht an der inhaltlichen Arbeit, betont Fraktionschef Patrick Ziebke. Sondern an dem Umgang einzelner Mitglieder mit der Verwaltung. „Im Zusammenhang mit dem Umbau der Bushaltestellen gab es wiederholt Vorwürfe gegen die Stadtverwaltung. Und obwohl die Verwaltung diese Vorwürfe ausgeräumt hat, wurde weiter insistiert. Das geht nicht. Ein vom Hauptausschuss eingesetztes Gremium, das mit der Verwaltung zusammenarbeiten soll, sollte sich so nicht verhalten.“

Roland Mörschel ADFC
Roland Mörschel vom ADFC Reinbek fordert eine Radverbindung am ehemaligen Durchgang für eine Veloroute in Ost-West-Richtung in Reinbek.  © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Der Vorsitzende des Runden Tisches Rad, Roland Mörschel, weiß sofort, worum es geht: „Die Kritik richtet sich gegen mich“, sagt er. „Weil ich es gewagt habe zu kritisieren, dass die Radwege durch die neuen barrierefreien Bushaltestellen unterbrochen werden, weil die Busse nicht auf der Fahrbahn, sondern in einer Bushaltestellenbucht halten müssen. Wir haben dann noch einmal nachgehakt, warum sich Reinbek nicht an die Leitlinien des Kreises und des Landes halten muss.“

Runder Tisch Radverkehr Reinbek: „Wir brauchen das Radwegekonzept“

Mörschel, auch Leiter der ADFC-Gruppe Reinbek, räumt ein, dass er bei einigen Formulierungen an die Verwaltung über das Ziel hinausgeschossen sei. „Aber dafür habe ich mich entschuldigt“, sagt er. Der passionierte Radler erinnert daran, dass der Runde Tisch Rad ein Gremium ist, dass im Rahmen einer Zertifizierung des alten Radverkehrskonzeptes im Jahr 2019, des Qualitätsmanagementverfahren „Bypad“ eigens für die strategische Umsetzung und Aktualisierung des Radverkehrskonzeptes gegründet worden sei.

Nikolaus Kern (SPD) mahnte in der jüngsten Bauausschusssitzung, dass die Politik das aktuelle Radwegenetz erst noch beraten und beschließen müsse. „Das Konzept werden wir so nicht beschließen, das ist ein Wunschkonzert“, sagte er. Auf Nachfrage präzisiert er: „Wir brauchen das Radwegekonzept, um ein sauberes Gesamtkonzept insbesondere für die Innenstadt zu bekommen, und werden es auch umsetzen. Aber der Runde Tisch Rad ist ein Beratungs-, kein Entscheidungsgremium.“

Im Entwurf: 17 Kilometer Velorouten

Allerdings bedürfe das Konzept noch einiger Änderungen. Die laufenden Straßensanierungen müssten mit dem Konzept in Einklang gebracht werden. Wenn die Arbeit erledigt sei, könne man auch das Gremium auflösen. Zum Reinbeker Radwegenetz gehören 37 Kilometer Hauptrouten und 17 Kilometer Velorouten. Sabrina Wörrmann von der Planungssocietät hat im Umwelt- und Verkehrsausschuss bereits einen ersten Entwurf des neuen Radverkehrsplans präsentiert. Es baut auf einer Aktualisierung des Konzeptes von 2015 und der Befragung aus dem Sommer auf, soll den Alltagsradverkehr stärken und das etwa 100 Kilometer umfassende Radwegenetz optimal integrieren.

Der neue Plan umfasst sowohl Schlüsselmaßnahmen, die eine schnelle Wirkung erzielen sollen, für viele Verbindungen gibt es aber auch einen Sanierungs- und Ausbaubedarf, der wohl erst in den nächsten zehn bis 15 Jahren abgebaut werden kann. Wörrmann hat der Politik vorgeschlagen, sich zunächst auf zehn Schlüsselmaßnahmen zu konzentrieren, um ein Zeichen für den Radverkehr zu setzen.

„Alberner“ CDU-Antrag: Ist die Begründung nur ein Vorwand?

Allerdings sind die im Haushaltsplan 2025 vorgesehenen Mittel in Höhe von 300.000 Euro für die Radwege gerade im Bauausschuss um die Hälfte gekürzt worden – auf Antrag der CDU. Begründung für die Kürzung war, dass das Bauamt zurzeit ohnehin keine Kapazitäten habe, zeitnah etwas für die Radwege zu tun. „Irgendwie ist die CDU zurzeit immer dagegen, wenn es um den Radverkehr geht“, stellt Markus Linden (Grüne) fest. Auch gegen ein Verkehrskonzept für die Innenstadt hätten die Christdemokraten etwas gehabt.

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Den CDU-Antrag für den Hauptausschuss nennt Linden, Stadtverordneter und Mitglied des Runden Tisches Rad, „albern“. Er sagt: „Die Begründung ist doch nur ein Vorwand. Wenn, müsste doch die Verwaltung die Auflösung des Gremiums beantragen, nicht die CDU. Die Christdemokraten wollen einfach nichts für den Radverkehr tun.“ Denn dies könne gleichzeitig bedeuten, den Autoverkehr einzuschränken.

Fahrradstraße heißt nicht, dass dort keine Autos mehr fahren

Die Fahrradstraßen, beispielsweise auf der Parkallee oder der Klosterbergenstraße, sind noch in der Abstimmung. Am Beispiel Glinder Weg skizzierte die Planerin, dass eine Veloroute oder Fahrradstraße den motorisierten Autoverkehr aber keineswegs komplett ausschließe. „Der Anliegerverkehr und in einem gewissen Maß auch der Öffentliche Nahverkehr können auf einer Fahrradstraße durchaus zugelassen werden“, hat Sabrina Wörrmann erklärt. Im Groben orientiere sich das Radwegenetz an den bereits vorgesehenen Leitlinien des Kreises Stormarn und des Landes Schleswig-Holstein.

Bürgermeister Björn Warmer stellt sich vor seine Mitarbeitenden: „Der Runde Tisch Rad ist in jüngster Zeit etwas außer Kontrolle geraten“, stellt er fest. „Eigentlich ist er als unterstützendes Gremium für den Umwelt- und Verkehrsausschuss gedacht, nicht als Jüngstes Gericht.“ Er freut sich über das neue Radwegekonzept, „eine bessere Grundlage, als wir sie jemals für den Radverkehr hatten“. Allerdings ist er auch gespannt darauf, wie es sich finanziell realisieren lässt.

Reinbeks zweites Radwegekonzept kostet um 40.000 Euro

Die anderen Fraktionen sehen keinen Anlass, den Runden Tisch aufzulösen: „Wir werden einer Auflösung des Runden Tisches nicht zustimmen“ erklärt Bernd-Uwe Rasch, Fraktionschef der FDP. „Es gibt dort Probleme zwischen Einzelnen. Die sollen sich in Ruhe zusammensetzen, um alles auszuräumen.“ Ähnlich sieht es Leif Fleckenstein, Fraktionschef des Forum 21: „Vielleicht muss man an der Kommunikation arbeiten, aber das ist für uns kein Grund, das Gremium aufzulösen. Wir sehen den Runden Tisch Rad schon als eine Bereicherung.“

Bisher kostet das Konzept etwa 41.000 Euro, November und Dezember sind noch nicht darin enthalten. 31.000 Euro davon gewährt das Land Schleswig-Holstein als Förderung. Für das Jahr 2025 sind zusätzliche 10.000 bis 12.000 Euro zu erwarten. Für rund 75 Prozent dieser Kosten werden ebenfalls Zuschüsse erwartet. Der Abschlussbericht des Konzepts soll Ende dieses Jahres fertig sein.