Reinbek/Hamburg. Am Anfang war ein Kleiderbügel. Wie Künstlerin Marina Krohs aus Ton und Draht skurrile Promis, Filmfiguren und wahre Personen formt.
Witzige dürre und skurrile Gestalten sind ihre Spezialität: Marina Krohs hat schon in der fünften Klassen der Reinbeker Sachsenwaldschule gern getöpfert. Vor etwa 14 Jahren hat die 60 Jahre alte Künstlerin das Material Ton neu für sich entdeckt – und dessen Möglichkeit kreativ für sich erweitert. Ihre Plastiken von Promis, coolen Filmfiguren und auch ganz normalen Menschen sind der Renner.
Mittlerweile wird die Künstlerin von vier verschiedenen Galerien in Braunschweig, Deidesheim, Lübeck und auf Mallorca vertreten. Die „schrägen Typen“, quasi plastische Karikaturen werden inzwischen oft wiedererkannt: „Ach, die kennen wir doch von Mallorca“, höre sie dann. Wer sie noch nicht kennt, hat ab Donnerstag, 12. Dezember, Gelegenheit sie in der Ausstellung „schrill schräg bunt“ in der Fabrik der Künste kennenzulernen.
Reinbeker Künstlerin formt schräge Typen – alles eine Frage der Haltung
Marina Krohs, geboren im Reinbeker St.-Adolf-Stift, hat die Realschule besucht, ihr Abitur am Luisengymnasium in Bergedorf gemacht und ist eigentlich gelernte Grafikerin. Sie lebte erst mit ihrer Familie in Hamburg, dann in Berlin. „Dort an meinem Küchentisch in einem großen Loftzimmer entstehen meine schrägen Typen“, erzählt sie. „Ich schaffe so zwei in der Woche.“ Etwa 15 Stunden dauere es, bis eine Plastik fertig ist.
Schräge Typen – hier geht‘s zu den schönsten Bildern
„Als meine Töchter aus dem Gröbsten raus waren, habe ich überlegt, was mache ich jetzt“, erzählt die Künstlerin. Sie erinnerte sich an ihre Leidenschaft für Ton in ihrer Jugendzeit. Einen Ofen wollte sie sich nicht gleich anschaffen, daher griff sie auf den an der Luft trocknenden zurück. Für den Aufbau nutzte sie einen Kleiderbügel aus Draht aus der Reinigung. „Und zuerst war ich ein bisschen sparsam mit dem Material, deshalb wurden meine Figuren ziemlich schmal.“ Ihre Freundinnen waren begeistert. Denn trotz der Überzeichnungen und der dürren Gestalt sind die Figuren, oft Musiker, Filmfiguren oder Prominente, gut wiederzuerkennen.
Schräge Typen: Das Leben soll sich in den Gesichtern schon abgedrückt haben
„Es müssen nicht unbedingt Musiker sein, deren Musik mir auch gefällt“, sagt Marina Krohs. „Wichtiger sind mir markante Gesichter; am liebsten sind mir die, auf denen sich das Leben schon ein bisschen abgedrückt hat.“ Dabei arbeitet sie mit Fotos. „Da ist Google Bilder schon sehr wertvoll“, stellt sie fest, wenn es um bekannte Persönlichkeiten geht. Inspiriert wird sie durch Filme und Konzerte.
Viel wert sei es, wenn sie den Kleiderbügel schon einmal in die richtige Haltung gedrückt hat. „Es ist erstaunlich, aber jeder Mensch hat eine individuelle Körperhaltung, die bereits einen hohen Wiedererkennungswert hat“, sagt die Künstlerin. Ihr Material gibt auch die Höhe von etwa 45 Zentimetern für eine Plastik vor.
Schräge Typen: Detailverliebte Accessoires machen Spaß
Im zweiten Schritt zieht sie ihre Typen mit Kleidung aus Ton an. „Meine Mutter war Schneiderin und hat mir ihr Wissen weitergegeben“, sagt sie. „Das kommt mir jetzt zugute. Ich lege quasi das Schnittmuster auf den ausgewalzten Ton und ziehe dann quasi den Kleiderbügel an.“ Das Gesicht formt sie mit Fingerspitzengefühl nach dem Foto. Das klappt nicht immer auf Anhieb: „So manches Mal stimmt die eine Hälfte der Gesichtszüge, und wenn ich die andere Seite in Angriff nehme, kommt die andere wieder ins Rutschen“, verrät die 60-Jährige. Doch mit viel Geschick trickst sie immer wieder das Material aus, wie ihre Werke belegen.
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Dann geht es an die Details: Liebevoll koloriert die Künstlerin die coolen Typen mit Aquarell- und Gouachefarben, schmückt sie mit detailverliebten Accessoires: Da bekommt Elton John noch Glitzerstiefeletten, der Joker (gespielt von Heath Ledger) hält die passende Spielkarte in der Rechten, und dem Papst werden unter der Tafel des letzten Abendmahls mit John Lennon noch die Fußnägel in Rot gefärbt. „Das bringt wirklich Spaß“, sagt Marina Krohs, und man glaubt es ihr sofort.
Gemeinschaftsausstellung mit Ronald Sawatzki und Ulf Krüger
Und die Kult-Figuren verkaufen sich gut. Zu einem Preis ab 1300 Euro sind die Kunstwerke zu haben. Die Sparsamkeit des Tons und die Drahtbügel hat die Künstlerin beibehalten, sie sind heute zu ihren Markenzeichen geworden. Mittlerweile fertigt sie auch Auftragsarbeiten, schafft mithilfe von drei Fotos eindrucksvolle Porträts. „Viele freuen sich, wenn sie mal keinen Bauchansatz haben“, verrät Krohs lächelnd.
Gemeinsam mit zwei befreundeten Künstlern, dem Fotografen Ronald Sawatzki und dem Cartoonisten Ulf Krüger, zeigt sie bis 19. Januar 2025 ihre Werke in der Fabrik der Künste (Kreuzbrook 12, Hamburg, Eintritt: 5 Euro). Zu sehen sind das St. Pauli der vergangenen Jahrzehnte in all seinen Facetten, und es schmücken die Weltstars der Musikszene die Wände, die Ronald Sawatzki im Laufe seines Berufslebens abgelichtet hat. Der Cartoonist und Texter Ulf Krüger, der auch als Beat-Experte, als Musiker und Autor für Komiker wie Waalkes, Hallervorden und Dittrich bekannt geworden ist, zeigt plakative Zeichnungen, die sich durch ihren Wortwitz auszeichnen. Geöffnet ist dienstags bis freitags von 15 bis 19 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 11 bis 19 Uhr.