Ahrensburg. Historische Immobilie, die die Stadt 675.000 Euro gekostet hat, könnte noch jahrelang ungenutzt bleiben. Es gibt ein mahnendes Beispiel.
Der Kauf des Alten Speichers hinter dem Marstall hat sich für Ahrensburg längst zum Desaster entwickelt. Seit mittlerweile neun Jahren wird in der Schlossstadt diskutiert, wie es mit dem maroden Backsteingebäude weitergeht. Bislang gibt es nicht mal ein Nutzungskonzept für den 1895 errichteten, denkmalgeschützten Kornspeicher – geschweige denn einen Zeitplan für die Sanierung.
Nun könnte sich die Geschichte mit dem Nordflügel des Marstalls wiederholen. Das befürchten zumindest SPD und WAB und haben während der jüngsten Sitzung des Bildungs-, Kultur- und Sportausschusses deutliche Kritik in Richtung der Verwaltung geäußert. Diese hält eine Sanierung frühestens 2028 oder 2029 für umsetzbar.
Marstall Ahrensburg: Nutzung des Nordflügels nicht vor 2030 möglich
„Wir haben immer unmissverständlich klargemacht, dass sich eine Situation, wie wir sie jetzt beim Alten Speicher haben, nicht wiederholen darf“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende, Béla Randschau. Das sei die Bedingung gewesen, als die Stadtverordneten dem Erwerb des Nordflügels zugestimmt hätten. „Es kann nicht sein, dass das Gebäude jahrelang brach liegt und ohne funktionierende Heizung dem Verfall preisgegeben wird.“
Ahrensburgs Politiker hatten im März 2023 beschlossen, den nördlichen Teil des von 1845 bis 1846 vom damaligen Schlossherren Ernst Schimmelmann als Pferdestall errichteten Marstalls gegenüber dem Schloss zu erwerben. Dieser Flügel befand sich bislang als einziger Gebäudeteil nicht im Besitz der Stadt.
Hauptteil des Gebäudes wird seit 2000 als Kulturzentrum genutzt
Das restliche Gebäude gehört Ahrensburg bereits seit 1987 und wird seit 2000 als Kulturzentrum genutzt. Im Haupttrakt befindet sich seit 2014 die Galerie im Marstall der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn, in der regelmäßig zeitgenössische Kunstwerke zu sehen sind. Die Reithalle beherbergt einen multifunktionalen Veranstaltungsraum mit Bühne. Der Nordflügel hingegen blieb in Privateigentum und wurde zuletzt als Wohnung genutzt. Seit der letzte Eigentümer vor einigen Jahren ausgezogen war, ist die Immobilie ungenutzt.
675.000 Euro zahlte die Stadt, wobei Ahrensburg zwei Drittel der Summe über die Städtebauförderung vom Land erstattet bekommt. Durch den Erwerb sollte das historische Gebäude langfristig gesichert werden, mit der Perspektive, die 240 Quadratmeter großen Räume im Nordflügel ebenfalls einer kulturellen Nutzung zuzuführen.
Situation beim Marstall ist laut Rathaus eine andere als beim Alten Speicher
Die Parallelen zum Alten Speicher sind frappierend. 600.000 Euro zahlte Ahrensburg 2016 für das historische Gebäude, auch damals wurden zwei Drittel vom Land über die Städtebauförderung getragen. Trotz mehrerer Workshops und Ideen, darunter die Nutzung als Museum, Erlebnisbrauerei oder Jugendgästehaus, geht es bei dem Projekt nicht voran. Es fehlt an Geld und Personal im Rathaus. Bislang wurde nicht einmal der Zustand der Bausubstanz abschließend untersucht.
Laut Tanja Eicher, Leiterin des Fachbereichs Bildung, Familie und Kultur im Rathaus, ist die Situation beim Marstall jedoch eine andere. „Der wesentliche Unterschied ist, dass wir beim Marstall einen genauen Zeitplan und mit dem Verein Kulturzentrum Marstall und der Sparkassen-Kulturstiftung auch zwei potenzielle Nutzer haben.“ Beide benötigen nach eigenen Angaben schon lange mehr Platz für zusätzliche Angebote und Büroräume.
Sanierung soll laut Zeitplan der Verwaltung 2028 oder 2029 erfolgen
Der Plan der Verwaltung sieht die Ausarbeitung eines Nutzungskonzeptes im Laufe des kommenden Jahres sowie eine Antragstellung bei der Städtebauförderung 2026 vor. Voraussichtlich 2028 könnten die Stadtverordneten dann den Baubeschluss fassen, sodass spätestens 2029 die Umsetzung beginnen könnte. Im folgenden Jahr wäre die Sanierung dann abgeschlossen.
Es war geplant, die Immobilie bis zu einer Sanierung zwischenzunutzen. Doch inzwischen hat sich das laut Stadtverwaltung als nicht umsetzbar erwiesen. „Dafür benötigen wir eine Baugenehmigung und eine Nutzungsänderung“, sagte Eicher. Derzeit liege lediglich eine Genehmigung für eine Wohnnutzung vor. „Eine Änderung wäre mit erheblichen Auflagen verbunden. Der Aufwand wäre identisch wie bei einer Sanierung.“ Zudem sei die Betriebstüchtigkeit der verbauten Ölheizung nicht sichergestellt.
Zwischennutzung ist aus baulichen und rechtlichen Gründen vom Tisch
Da eine Zwischennutzung somit vom Tisch ist, pocht die SPD auf mehr Tempo bei der Sanierung. Ein Antrag der Sozialdemokraten sieht vor, zeitnah eine Vorplanung samt Kostenschätzung zu erstellen. Außerdem solle sich die Stadt schon jetzt auf den Marstall-Verein und die Kulturstiftung als künftige Nutzer festlegen und auf ein Interessenbekundungsverfahren verzichten. Dadurch könnten beide zeitnah mit der Ausarbeitung eines Nutzungskonzeptes beginnen, so die Idee.
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Auch die Vorsitzende des Marstall-Vereins, Hella Eickenscheidt, drängte auf eine zeitnahe Sanierung. „Wir würden gern gleich zu Beginn des Jahres 2025 mit der Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes starten“, sagte sie. Sie wolle nicht zusehen, wie die Immobilie vermodere. „Es ist ein altes Haus, das keine Heizung hat.“ Laut Eickenscheidt wäre die Sparkassen-Kulturstiftung bereit, sich an den Sanierungskosten zu beteiligen.
Für eine schnellere Umsetzung fehlt im Rathaus das Personal
Laut Verwaltung würde eine Umsetzung dennoch nicht beschleunigt – zumindest wenn Ahrensburg Fördergeld für das Projekt erhalten wolle. Das Land als Geldgeber der Städtebauförderung verlange bei der Antragstellung baureife Planunterlagen.
„Dafür sind diverse Gutachten nötig, der Denkmalschutz muss einbezogen werden“, sagte Achim Keizer, Leiter der Zentralen Gebäudewirtschaft der Stadtverwaltung. Dazu habe er aktuell kein Personal. Eine Antragstellung könne deshalb frühestens 2026 erfolgen. Schon beim Kauf des Marstall-Nordflügels habe festgestanden, dass eine Sanierung frühestens ab 2027 möglich ist und das auch nur, „wenn bereits vorher verwaltungsinterne Kapazitäten zur Grundlagenermittlung bis Ausführungsplanung vorhanden sind“, heißt es aus dem Rathaus.
Bürgermeister wird nach Kritik deutlich: „Die Verwaltung ist am Limit“
Diese Aussagen stießen bei Detlef Steuer (WAB) auf Unverständnis. „Es ist nicht glaubwürdig, dass wir das vorher nicht schaffen“, meinte der Politiker von der Wählergemeinschaft. Durch den vorläufigen Verzicht auf den Erweiterungsbau für das Rathaus sei schließlich Personal frei geworden.
Schließlich griff Bürgermeister Eckart Boege in die Debatte ein, wurde deutlich. „Die Verwaltung ist am Limit. Wir betreuen über 100 städtische Liegenschaften“, so der Verwaltungschef. „Wenn Sie den Marstall vorziehen möchten, müssen wir dafür etwas anderes lassen.“ An die Kommunalpolitiker gerichtet sagte Boege: „Wenn wir sagen, es geht nicht früher und das ausführlich begründen, wäre es schön, wenn Sie das akzeptieren könnten.“
Politiker beschließen deutlich zusammengekürzten SPD-Antrag
Der SPD-Antrag wurde anschließend dennoch mehrheitlich beschlossen, allerdings in einer deutlich zusammengekürzten Variante. Von Vorplanung und Kostenschätzung ist nun keine Rede mehr. Übrig blieben lediglich die Festlegung auf Marstall-Verein und Kulturstiftung als Nutzer sowie eine Entfernung des starken Bewuchses, der derzeit die Fassade ziert.