Ahrensburg. Pastor aus Ahrensburg wagt den Tabubruch: Särge und Spinnen statt Luther. Was Besucher am 31. Oktober in der Schlosskirche erwartet.
Der 31. Oktober ist für evangelische Christen ein besonderer Tag: An diesem Datum begehen sie den Reformationstag in Gedenken an das Wirken Martin Luthers und erinnern traditionell mit einem Gottesdienst an den Urheber ihrer Konfession. Nicht so in Ahrensburg. Dort wagt Pastor Robin Hergel etwas, das wohl bis vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre: Halloween statt Reformation. Ein Tabubruch.
Gemeinsam mit der Evangelischen Jugend (EvJ) verwandelt der Theologe die Schlosskirche zum 31. Oktober unter dem Motto „Halloween-Kirche“ in ein Gruselkabinett. Mit der Aktion möchte Hergel die Kirche für eine neue, jüngere Zielgruppe öffnen. „Wir müssen neue Wege gehen, neue Ideen finden, um die Kirche mit der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen und von jungen Familien zusammenzubringen“, sagt der Jugendpastor, der rund 140 Konfirmanden und knapp 40 Teamer zwischen 15 und 30 Jahren in der EvJ betreut.
Halloween: Schlosskirche in Ahrensburg wird zum Gruselkabinett
Optisch bietet die Schlosskirche perfekte Voraussetzungen, um ein gruseliges Halloween-Erlebnis zu erschaffen: ein 428 Jahre altes Backsteingemäuer, umgeben von Gräbern, eine Grabkapelle mit dem Sarg Detlev Rantzaus, dem Bruder des Bauherrn der Kirche, Peter Rantzau, großformatige, historische Gemälde und schummriges Licht.
Zusätzlich helfen Hergel und die Evangelische Jugend etwas nach. Die Vorbereitungen laufen bereits. „Es wird viel zu sehen geben und es wird überwiegend dunkel in der Kirche sein“, sagt Hergel, der noch nicht zu viel verraten möchte. Allein 800 Quadratmeter Spinnenweben haben der Pastor und die Jugendlichen versponnen. Kürbisse und ein lebensgroßes Skelett dürfen auch nicht fehlen. „Ein Bestatter stellt uns außerdem zwei Särge zur Verfügung“, sagt Hergel, der auch selbst verkleidet sein wird. „Da kommt meine Herkunft als Rheinländer und Karnevalist durch“, sagt und lacht.
Zwischen 17 und 21 Uhr können Besucher die Licht- und Audioshow erleben
Am Halloweenabend nehmen der Pastor und die Jugendlichen mutige Gäste zwischen 17 und 21 Uhr vor dem Haupteingang der Kirche in Empfang. Dann geht es in kleinen Gruppen durch den Gruselparcours, der auch in Bereiche der Kirche führt, die Besucher normalerweise nicht zu sehen bekommen, etwa hinter den Altar und in die Grabkapelle.
Die Gäste erwarte neben der aufwendigen Dekoration eine Licht- und Audioshow, inklusive Nebel, Blitz und Donner, erzählt Hergel. „Wir haben ein Mitglied im Kirchengemeinderat, das sehr technikaffin ist und das alles für uns aufbaut.“ Vor dem Eingang gibt es Getränke und Snacks. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird gebeten.
Das Gruselerlebnis kommt ohne Schreckmomente aus und ist kinderfreundlich
Bei allem Grusel: Schreck- oder Schockmomente werde es nicht geben, die Show sei kinderfreundlich, versichert der Pastor. „Es springt niemand irgendwo plötzlich hervor.“ Die Halloween-Kirche werde ein Erlebnis sein, „aber keins, bei dem man vorher Warnschilder aufstellen muss.“
Ganz ohne Bibel-Bezug kommt die Aktion nicht aus. „Wir stellen sie unter das Motto ‚Fürchte dich nicht‘“, sagt Hergel. Diese Botschaft habe Jesus seinen Jüngern mitgegeben. „Es gibt Dinge, vor denen wir Angst haben. Aber wir müssen uns nicht fürchten, weil Gott und Jesus uns diese Zusage gegeben haben.“
Ein Reformationsgottesdienst war dieses Jahre ohnehin nicht geplant
Die Idee, als Kirchengemeinde an dem Halloween-Treiben teilzuhaben, sei Anfang des Jahres während einer Sitzung des Kirchengemeinderates entstanden, erzählt Hergel. In diesem Jahr sei ohnehin kein Reformationsgottesdienst in der Schlosskirche geplant gewesen. Dieser wird in Ahrensburg traditionell ökumenisch begangen, evangelische und katholische Gemeinde wechseln sich ab. In diesem Jahr wird in der katholischen Kirche St. Marien gefeiert. Die Schlosskirche sei somit am 31. Oktober ungenutzt, so Hergel.
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Bis zum Sommer sei aber noch nicht klar gewesen, ob und in welcher Form die Halloween-Idee umgesetzt werde. „Es gab verschiedene Überlegungen, etwa auch einen Gottesdienst mit Halloween-Bezug.“
Robin Hergel brachte eine ungewöhnliche Vita mit nach Ahrensburg
Schon aufgrund seiner Vita brachte der 36 Jahre alte Vater eines Sohnes und einer Tochter, der im November 2022 nach 30 Jahren die Nachfolge des langjährigen Pastors Helgo Matthias Haak in Ahrensburg antrat, frischen Wind mit in die Kirchengemeinde der Schlossstadt: Hergels Großeltern sind streng gläubige Katholiken, der Vater Soldat. Auch Hergel schlug zunächst die Offizierslaufbahn ein, war fünf Jahre bei der Luftwaffe, ehe er sein Theologiestudium begann.
Von Anfang an machte sich der 36-Jährige für eine aktive, offene und innovative Kirche stark. „Wir müssen weg von dem angestaubten Bild, dass man im Gottesdienst nicht lachen oder klatschen darf, das ist totaler Quatsch“, sagte Hergel zu seinem Dienstantritt in Ahrensburger gegenüber unserer Redaktion. Die Halloween-Kirche ist für den 36-Jährigen eine Gelegenheit, das angestaubte Image der Kirche abzulegen.
Nicht alle in der Kirchengemeinde haben für die Aktion Verständnis
Zu Beginn habe es Vorbehalte gegeben, und auch jetzt gebe es Gemeindemitglieder, die mit Unverständnis auf das Projekt reagierten, räumt Hergel ein. „Das macht man als Kirche nicht“, sei ihm oft gesagt worden. „Das ist dasselbe wie zu sagen: Das war schon immer so“, sagt der 36-Jährige. Für ihn sei das keine stichhaltige Argumentation. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der auch wir als Kirche uns verändern müssen.“
Es habe die Kritik gegeben, die Schlosskirche werde durch das Halloween-Treiben entweiht. Hergel weist das zurück. „Im evangelischen Glauben ist die Kirche erst einmal nur ein Raum.“ Heilig werde sie durch Gebet und Gottesdienst. „Wir können eine Kirche umdekorieren, ohne ihr ihre Heiligkeit zu nehmen.“
Hergel will die Halloween-Kirche bei einem Erfolg in Zukunft wiederholen
Im Kirchengemeinderat habe es im Vorfeld eine ausgiebige, aber sehr gute Diskussion gegeben. Es sei auch ein wenig Überzeugungsarbeit notwendig gewesen, sagt Hergel. Letztlich habe das Gremium der Idee aber mit großer Mehrheit seine Unterstützung ausgesprochen und auch ein Budget für die Planung und die Anschaffung der Dekoration bereitgestellt. Auch in der Gemeinde seien die Reaktionen auf das Projekt mehrheitlich positiv ausgefallen, sagt der 36-Jährige. „Die Halloween-Kirche ist sicherlich kein Angebot für jeden. Aber das ist der Bibelkreis auch nicht.“
Hergel ist realistisch. „Ich mache mir nicht die Illusion, dass es sonntags nach Halloween künftig immer voll beim Gottesdienst ist“, sagt er. Aber wenn die Kinder und Jugendlichen und deren Eltern mit dem Eindruck nach Hause gingen ‚Hey, so altbacken, wie ich dachte, ist Kirche ja gar nicht‘, dann sei die Aktion ein Erfolg. Hergel sagt: „Wenn die Halloween-Kirche angenommen wird, dann wollen wir das in Zukunft gern wiederholen.“