Ahrensburg. Viele Vorschriften bremsen Wohnungsbau, klagt Unternehmer Christoph Petersen und schreibt Brandbrief an Wirtschaftsminister.

In Stormarn mangelt es, wie fast überall in Deutschland, an Wohnraum. Um Abhilfe zu schaffen, hatte die Ampel-Regierung zu Beginn der Legislaturperiode das Ziel ausgegeben, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Diese Marke wurde in den vergangenen Jahren nicht einmal annähernd erreicht. 2023 wurde das Ziel um mehr als 100.000 Wohnungen verfehlt. Und nicht nur das: Gegenüber 2022 sank die Zahl der fertiggestellten Einheiten laut Statistischem Bundesamt sogar um 0,3 Prozent.

Ein Grund für die Flaute in der Baubranche ist für Christoph Petersen, Geschäftsführer der Karl Petersen Bauausführungen GmbH aus Ahrensburg, die überbordende Bürokratie. „Die Flut an Auflagen und Vorschriften ist gewaltig“, beklagt der Diplom-Bauingenieur, der das 1949 gegründete Familienunternehmen in dritter Generation führt. Der Betrieb mit 70 Mitarbeitern baut nach eigenen Angaben zwischen 500 und 800 Wohnungseinheiten im Jahr.

Bürokratie bremst Wohnungsbau: Wirtschaftsminister Madsen in Ahrensburg

Der bürokratische Aufwand führe dazu, dass die Baukosten stiegen, wodurch Bauherren wiederum zurückhaltender und Wohnungen letztlich teurer würden. Das sei aber genau das Gegenteil von dem, was die Politik wolle und was notwendig sei. „Wir wollen kostengünstig bauen“, betont Petersen.

Im vergangene Oktober schrieb der Unternehmer einen Brief an Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen, „um meinem Ärger Luft zu machen“ – und fand Gehör. Der CDU-Politiker ist jetzt nach Ahrensburg gekommen, um sich persönlich anzuhören, an welchen Stellen es aus Petersens Sicht hakt.

Stromverteilerkasten muss viermal hintereinander kontrolliert werden

Die Liste der Kritikpunkte, die sich der Minister anhören muss, ist lang. Im Kern geht es um die zahlreichen Berichtspflichten, denen die Bauunternehmen unterliegen. Diese haben laut Petersen über die Jahre immer weiter zugenommen. 1,25 Vollzeitstellen benötige er ausschließlich für das Ausfüllen und Einreichen von Nachweisen.

Laut Baugewerbeverband entstehen den Unternehmen durch die zahlreichen Berichtspflichten jährlich Kosten in Höhe von 25 Prozent des Umsatzes. Petersen nennt ein Beispiel, um seine Kritik zu veranschaulichen: „Wenn wir eine Baustelle einrichten und einen Stromverteilerschrank aufstellen, wird der viermal überprüft. Einmal vorher auf dem Bauhof vom Elektro-Dienstleister, dann auf der Baustelle durch den Polier. Dann kommt noch der Sicherheits- und Gesundheitskoordinator und als letztes oft zusätzlich die Bau-Berufsgenossenschaft. Wir haben viermal den gleichen Vorgang für eine Sache. Das halte ich für weit übertrieben.“

Überprüfung von Elektrogeräten im Büro kostet jedes Jahr 15.000 Euro

Ein anderes Beispiel: elektrische Geräte. „Alle zwei Jahre müssen sämtliche Geräte in den Büros überprüft werden, die Kaffeemaschine und das iPad-Ladekabel eingeschlossen.“ Alles werde anschließend noch dokumentiert. „Das kostet mich jedes Mal etwa 15.000 Euro.“ Für Petersen ist das Irrsinn. „Wer kontrolliert zu Hause regelmäßig sein iPad-Ladekabel?“

Genauso entbehrlich ist aus Petersens Sicht die ebenfalls zu dokumentierende, jährliche optische Leiterprüfung. „Jeder Azubi lernt, dass er nicht auf defekte Leitern steigen soll“, meint der Unternehmer. Die Liste der Nachweispflichten sei noch länger. So sei etwa jedes Mal, bevor ein Lkw das Firmengelände verlasse, eine einen DIN-A4-Bogen umfassende Abfahrtkontrolle mit Angaben zum Zustand des Fahrzeugs auszufüllen.

Petersen plädiert beim Arbeitsschutz für mehr Eigenverantwortung

Zweimal im Jahr müsse er außerdem die Führerscheine von rund 30 Mitarbeitern auf ihre Gültigkeit kontrollieren, die mit den Lastwagen unterwegs sind. Komme er den Nachweis- und Protokollverpflichtungen nicht nach, könne er bei einem Arbeitsunfall in Regress genommen werden. „Das alles schreckt die Leute ab. Wir haben in der Branche Probleme, Menschen zu finden, die Führungspositionen übernehmen möchten.“

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Arbeitsschutz sei wichtig, betont Petersen. „Ich möchte nicht falsch verstanden werden.“ Doch der Unternehmer plädiert für mehr Eigenverantwortung. „Die ist in den vergangenen Jahren verloren gegangen.“

Madsen war früher selbst als Unternehmer tätig und kennt das Problem

Madsen hört aufmerksam zu, macht sich Notizen. Der frühere Rostocker Oberbürgermeister war vor seinem Einstieg in die Politik selbst als Unternehmer tätig, führte mehrere Möbelhäuser. Er kenne das Problem und habe sich immer für einen Bürokratieabbau starkgemacht, betont der Minister. Viele Regelungen seien übertrieben und nicht zielführend. Sie seien aber auch nicht vollkommen grundlos eingeführt worden.

Einige Vorgaben seien explizit entsprechend der Forderungen des Baugewerbeverbands erlassen worden. Etwa die Generalunternehmerhaftung, die Bauunternehmen zwingt, alle Subunternehmen dahingehend zu überprüfen, ob sie Arbeitsschutzstandards einhalten und ihre Mitarbeiter ordnungsgemäß versichert haben. Dadurch soll Lohndumping verhindert werden.

Wirtschaftsminister will prüfen, an welchen Stellen es sich nachbessern lässt

Die Vorgaben seien gut gemeint, die Umsetzung aber, räumte der Minister ein, sei nicht immer praktikabel. Madsen versprach, zu überprüfen, an welchen Stellen es Möglichkeiten gibt, nachzubessern. Dazu wolle er auch über den Bundesrat das Gespräch mit seinen Ressortkollegen aus den anderen Ländern suchen.

Insgesamt sei sein Eindruck, dass die wirtschaftliche Lage in der Baubranche durchaus besser sei, als sie oft dargestellt werde. „Die Unternehmen haben volle Auftragsbücher. Aber auch durch die Bürokratie werden die Rahmenbedingungen als schwierig empfunden“, so Madsen. Dieses Problems wolle er sich annehmen, damit die Branche mit mehr Optimismus in die Zukunft blicken könne.

Bei vorbildlicher Erfüllung der Vorgaben könnten Nachweispflichten gelockert werden

Denkbar sei es beispielsweise, dass Nachweispflichten für Betriebe gelockert werden, wenn diese in der Vergangenheit vorbildlich alle Vorgaben eingehalten hätten. Bei Verstößen könne sie umgekehrt verschärft werden. „Wir müssen auch die Daten besser zusammenführen, um den bürokratischen Aufwand zu reduzieren“, so Madsen. Hier sehe er die Behörden in der Pflicht, Schnittstellen zu schaffen.