Oststeinbek. Inhaberin des Betriebs in Oststeinbek ist jüngst ausgezeichnet worden. Aber nun muss sie die Reißleine ziehen – und ist verzweifelt.

Staubige Ecken? Fehlanzeige. Es ist blitzeblank und einladend zugleich im Café von Ulrike Hartwigsen in Oststeinbek. Der Betrieb mit integrierter Verkaufsfläche für Wohnaccessoires, Naturkosmetik und einer sogenannten Genussecke, wo zum Beispiel Salze, Nudeln und verschiedene Gin- sowie Rumsorten offeriert werden, ist geschmackvoll eingerichtet. Tische und Stühle sind aus massivem Holz, alles ist farblich abgepasst. Rote Sitzbezüge auf einer Couch, Stühle mit beigefarbener Polsterung, helle Wände, dazu gefliester Boden in Holzoptik inklusive Heizung darunter – mehr Charme geht eigentlich nicht. „Das war mein Lebenstraum, ich wollte den Laden bis zur Rente führen“, sagt die 53-Jährige. Dabei rollt ihr eine Träne über die Wange. Denn so weit wird es nicht kommen. Am 23. Dezember ist Schluss. Die Unternehmerin gibt auf, weil die Einnahmen weggebrochen sind.

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Der Garten wurde von einer Fachzeitschrift zum schönsten im Norden gewählt. © René Soukup | René Soukup

Im November 2014 hatte die Geschäftsfrau ihr Homelike Living eröffnet. Es befindet sich in einer ehemaligen Schmiede an der Ecke Möllner Landstraße/Stormarnstraße. Das Objekt gehört ihr und ihrem Mann Patrick, einem selbstständigen Landschaftsgärtner. Das Paar investierte viel Geld in den Umbau der früheren Werkstatt sowie in das angedockte Haus, in dem es lebt. Gäste können bei warmen Temperaturen auf einer 20 Meter langen Südstaaten-Veranda speisen oder im Gartenpavillon Klönschnack halten. Auch der Außenbereich mit Palmen, einer kleinen Brücke und bunten Pflanzen ist eine Wohlfühloase. In diesem Jahr wurde der Garten von der Fachzeitschrift „Landgang“ zum schönsten im Norden gewählt.

Oststeinbek: Café mit schönstem Garten im Norden gibt auf – „war mein Lebenstraum“

Kunden loben die Gestaltung sowie die Qualität der Speisen. Bei Google sind 176 Rezensionen gelistet. Im Schnitt kommt das Café auf 4,7 von fünf möglichen Sternen. Tom Schramm schreibt: „Superfreundlicher, lustiger Service. Reservieren für das Frühstück ist angesagt. Süß, herzhaft oder Käse wunderschön angerichtet. Traumhaftes Ambiente. Ein Kleinod in Oststeinbek.“ Christina Griese vergab vor drei Monaten die Bestnote. Ihr Kommentar: „Kleine Oase mit leckersten Torten und Kuchen, sehr liebevoll geführtes Gesamtkonzept mit tollem Service, der auch meinen kleinen Hund mit Leckerchen versorgt.“ Mareike L. schildert ihre Begeisterung so: „Wunderschönes Café, das man am liebsten für sich behalten möchte, weil es dort so gemütlich ist, es einfach wundervoll dekoriert wird – mit so viel Liebe noch dazu. Frühstück und Kaffee und Kuchen kann man nicht besser machen.“

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Auf der 20 Meter langen Veranda werden Gäste vom Servicepersonal bedient. © René Soukup | René Soukup

Diese Aussagen kommen einem Ritterschlag gleich. Das nützt jedoch nichts, wenn es immer weniger Zahlungswillige gibt. „Wir hatten noch nie so einen schlechten Sommer wie in diesem Jahr. Selbst Stammkunden kommen nicht mehr so regelmäßig wie früher. Es gibt Tage, da sind nur zehn Leute hier“, sagt Hartwigsen. Und die mehrten sich. Richtig schwierig sei es seit Februar 2022, als Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine begann und die Energiekosten stiegen. Sie hat einiges versucht, um die Wende herbeizuführen. „Die Erweiterung des Sortiments war leider erfolglos.“ Die Unternehmerin bietet Hunderte Artikel an, auch über einen Onlineshop. Dazu zählen Bettwäsche, Mützen, T-Shirts, Taschen, Bestecke und Kerzen.

Preise für Speisen wurden in diesem Jahr um bis zu zehn Prozent erhöht

Sie hat nicht die Möglichkeit, Waren auf Kommission zu beziehen. „Einige Teile habe ich schon unter dem Einkaufspreis veräußert.“ Von dem Café allein habe sie nie leben können, es sei immer ein Zusammenspiel gewesen mit dem Einrichtungssegment. Anfang dieses Jahres hat Hartwigsen die Preise für Speisen um bis zu zehn Prozent erhöht. Ein Stück Torte oder Kuchen kostet zwischen 3,80 und 4,90 Euro. Eine Konditorin liefert die Leckereien. Am beliebtesten ist die Variante American-Cheese mit Blau-, Him- oder Erdbeeren. Im Vergleich zu anderen Cafés ist man nicht teurer. Für das süße Frühstück sind 9,90 Euro zu entrichten. Dafür gibt es ein Croissant, ein Brötchen, zwei Fruchtkonfitüren nach Wahl, Butter, einen Orangensaft sowie einen Obstsalat mit Joghurt und Müsli. Für das Kännchen Kaffee sind 5,40 Euro fällig.

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Geöffnet ist dienstags bis sonnabends von 10 bis 18 Uhr, es gibt Platz für rund 30 Personen in der 200-Quadratmeter-Location. Hartwigsen arbeitet bis zu 80 Stunden pro Woche, sagt: „Ich kann mit viel Aufwand kostendeckend arbeiten.“ Für sie selbst bleibt kaum etwas übrig. Sie muss drei Mitarbeiterinnen bezahlen, zwei in Teil- und eine in Vollzeit. Die Kolleginnen sind zwischen vier und sieben Jahre dabei, mussten nun gekündigt werden. Auch das breche ihr das Herz. Hartwigsen betont, sie sei nicht insolvent, ziehe aber die Reißleine, bevor es schlimmer komme.

Im November beginnt der Räumungsverkauf

Früher hat die Unternehmerin auf dem Grundstück Sommerfeste mit Live-Musik veranstaltet. Die Bands haben gegen Gage gespielt. Das war zuletzt nicht mehr drin. Und auch Tortenstücke landen jetzt regelmäßig im Müll ob der fehlenden Kundschaft. Sechs bis acht Kuchen sind immer in der Auslage. Übriggebliebene Backwaren können die Mitarbeiterinnen nach Feierabend mitnehmen.

Am kommenden Wochenende wird die Oststeinbekerin den Laden mit Weihnachtsdekoration versehen. Sie ist immer noch mit Herzblut dabei. Wie es 2025 mit ihr beruflich weitergeht? Hartwigsen, gelernte Steuer-und Wirtschaftsfachgehilfin, zuckt mit den Schultern. „Ich möchte das hier vernünftig zum Abschluss bringen.“ Im November startet sie den Räumungsverkauf.