Reinbek. Politik beschließt Standort „Alte Stadtgärtnerei“ nahe der Carl-Zeiss-Straße. Warum die Zahl der Plätze bewusst offen gelassen wurde.
Der Bedarf ist unstrittig: Reinbek braucht dringend Unterkünfte für Geflüchtete, eher 200 als 100 Plätze. Von den für das Jahr 2024 prognostizierten 150 neu unterzubringenden Geflüchteten hat Reinbek bisher 130 Menschen ein Obdach geben können. Die Verwaltung geht davon aus, dass die Stadt bis zum Jahresende noch weitere 50 Flüchtlinge unterbringen muss. Ihren rechtlichen Verpflichtungen genügt die Stadt laut Quote damit noch nicht. Hinzu kommt, dass die Geflüchteten fast nur durch Überbelegungen der städtischen Unterkünfte untergebracht werden konnten. Amtsleiter Torsten Christ sagt: „Es ist nicht davon auszugehen, dass wir 2025 weniger als 150 Menschen aufnehmen müssen.“ Die Frage ist nur: Wo sollen all diese Menschen unterkommen?
Die Stadtverordneten haben daher auf ihrer jüngsten Sitzung am Donnerstag, 26. September, mehrheitlich eine Notunterkunft für Geflüchtete an der „Alten Stadtgärtnerei“ im Gewerbegebiet beschlossen. Die Zahl der Plätze dort ist noch nicht festgelegt, ob für 100, 150 oder sogar 200 Menschen. Bürgervorsteherin Brigitte Bortz (CDU) sagt: „Die Zahl der Plätze ist derzeit noch ergebnisoffen, weil einige Politiker gegen den Standort sind.“ Denn dort, auf der etwa 11.900 Quadratmeter großen Gewerbefläche in der Verlängerung der Carl-Zeiss-Straße hinter dem Regenrückhaltebecken, müsste ein Wald abgeholzt werden. Die Grünen hätten daher vorgeschlagen, den Standort nochmals zu prüfen.
Reinbek: Flüchtlingsunterkunft „Alte Stadtgärtnerei“ beschlossen
Doch die Grünen nennen auch noch andere Gründe für ihre Skepsis: „Das wird mit Sicherheit nicht schnell gehen, diesen Standort zu entwickeln“, ist Günther Herder-Alpen, Fraktionschef der Grünen, überzeugt. Es gebe dort keine Erschließung für Energie und Abwasser und auch keine verkehrliche Anbindung. Für den Wald dort werde Reinbek einen teuren Ausgleich schaffen müssen. Auch die Idee, dort möglichst viele Heimatlose einzuquartieren, hielten die Grünen für falsch. Sie bevorzugen eine dezentrale Unterbringung: „Die Standorte Ohe, das Museum Rade sowie eine Verdichtung bereits vorhandener Unterkünfte sind uns in dieser Debatte bisher zu kurz gekommen“, sagt der Grüne.
Den Einwand, dass dort ein Wald gefällt werden müsste, will die Christdemokratin Bortz nicht gelten lassen: „Die Abfallwirtschaft Südholstein, die AWSH, sollte dort auch schon einmal angesiedelt werden“, sagt sie. „Da hat sich noch niemand über dafür nötige Abholzungen aufgeregt.“ Dennoch müsste die Stadt ein derartiges Gebäude bei der Forstbehörde beantragen, sagt Amtsleiter Torsten Christ, es gehe um eine Waldumwandlung.
Gleichzeitig erforscht ein Arbeitskreis neue Flächen für günstiges Wohnen
Christ ist froh, dass die SPD bereits im Finanzausschuss gleichzeitig beantragt habe, sich intensiv um mögliche neue Flächen für dauerhaftes Wohnen zu kümmern. „Denn in einer Notunterkunft ist keine Integration möglich“, bekräftigt Christ. Das ist auch Nikolaus Kern, Vorsitzender der SPD-Fraktion, bewusst: „Es muss unser vordringliches Interesse sein, in der Stadt günstigen Wohnraum zu schaffen“, sagt er und meint damit nicht nur für die Geflüchteten.
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Doch auch die SPD stimmte für die Alte Gärtnerei als künftigen Wohnort für Geflüchtete und nennt Pragmatismus als ihr Argument: „Das Areal gehört der Stadt und hat viel Potenzial. Es ist der einzige Standort, wo wir annähernd so viele Flüchtlinge unterbringen können, wie wir müssen“, erklärt Kern. Ebenso wie die Grünen aber sieht er das Problem, dass Unterkünfte sich nicht in dieser Gegend konzentrieren dürften. Denn für die Multifunktionsfläche am Einkaufszentrum Sachsenwaldstraße ist bereits eine Unterkunft samt der Kosten genehmigt.
Flüchtlingsunterkunft Reinbek: Zahl der Bewohner bleibt noch offen
„Aber wir brauchen Plätze für die Geflüchteten“, bekräftigt auch Brigitte Bortz. Deshalb hätten auch die Christdemokraten für die Unterkunft Alte Gärtnerei votiert. Auch die FDP stimmte für den neuen Standort. Allein die Grünen enthielten sich ihrer Stimmen. Die Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner ließen die Stadtverordneten absichtlich offen - allerdings nicht, weil der Standort nicht einmütig unterstützt werde, sondern auf Wunsch der Verwaltung. Diese erhofft sich so mehr Verhandlungsspielraum gegenüber den Genehmigungsbehörden.