Steinburg. Behörde will in Ortsmitte des 600-Einwohner-Dorfs Sprenge im Kreis Stormarn Container oder Mobilheime bauen. Der Protest ist riesig.
- Die Einwohner von Sprenge haben zahlreiche Bedenken gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft auf ihrem Dorfplatz geäußert.
- Auch die Feuerwehr äußerte Bedenken, da die Zufahrt im Einsatzfall beeinträchtigt werden könnte.
- Doch bisher hat der Bau- und Planungsausschuss keine Alternativen zum Dorfplatz in Sprenge diskutiert.
Darf das Amt Bad Oldesloe-Land im kleinen Steinburger Ortsteil Sprenge eine Flüchtlingsunterkunft bauen – und zwar auf dem Dorfplatz? Wie sehr diese Frage die Einwohner umtreibt, hat sich bei einer Sitzung des Bau- und Planungsausschusses der Gemeinde Steinburg gezeigt. Die alte Schulscheune platzte wegen der vielen Zuschauer buchstäblich aus allen Nähten. Der Ausschussvorsitzende Detlev Hinselmann (CDU) schlug daher vor, die Einwohnerfragestunde in den betreffenden Tagesordnungspunkt zu integrieren und diesen nach vorn zu ziehen.
Daraufhin stellte Sigrid Krumbholz-Mai (SPD) den Antrag, den Beschlussvorschlag zum Flüchtlingsheim von der Tagesordnung zu nehmen. Stattdessen plädierte sie für die Aufnahme eines neuen Themas auf die Tagesordnung, das sie so formulierte: „Erörterung der Situation der Gemeinde Steinburg hinsichtlich der Verpflichtung, Angebote zur Unterbringung von Flüchtlingen zu ermitteln, sowie die Erarbeitung eines Vorschlags zum weiteren Verfahren in der Gemeinde.“ Sie begründete das Begehren damit, „dass offensichtlich ein erheblicher Diskussions- und Klärungsbedarf besteht, sodass die Festlegung auf eine einzige Lösung zum jetzigen Zeitpunkt viel zu früh erscheint“. Doch die CDU, die im Ausschuss über die Stimmenmehrheit verfügt, lehnte ihren Antrag ab.
Stormarn: Flüchtlingsunterkunft auf Dorfplatz? Bürger laufen Sturm
Zur weiteren Vorgehensweise sagte Hinselmann, er wolle zunächst eine kurze Einführung halten, „um das Ganze einzuordnen, was wir hier besprechen“. Anschließend könnten sich die Bürger zu Wort melden. Hinselmann sagte, dass es Fluchtbewegungen gebe, „die außer Kontrolle geraten sind, und zwar leider schon 2015“. Staat, Gesellschaft und Kommunen seien „vollkommen überfordert“ mit der derzeitigen Situation. „Dass jetzt viele Menschen – und vermutlich sind Sie deswegen auch hier – einfach sagen: Es reicht. Das Boot ist voll. Wir wollen nicht mehr.“ Steinburg hat insgesamt 2850 Einwohner, Sprenge 609.
Flüchtlingsunterkunft: Die bestehenden Unterbringungsmöglichkeiten sind ausgeschöpft
Hinselmann zitierte Amtsleiter Steffen Mielczarek mit den Worten, es sei buchstäblich so, dass die Geflüchteten „vor den Füßen abgekippt“ würden. „Die werden aus den Bussen herausgelassen, und dann sollen sie verteilt werden. Wir haben als Gemeinde überhaupt keine Chance zu sagen, wir nehmen keine Flüchtlinge, sondern wir werden durch die Bundesgesetzgebung gezwungen, sie aufzunehmen.“ Was nur bedingt zutrifft: Weigert sich eine Gemeinde und andere aus dem Amt springen in die Bresche, kann sie damit durchkommen.
Die Zuweisung der Geflüchteten an die Kommunen und Ämter liegt in der Zuständigkeit des Kreises Stormarn. Zugrundegelegt wird die Bevölkerungszahl: 248.267 Einwohner hat Stormarn, davon leben 11.766 (4,7 Prozent) im Amtsgebiet Bad Oldesloe-Land (Stand 12/2023). Für 2024 rechnet die Kreisverwaltung mit der Ankunft von 1000 bis 1300 neuen Geflüchteten, wovon wiederum 4,7 Prozent auf das Amt entfallen. Das entspricht 47 bis 61 Neuzugängen (maximale Zahl laut Beschlussvorlage: 62). Doch die bestehenden Unterbringungsmöglichkeiten sind ausgeschöpft.
Flüchtlingsunterkunft: Keine Resonanz auf Anfrage bei Bürgermeistern nach geeigneten Flächen
Amtsleiter Steffen Mielczarek erläutert die Situation so: „Wir haben keine eigenen Flächen, nur eine Liegenschaft, die Grabauer Mühle, die bereits als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird.“ Zudem habe das Amt diverse Häuser und Wohnungen angemietet. „Der Markt ist leergefegt.“ Daher sei in allen neun Amtsgemeinden nachgefragt worden, ob es Flächen gebe, die für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung gestellt werden könnten. „Es gab aber nicht die Rückmeldung, die man sich wünscht“, sagt der Amtsleiter.
Weil Vorschläge ausblieben, war das Amt gezwungen, entsprechende Flächen selbst zu suchen. Amtsvorsteher Martin Beck (CDU) sagte: „Wir haben die Gemeindeflächen aller Amtsgemeinden beleuchtet.“ Die in Betracht gezogenen Grundstücke würden jetzt in die Ausschüsse und Gemeindevertretungen gegeben. Dort solle bewertet werden, ob eine Unterkunft an der Stelle passe – oder nicht.
Flüchtlingsunterkunft auf dem Dorfplatz: „Funktioniert bei uns wunderbar“
Beck zufolge wäre auf dem Dorfplatz in Sprenge auf der freien Fläche neben dem Gemeinschaftshaus ausreichend Platz. Dort könnten bis zu 20 Menschen unterkommen. Ausgerechnet der Dorfplatz? Er fände es auch nicht richtig, geeignete Flächen außen vor zu lassen, so Beck. Der Bau – alternativ Container oder Mobilheime – „wäre ja nur im Randbereich errichtet worden“.
Der Amtsvorsteher hat nach eigenen Angaben gute Erfahrung mit einem Standort in vergleichbarer Lage gemacht. „Wir haben bei uns in der Gemeinde ein altes Gebäude, das neben dem Spielplatz und dem Gemeindehaus liegt. Dort wohnen Geflüchtete, und das Zusammenleben funktioniert ganz wunderbar.“ Als er bei der Sitzung davon sprach, dass Integration auch an solchen Orten gelingen könne, weil dort Menschen beispielsweise bei Festen in Kontakt miteinander kämen, und dass die Integration von den Geflüchteten und dem Engagement der jeweiligen Gemeinden abhänge, erntete er Gelächter und lautstarken Protest. „Wir sind mal wieder schuld“, sagte eine Frau. „Wir haben doch gar keine Veranstaltungen mehr“, eine andere.
Flüchtlingsunterkunft: Schützen würden ihren Teil des Platzes einzäunen
Die Einwohner sparten auch sonst nicht mit Kritik und Einwänden. Eine Einwohnerin merkte an, dass auf dem Dorfplatz der einzige Spielplatz des Ortes sei – eine Schaukel. Ein Mitglied des Schützenvereins meinte: „Werden hier nicht soziale Gruppen gegeneinander ausgespielt? Junge Familien gegen Flüchtlinge, sorgt das vielleicht für eine erhebliche Zwietracht?“ Um die Antwort selbst zu geben: „Ja, da ist gewaltig Potenzial drin, das sollte man nicht tun.“
Auch interessant
- Streit in der AfD Stormarn: Fraktionschef Arnulf Andreas Fröhlich entmachtet
- Trend-Hobby Schatzsuche: Was Sondengänger auf Feldern in Stormarn finden
- Herrenruhmweg Trittau: Straßensperrung führt zu Streit unter Anwohnern
Außerdem brauche der Schützenverein den Platz für Veranstaltungen wie Flohmärkte, Schützen- und Dorffeste. „Wir bitten Sie darum, diesem Wunsch des Volkes zu folgen und Ihren Beschluss dementsprechend zu verfassen.“ Für den Fall, dass dies nicht geschehe, kündigte er Konsequenzen an: Die Schützen würden den Teil des Grundstücks, der ihnen gehöre, einzäunen. „Damit wäre das Dorfleben dort erledigt. Kein Bolzplatz mehr für die Jugendlichen, kein Übungsplatz mehr für die Jugendfeuerwehr. Das wäre unverantwortlich, wenn Sie das so entscheiden.“
Flüchtlingsunterkunft auf dem Dorfplatz könnte Feuerwehr behindern
Ein Feuerwehrmann sagte: „Die genannte Fläche ist im Einsatzfall die Zufahrt für die Einsatzkräfte.“ Sie parkten dort ihre Autos, damit sie nicht den Weg der Einsatzfahrzeuge kreuzten. Ein Bürger argumentierte, dass ein Leitgedanke bei der Auswahl der Standorte die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt sein sollte. Letzterer sei in Sprenge aber nicht vorhanden. „Es gibt noch nicht mal einen Einkaufsmarkt“, bemerkte eine Frau.
Konkrete Fragen der Einwohner, etwa ob der Spielplatz „abgerissen“ werden müsste oder zur voraussichtlichen Nutzungsdauer des Geländes, konnte Detlev Hinselmann nicht beantworten. „Dass Sie das nicht wissen, das verstehe ich nicht“, sagte eine Bürgerin. „Ich muss mich nur darum kümmern, ob ich das grundsätzlich für richtig halte. Das sind Sachen, die werden erst dann vertieft, wenn die Grundsatzentscheidung gefallen ist, dass die Gemeinde die Fläche zur Verfügung stellt“, so Hinselmann.
Flüchtlingsunterkunft: Detailliertere Informationen vor der Entscheidung wären gut gewesen
Mehr Informationen im Vorfeld der Entscheidung, das hätte sich auch Heiko Busche (SPD) gewünscht. Dann hätte man sich im Vorwege abstimmen können, ob es bessere Möglichkeiten gäbe. „Für uns als SPD-Fraktion kommt das Ding wie Kasper aus der Kiste.“ Im Nachgang zur Sitzung kritisierte er, konkrete Fragen seien erst gar nicht behandelt worden. Auch Kay Brügmann (Aktive Bürger in Steinburg) sieht Versäumnisse. „Die übliche Vorgehensweise ist, dass es Vorgespräche gibt, damit sich jede Fraktion vorbereiten kann. Bei diesem wichtigen Thema gibt es so viele Dinge, die man betrachten sollte.“ Auf die Frage eines Mannes, ob der Ausschuss nach Alternativen gesucht habe, sagte Hinselmann: „Nein.“ „Warum nicht?“, wollte der Mann wissen. Antwort: „Das werden Sie am Beschluss sehen.“
Die Ausschussmitglieder stimmten geschlossen dagegen, dem Amt den Dorfplatz zur Verfügung zu stellen. Sollten die anderen Amtsgemeinden ebenso verfahren, bliebe nur der Kauf von Grundstücken, was zur Erhöhung der Amtsumlage führen könnte. Oder die Belegung von Gemeinschaftseinrichtungen wie Turnhallen. Die abschließende Entscheidung fällt die Gemeindevertretung in ihrer Sitzung am Montag, 30. September.