Reinbek. Aus Kostengründen will die schleswig-holsteinische Landesregierung Standorte aufgeben. Es hagelt bereits Kritik an den Plänen.

Der Plan stößt auf Kritik: Die schleswig-holsteinische Landesregierung plant offenbar die Schließung des Amtsgerichts Reinbek und dreier weiterer Amtsgerichte im Hamburger Umland „Das Justizministerium wird im Zuge der Haushaltskonsolidierung in den kommenden Jahren im Auftrag der Landesregierung Gerichtsstrukturen in Schleswig-Holstein reformieren“, heißt es in einer am Mittwoch, 25. September, veröffentlichten Mitteilung des Ministeriums. Mittelfristig soll es demnach nur noch ein Amtsgericht pro Kreis geben. Das Justizministerium indes verteidigt das Vorhaben, ohne ins Detail zu gehen.

In Stormarn soll der größere der beiden Standorte in Ahrensburg erhalten bleiben. Offiziell hat das Ministerium sich noch nicht zur Zukunft einzelner Gerichte geäußert, allerdings kursiert nach Informationen unserer Redaktion in Landtagskreisen bereits eine Liste mit konkreten Streichvorschlägen. Auf dieser stehen neben dem Amtsgericht Reinbek auch jene in Schwarzenbek, Norderstedt und Elmshorn.

Justiz Schleswig-Holstein: Amtsgerichte Reinbek, Schwarzenbek, Norderstedt und Elmshorn vor dem Aus

Auf Anfrage gibt es dazu aus dem Ministerium weder eine Bestätigung noch ein Dementi. Offiziell heißt es lediglich, es solle nun geprüft werden, „ob und in welchem Umfang durch die Zusammenlegung von Amtsgerichten Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsvorteile erzielt werden können.“ Vor einer endgültigen Entscheidung werde es einen Anhörungsprozess geben, so Sprecher Oliver Breuer. Die Überprüfung der Standorte erfolge insbesondere vor dem Hintergrund erheblicher und derzeit nicht finanzierbarer Sanierungsbedarfe sowie auslaufender Mietverträge an einzelnen Standorten.

Letztere Anmerkung kann als konkreter Hinweis auf die Zukunft des Reinbeker Amtsgerichts verstanden werden. Wie das Finanzministerium gegenüber unserer Redaktion bereits Ende Januar bestätigt hat, läuft der Mietvertrag für das seit 1999 als solches genutzte Gerichtsgebäude an der Parkallee zum Ende des Jahres aus.

Amtsgericht Reinbek: Anfang des Jahres hatte das Finanzministerium Schließung noch dementiert

Damals bot der private Eigentümer das 1858 errichtete ehemalige Sophienbad auf einem Immobilienportal zum Verkauf an. Dennoch hatte das Ministerium Spekulationen über eine Aufgabe des Gerichtsstandortes seinerzeit dementiert. Man prüfe unabhängig von einem möglichen Eigentümerwechsel, eine Verlängerungsoption des Mietvertrags bis zum 31. Dezember 2029 wahrzunehmen, hieß es. Für die 53 Mitarbeitenden am Standort bestehe kein Anlass zur Sorge. Auch für andere Gerichtsstandorte seien keine Schließungen im Gespräch.

Nun kommt es anders. Auch bei der Fachgerichtsbarkeit plant das Justizministerium Einschnitte. Die bislang fünf beziehungsweise vier Arbeits- und Sozialgerichte sollen demnach in einem „Fachgerichtszentrum“ zusammengelegt werden. Der Standort steht noch nicht fest. Das aktuell in Kiel ansässige Finanzgericht soll am Standort der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Schleswig mit einziehen.

Ministerin verweist auf erheblichen Sanierungsstau an Gerichtsgebäuden

„Es besteht bei den Gerichtsgebäuden ein erheblicher Sanierungsstau, während es gleichzeitig immer schwieriger wird, die teilweise sehr kleinen Organisationseinheiten personell aufrechtzuerhalten“, sagt Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU). „Dieser Aufgabe stellen wir uns. Dabei werden wir die Belange der Justizbeschäftigten und auch der rechtssuchenden Bevölkerung bestmöglich wahren.“

Kurz nach Bekanntwerden der Pläne gibt es von verschiedenen Seiten Kritik. Für die Opposition ist die Reform nicht abschließend durchdacht. „Das ist eine Strukturreform ohne Sinn und Verstand“, sagt der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen, Heiko Siebel-Huffmann. „Für alle werden die Wege weiter: Rechtsschutzsuchende, Mitarbeitende sowie Richterinnen und Richter. Damit nimmt man niemanden mit, sondern verprellt alle diejenigen, die wohnortnah Rechtsschutz gewähren.“ 

Reinbeker SPD-Landtagsabgeordneter rechnet mit vielen Protesten

Der Reinbeker SPD-Landtagsabgeordnete Martin Habersaat spricht von einer „von oben aufgestülpten Strukturreform, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mitnimmt.“ Er rechne mit vielen berechtigten Protesten. Ähnlich sieht es die FDP. „Ob weitere Zentralisierungen im Fachgerichtsbereich tatsächlich Einsparungen bewirken können, erscheint angesichts der regionalen Verteilung etwa der Arbeitsgerichte sehr zweifelhaft“, sagt Bernd Buchholz, justizpolitischer Sprecher der Liberalen im Landtag. Die Ankündigung der Justizministerin sei überraschend und mit niemandem im Land vorher beraten worden.

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Der Richterverband Schleswig-Holstein spricht von einer Entscheidung nach Gutsherrenart. „Diese Vorgehensweise lässt uns völlig fassungslos zurück“, so die Verbandsvorsitzende Christine Schmehl. „Diese Kommunikationsweise erschüttert das Vertrauen aller Justizbeschäftigten nachhaltig und entspricht nicht dem 21. Jahrhundert, sondern der Kaiserzeit.“

Landesvorsitzender des Sozialverbands: Pläne der Landesregierung sind ein Skandal

Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) sieht die Pläne kritisch, insbesondere mit Blick auf die Zusammenlegung der Sozialgerichte. „Diese Pläne sind das Gegenteil von Bürgernähe. Als wir davon gehört haben, waren wir schockiert“, so Schleswig-Holsteins SoVD-Vorsitzender Alfred Bornhalm. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, vergrößere die Landesregierung die ohnehin schon breite Kluft zwischen Bürgern und dem Staat. Bornhalm sagt: „Im Angesicht der Demokratiemüdigkeit in einem großen Teil der Bevölkerung sind die Pläne der Landesregierung ein Skandal. Für so wichtige Institutionen wie Sozialgerichte brauchen wir Wohnortnähe - nicht das Gegenteil.“

Das Ministerium verteidigt das Vorhaben und verweist auf die angespannte Haushaltslage. „Wir werden 25 neue Planstellen bei den Staatsanwaltschaften zur Verfügung stellen, die momentan besonders stark belastet sind. Dies dient der Stärkung der Strafverfolgung“. sagt Sprecher Breuer. „Da wir aber in einer sehr schwierigen Haushaltslage stecken, muss auch die Justiz an anderer Stelle sparen. Deshalb werden wir die Strukturen unserer Gerichtslandschaft verschlanken und sie für die Zukunft effizienter aufstellen.“

Ministeriumssprecher spricht von „gravierenden Einschnitten“ für Justizbedienstete

Es sei klar, dass dies gravierende Einschnitte für die Bediensteten in der Justiz bedeute. Auch den Parteien von Rechtsstreitigkeiten, den Anwälten und vielen anderen Gruppen werde viel zugemutet. „Dennoch sind wir überzeugt, dass Personaleinsparungen und damit wesentlich längere Verfahrensdauern hier wesentlich schwerer wiegen würden, als längere Anfahrtswege zu den Gerichten“, so der Ministeriumssprecher.

Wann die Reform umgesetzt wird, ist noch unklar. „Die Umsetzung wird sich über einen mehrjährigen Zeitraum erstrecken, wobei in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten auch kurzfristigere Entscheidungen in Einzelfällen notwendig sein können“, heißt es aus dem Ministerium.