Ahrensburg/Bad Oldesloe. Stormarns Landrat Henning Görtz fordert grundsätzliches Umsteuern in der Asylpolitik. Kreis muss 2024 noch mehr Flüchtlinge aufnehmen.
Aktuellen Zahlen zufolge sind dem Kreis Stormarn seit Beginn dieses Jahres bereits 1062 Geflüchtete zugewiesen worden. Statt einer erhofften Atempause nach 1317 Zuweisungen im Vorjahr bleibt der Druck auf Städte und Gemeinden hoch, die die Unterbringung und Integration von Schutzsuchenden vornehmlich schultern müssen. Bis zum Jahresende wird sogar mit 1500 Flüchtlingen gerechnet, zumal der Anteil von Vertriebenen aus der Ukraine beständig steigt. „Das ist und bleibt eine Riesenherausforderung“, sagt Landrat Henning Görtz. Er fordert aber zugleich dringend notwendige Anpassungen in der Migrationspolitik, da die anhaltende Überforderung der Kommunen längst offensichtlich sei.
Was in Berlin inzwischen fast täglich auf höchster Ebene zwischen Ampelkoalition und Opposition diskutiert und verhandelt wird, ist auch in Stormarn zum Dauerthema geworden. Das zeigte sich etwa jetzt im Kreistag. Im technisch aufwendig modernisierten Sitzungssaal auf dem Campus der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe, der jetzt über eine leistungsstarke Lautsprecheranlage, Tischmikrofone und eine neue Videowand verfügt, sah sich Görtz vor allem aus der AfD-Fraktion mit drängenden Fragen konfrontiert.
Stormarns Landrat zur Asylpolitik: „Anhaltende Überforderung längst offensichtlich“
Beflügelt durch die Erfolge der Rechtsaußenpartei bei den Landtagswahlen im Osten des Landes wollte der neue Fraktionschef Karl-Heinz Lenz wissen, wie sich der Kreis gegen die ungehemmte Zuwanderung zur Wehr setze. Angesichts von inzwischen mehr als 3,5 Millionen aufgenommenen Flüchtlingen bundesweit wachse nicht nur die Wohnungsnot, sondern auch der Unmut in der Bevölkerung.
So plant das Amt Bad Oldesloe-Land gerade eine Flüchtlingsunterkunft auf dem Dorfplatz des kleinen Steinburger Ortsteils Sprenge. Dagegen hatte sich im Bauausschuss der Gemeinde massiver Widerstand der Einwohner geregt. Dem Dorf werde durch die Umsetzung vor allem ein wichtiger sozialer Treffpunkt genommen.
Asylpolitik: Neuordnung des gesamten Migrationssystems dringend geboten
Landrat Görtz machte erneut deutlich, dass er eine grundlegende Neuorganisation des gesamten Migrationssystems für dringend geboten erachtet. Darauf hatte er bereits am Rande des Deutschen Landkreistages Anfang September im bayerischen Kloster Seeon hingewiesen. Verschärfte Grenzkontrollen und Zurückweisungen müssten deutlich konsequenter praktiziert werden, als das bislang der Fall sei.
Zudem sollte es zu einer Zentralisierung des Rückkehrmanagements kommen. „Es ist eine Tatsache, dass die Ausländerbehörden in den Kreisen chronisch überlastet sind“, so Görtz. Das erschwere nicht zuletzt die Rückführung von Migranten, die keine Bleibeperspektive hätten: „Diese dürfen aber gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden.“ Hier sieht er vor allem das Land in der Pflicht. In den Landesunterkünften sollten Entscheidungskompetenzen gebündelt werden, um den individuellen Aufenthaltsstatus zu klären.
Migration in Schleswig-Holstein: Landesunterkünfte sind nur zur Hälfte ausgelastet
Das hatte Görtz auch der schleswig-holsteinischen Landesbeauftragten für Asyl-, Flüchtlings- und Zuwanderungsfragen, Doris Kratz-Hinrichsen, bei der sehr gut besuchten Podiumsdiskussion in der Reihe „Politik in der Remise“ am 17. September im Ahrensburger Kulturzentrum Marstall gesagt.
Deren Angaben zufolge habe die durchschnittliche Belegung der Landesunterkünfte im August bei 4565 Personen gelegen. Das sei sogar ein leichter Rückgang gegenüber dem Vormonat. Ausgelegt sind die Landesunterkünfte indes für rund 8500 Personen. Tatsächlich werden aber zu viele Migranten zu schnell auf die Kreise weiterverteilt. Derzeit leben in Stormarn laut Kratz-Hinrichsen 26.240.
Landrat zur Asylpolitik: Vorhandene Kapazitäten anders nutzen
„Die vorhandenen Kapazitäten in den Städten und Gemeinden sollten für die geschützt werden, die eine realistische Bleibeperspektive haben“, betont Görtz. Das allein sei bereits schwierig genug. Um etwa Sammelunterkünfte zu vermeiden, würden die Kommunen viel Wohnraum für Geflüchtete anmieten. Das führe aber zu einer zusätzlichen Konkurrenz auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt. Dadurch würden nicht nur die Mietpreise steigen, sondern ebenso soziale Spannungen.
Noch sei die Bereitschaft der Stormarner Bürger groß, sich bei der Integration Geflüchteter zu engagieren“, so der Landrat. Das sei auch bei der Veranstaltung im Ahrensburger Marstall deutlich geworden. Dieser ehrenamtliche Einsatz dürfe aber nicht durch eine permanente Überlastung der Ressourcen gefährdet werden.
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Asylpolitik: Landrat Görtz fährt anderen Kurs als CDU-Chef Merz
Doch anders als Kanzlerkandidat Friedrich Merz und andere namhafte CDU-Größen fordert Stormarns Landrat keine generelle Zurückweisung von Flüchtlingen etwa aus Syrien und Afghanistan und lehnt auch die Einführung einer verbindlichen Obergrenze für Aufnahmen ab. Das widerspreche christlichen Grundwerten, wonach Verfolgten Asyl zu gewähren sei.
„Der individuelle Schutzbedarf muss das entscheidende Kriterium für eine Aufnahme sein“, sagt Henning Görtz. Außerdem müsse das Dubliner Abkommen konsequent umgesetzt werden, wonach Flüchtlinge dort zu versorgen sind, wo sie das erste Mal registriert wurden. „Es muss unterbunden werden, dass Flüchtlinge durch mehrere EU-Staaten nach Deutschland wandern, nur weil sie hier die besten Bedingungen erwarten“, sagt der Landrat.