Ahrensburg. Verein möchte an Rudolf-Kinau-Straße in Ahrensburg 36 Einheiten errichten. Kritik von Nachbarn. Ausschussmitglieder fühlen sich übergangen.
Der geplante Bau von 36 Sozialwohnungen an der Rudolf-Kinau-Straße in Ahrensburg sorgt weiter für Streit. Wie berichtet, möchte der Verein Heimat das ehemalige Pastorat und Gemeindehaus neben der St. Johanneskirche abreißen und dort vier Mehrfamilienhäuser errichten. Anwohner halten das Vorhaben aufgrund der Dimension der geplanten Gebäude für unzulässig.
Das Projekt war nun auch Thema im Bau- und Planungsausschuss. Politiker verschiedener Fraktionen warfen der Verwaltung vor, sie nicht ausreichend an dem Genehmigungsprozess beteiligt zu haben.
Streit um Sozialwohnungen in Ahrensburg: Politiker verärgert
„Wir wären gern eingebunden worden“, sagte Nadine Levenhagen, Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Wollen wir so eine Verdichtung an der Stelle, wie sie jetzt geplant ist? Da hätten wir als Politik gern mitgeredet.“ Stattdessen habe die Verwaltung dem Ausschuss die Entscheidung abgenommen, indem sie die Bauvoranfrage des Vorhabenträgers positiv beschieden habe.
Hintergrund der Debatte ist eine Sonderregelung, die in Paragraf 34 des Baugesetzbuches festgeschrieben ist. Sie greift, wenn es für ein Areal keinen gültigen Bebauungsplan gibt – das ist an der Rudolf-Kinau-Straße der Fall. Es gibt dann keine Bau- und Gestaltungsvorschriften im engeren Sinne. Stattdessen gilt, dass ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“.
Verein Heimat macht von Sonderregelung im Baugesetzbuch Gebrauch
Der Verein Heimat hat von dieser Regelung Gebrauch gemacht und eine Baugenehmigung nach Paragraf 34 beantragt. Er will ein aufwendiges und langwieriges Aufstellungsverfahren für einen B-Plan dadurch vermeiden. „Bis es abgeschlossen wäre, würden fünfeinhalb bis sechs Jahre vergehen“, sagt der Vereinsvorsitzende, Reinbeks und Ammersbeks ehemaliger Bürgermeister Axel Bärendorf. Zudem sei ein solches Verfahren mit immensen Kosten verbunden, die der gemeinnützige Verein nicht stemmen könne.
Eine Nachbarschaftsinitiative kritisiert das Vorgehen des Vereins und hat Widerstand angekündigt. Die Anwohner bemängeln, dass sie nicht beteiligt wurden. Ohne B-Plan-Verfahren hätten sie keine Möglichkeit, Einwände gegen die Planung geltend zu machen. Von dem Bauantrag habe man nur durch Zufall überhaupt erfahren.
Das Grundstück neben der Kirche gehört dem Verein seit Ende 2015
Die Tatsache, dass Sozialwohnungen entstehen sollen, stört die Nachbarn ausdrücklich nicht. Es gehe um die Dimension der geplanten Baukörper. Diese seien wesentlich höher und vom Volumen deutlich größer als das umliegende, von Einzel- und Doppelhäusern geprägte Viertel.
Der Verein Heimat wiederum argumentiert, dass sich das Vorhaben nicht rentiere, wenn weniger Wohnungen entstünden. Um eine Förderung zu bekommen, müsse man kostendeckend planen. Der Verein hat das rund 3000 Quadratmeter große Grundstück Rudolf-Kinau-Straße 13–15 Ende 2015 von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Ahrensburg gekauft. Seitdem vermietet er das Gebäude, das früher das Pastorat, das Gemeindehaus und einen Kindergarten beherbergte, als Flüchtlingsunterkunft an die Stadt. Wohnbebauung ist auf dem Areal schon lange geplant.
Die Mieten für die Wohnungen sollen zwischen sechs und sieben Euro liegen
Das Konzept, das vom Ahrensburger Architekturbüro Westphal + Berwing stammt, sieht vier Baukörper mit je zwei Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss vor. Pro Haus sind neun Wohneinheiten vorgesehen. Die Größenspanne liegt zwischen 39 und 55 Quadratmetern. Die Mieten sollen zwischen 6,50 und 6,80 Euro pro Quadratmeter liegen.
Zielgruppe sind vor allem Senioren, die sich auf dem freien Markt keine Wohnung leisten können. „Insgesamt investieren wir rund 6,5 Millionen Euro“, sagt der Vereinsvorsitzende Bärendorf. Allerdings würden davon 85 Prozent über Zuschüsse und Darlehen finanziert. Dem vor 75 Jahren gegründeten Verein Heimat gehören bereits 112 Wohnungen an den Straßen Am Neuen Teich und Fannyhöh.
Der Verein investiert in das Projekt insgesamt rund 6,5 Millionen Euro
Aus der Verwaltung heißt es, man habe seinerzeit rechtlich keine Möglichkeit gehabt, die Bauvoranfrage negativ zu bescheiden. „Die Gebäude sind als zweigeschossige Gebäude geplant, und die optische Wirkung ist auch zweigeschossig. In der näheren Umgebung gibt es Vorbilder für eine zweigeschossige Wirkung“, sagt Rathaussprecherin Petra Rogge auf Anfrage.
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Die Grundflächen der geplanten Mehrfamilienhäuser lägen zwar etwas über den Grundflächen vorhandener Gebäude, jedoch sei „die fortwirkende Prägung des Bestandsgebäudes“, des Gemeindehauses, sowie die Prägung des Quartiers durch Kirche und Gemeindehaus insgesamt in die Beurteilung mit einzubeziehen. „Die Anzahl von Wohnungen spielt bei der Beurteilung nach Paragraf 34 Baugesetzbuch keine Rolle“, so Rogge.
Grünen-Fraktionschefin kritisiert: Grundstück werde maximal ausgereizt
In der Ahrensburger Politik gibt es Verständnis für die Kritik der Nachbarn. „Das auf dem Grundstück Mögliche wird maximal ausgeschöpft“, so die Grünen-Fraktionschefin Levenhagen. „Das sehen wir schon als empfindlich an. Ich bin nicht die Einzige, die bei der Vorstellung der Pläne geschluckt hat.“
Für die Ausschusssitzung beantragte Levenhagen, doch einen Bebauungsplan für die Rudolf-Kinau-Straße aufzustellen und so lange eine Veränderungssperre zu erlassen. Damit könne die Politik noch Einfluss auf das Projekt nehmen. „Der Antrag hat nicht den Zweck, das Vorhaben zu verbieten“, betonte sie. Doch wenig später musste die Grünen-Fraktionsvorsitzende ihren Vorstoß zurückziehen, nachdem Bürgermeister Eckart Boege interveniert hatte. „Sie könnten jetzt zwar einen Aufstellungsbeschluss fassen, aber wegen des gültigen Bauvorbescheids würde er für dieses Vorhaben nicht mehr greifen“, erklärte der Verwaltungschef.
Grünen-Fraktionsvorsitzende wirft Verwaltung Täuschung vor
Zudem bestünde die Gefahr, dass der Vorhabenträger hohe Entschädigungsansprüche gegenüber der Stadt geltend mache, ergänzte Andrea Becker, Leiterin der Bauaufsicht. Ein B-Plan hätte zu einem früheren Zeitpunkt aufgestellt werden müssen, erklärte sie.
Diese Aussage sorgte bei den anwesenden Politikern für Ärger. „Als uns das Vorhaben seinerzeit vorgestellt wurde, haben wir gefragt, wie wir eingreifen können“, sagte Detlef Steuer von der Wählergemeinschaft WAB. „Ihre Aussage war damals, dass wir der Voranfrage wegen Paragraf 34 zustimmen müssen und es keine andere Möglichkeit gibt.“ Levenhagen wurde noch deutlicher. „Sie haben uns getäuscht, indem Sie andere Optionen verschwiegen haben“, warf sie der Verwaltung vor.
Nachbarn könnten gegen das Vorhaben vor das Verwaltungsgericht ziehen
Becker wies die Kritik zurück. „Ich denke, wir können davon ausgehen, dass Sie wissen, wie sie über die Bauleitplanung steuernd eingreifen können“, so die Stadtplanerin. Im Übrigen gelte weiterhin, dass die Stadt ohne gültigen B-Plan keine Möglichkeit gehabt habe, die Bauvoranfrage seinerzeit abzulehnen.
Wie es nun weitergeht, ist unklar. Den Anwohnern bleibt noch die Möglichkeit, gegen das Vorhaben vor das Verwaltungsgericht in Schleswig zu ziehen. Erfolgsaussichten ungewiss. Der Verein Heimat plant nach eigenen Angaben einen Baustart erst im Jahr 2026.