Ahrensburg/Lübeck. Unternehmer (42) aus Ahrensburg soll mit Fahrzeugen seiner Kunden Unfälle fingiert haben. Aber es gibt noch weitere schwere Vorwürfe.

Er soll Unfälle fingiert und verschiedene Versicherungen so um mehr als 140.000 Euro betrogen haben: Vor dem Landgericht Lübeck hat der Prozess gegen den ehemaligen Chef eines Autohauses in Ahrensburg begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft Fatic B. (Name geändert) Betrug in besonders schwerem Fall vor.

Es ist bereits die zweite Runde in dem Prozess. Ende März hatte das Amtsgericht Ahrensburg den 42-Jährigen nach einem aufwendigen Verfahren bereits wegen Betruges in sechs Fällen, wegen versuchten Betruges in zwei Fällen und Unterschlagung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. In den übrigen der 13 Anklagepunkte sprach das Schöffengericht den Unternehmer frei. B. wollte die Entscheidung jedoch nicht akzeptieren und ging in Berufung, weshalb der Fall jetzt beim Landgericht liegt.

Versicherungsbetrug: Autohaus-Chef aus Ahrensburg schon wieder vor Gericht

Es ist eines von zwei Verfahren gegen den Ahrensburger, die derzeit parallel laufen. In dem anderen hat das Amtsgericht Lübeck B. erst Anfang August unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Hehlerei, Urkundenfälschung und gewerbsmäßigem Betrug zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Sowohl B. als auch die Staatsanwaltschaft haben auch gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.

Der erste Verhandlungstag begann am Donnerstag erst mit rund zwei Stunden Verspätung. Grund war ein Ablehnungsantrag der Verteidigung gegen den Dolmetscher, der für den gebürtigen Kosovaren B. aus dem Albanischen übersetzten sollte. Begründung: Der Dolmetscher habe Inhalte aus vertraulichen anwaltlichen Gesprächen weitergegeben. „Es besteht kein Vertrauensverhältnis mehr zwischen ihm und meinem Mandanten“, so Verteidiger Merlin Böttcher.

Bruder des Dolmetschers soll beim Friseur vertrauliche Informationen geteilt haben

Der Bruder des Dolmetschers, der schon bei dem Verfahren am Amtsgericht Ahrensburg übersetzt hatte, und zahlreiche Verwandte und Bekannte des Angeklagten besuchen dem Anwalt zufolge denselben Friseursalon. Dort habe der Bruder vertrauliche Informationen aus dem Verfahren verbreitet. Diese könne er nur von dem Dolmetscher bekommen haben.

Dieser bestritt, Informationen weitergegeben zu haben. Er sei seit sechs Jahren als Übersetzer bei Gericht tätig, es habe nie Beanstandungen seiner Arbeit gegeben. „Ich teile Inhalte aus Verfahren nicht einmal mit meiner Frau“, versicherte der Dolmetscher. Dennoch entschied das Gericht nach langer Beratung, ihn von seinen Pflichten zu entbinden und eine neue Übersetzerin zu bestellen. Zwischenzeitlich stand auch zur Diskussion, die Verhandlung ohne Übersetzer zu beginnen. Der Ahrensburger spricht zwar fließend Deutsch, bei komplexen juristischen Formulierungen und Begriffen habe sein Mandant aber Schwierigkeiten, so Böttcher.

Autohaus-Chef aus Ahrensburg nutzte die Autos seiner Kunden, um die Unfälle zu inszenieren

Zunächst verlas Wiebke Dettmers, Vorsitzende der III. Kleinen Strafkammer, noch einmal das Ahrensburger Urteil. Dem Schöffengericht in der Schlossstadt zufolge hatte B. ein ausgeklügeltes System entwickelt, um die Versicherungen hinters Licht zu führen. Der 42-Jährige habe die Unfälle, für die er später Geld kassierte, vorsätzlich verursacht. In einigen Fällen habe er auch Versicherungsfälle vorgetäuscht, obwohl es tatsächlich gar keine Schäden gegeben habe.

B. nutzte dafür nach Auffassung des Ahrensburger Gerichts unter anderem Fahrzeuge, die Kunden in der seinem Autohaus angeschlossenen Werkstatt zur Reparatur eingestellt hatten. Dann, so wirft es ihm die Staatsanwaltschaft vor, soll der Unternehmer die Schäden unter Nutzung der Namen und Daten seiner Kunden selbst bei den Versicherungen angemeldet und Reparaturkosten und Schadenzahlungen (die Wagen der Unfallgegner waren auf seine Mitarbeiter oder deren Angehörige zugelassen) einkassiert haben. In einigen Fällen habe der 42-Jährige auch eigene Autos verwendet, um die Unfälle zu inszenieren.

Autohaus-Chef aus Ahrensburg hat eine Betrugsabsicht bislang stets bestritten

Teilweise hatte der 42-Jährige laut Anklage Freunde und Verwandte als Komplizen. Andere „Mittäter“ habe er sich sorgfältig aus seinem Kundenkreis herausgepickt. Sie seien entweder schlichten Gemüts oder leicht zu manipulieren gewesen. Meist habe es sich um alte oder kranke Personen gehandelt, die der Ahrensburger gut habe einschüchtern können. Von November 2017 bis September 2020 war B. mit der Masche erfolgreich. Der Betrug flog erst auf, als ein Mitarbeiter einer der geschädigten Versicherungen misstrauisch wurde.

Fatic B. hatte eine Betrugsabsicht stets bestritten. Böttcher forderte deshalb am Ende des ersten Verfahrens einen Freispruch seines Mandanten. Für eine Verurteilung müsse eindeutig eine Täuschungsabsicht vonseiten des Angeklagten nachgewiesen worden sein. Das sei aber nicht gelungen. Die im Prozess ermittelten Vorgänge seien vielmehr zivilrechtlicher Natur und nicht strafwürdig, so der Verteidiger.

Ahrensburger Schöffengericht glaubt Darstellung des Angeklagten nicht

Das Ahrensburger Schöffengericht war dieser Argumentation nicht gefolgt. Es seien einfach zu viele Parallelen bei den fingierten Unfallvorgängen aufgetaucht, als dass man dort noch von zufälligen Schadensereignissen ausgehen könne, so der Vorsitzende Richter Said Evora in der Urteilsbegründung.

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Vor dem Landgericht blieb B. bei seiner Linie. Ausführlich und souverän beantworte der groß gewachsene, grauhaarige Mann die Fragen des Gerichts und brachte sein Fachwissen als gelernter Kfz-Mechatroniker ein, während er den Willen betonte, zur Aufklärung der Anschuldigungen beitragen zu wollen. Es erschien gut vorstellbar, warum dem 42-Jährigen über Jahre so viele Kunden vertrauten. Gleichzeitig bestritt B. erneut eine Täuschungsabsicht.

Gericht beschäftigt sich zunächst mit Verbleibt eines Porsche Panamera

Die Kernanschuldigung, der Versicherungsbetrug, wurde am Donnerstag allerdings noch nicht behandelt. Im Zentrum des ersten Verhandlungstages stand stattdessen die Frage nach dem Verbleib eines Porsche Panamera, für den der Unternehmer im Februar 2020 eine Finanzierungsvereinbarung mit einer Stuttgarter Bank abgeschlossen hatte.

Weil B. bei der Rückzahlung der Raten in Verzug geraten war, kündigte die Bank die Vereinbarung und forderte den Wagen im Wert von 90.000 Euro zurück. Dieser Aufforderung kam der 42-Jährige aber nicht nach. Er gab vor Gericht zu Protokoll, der Porsche sei von der Autobahnpolizei beschlagnahmt worden, als er im März 2023 bei Barsbüttel in eine Kontrolle geraten sei. Der Wagen sei von den Beamten stillgelegt worden, weil er über keinen Haftpflichtversicherungsschutz verfügte.

Laut dem 42-Jährigen hatte die Polizei den Sportwagen beschlagnahmt

Er habe den Porsche auf dem Parkplatz im Barsbütteler Gewerbegebiet, wo die Kontrolle stattgefunden habe, stehen lassen müssen. Doch als er nach einigen Tagen zu dem Parkplatz zurückgekommen sei, um den Wagen zu holen, sei der Porsche nicht mehr da gewesen. „Ich dachte, die Polizei hat ihn“, so der 42-Jährige.

Tatsächtlich hatten die Beamten aber lediglich die Kennzeichen entwertet und den Fahrzeugschein beschlagnahmt, nicht aber den Wagen selbst. So geht es aus einem Vermerk der Autobahnpolizei hervor, den Richterin Dettmers verlas. Dass das Fahrzeug mitgenommen werde, sei nicht üblich, sagte auch eine Kriminalbeamtin vor Gericht, die bestätigte, dass es die Kontrolle gegeben hat.

Versicherungsbetrug: Das Verfahren dürfte sich noch über mehrere Monate hinziehen

Der Porsche habe sich aber nie im Besitz der Polizei befunden, so die Ermittlerin von der Krimimalpolizei Ahrensburg, die mit der Suche nach dem Wagen beauftragt worden war, nachdem die Bank Strafanzeige gestellt hatte. „Der Verbleib des Fahrzeugs ist bis heute unklar“, sagte sie. Es habe sich aber feststellen lassen, dass im Mai für einige Tage ein Kurzzeitkennzeichen für den Porsche ausgestellt worden sei, auf den Namen der Lebensgefährtin von B..

Dieser machte am ersten Verhandlungstag keine weiteren Angaben zu dem Fall. Bereits am Dienstag, 10. September, soll das Verfahren fortgesetzt werden. Es dürfte sich noch einige Monate hinziehen. Bis Ende Oktober sind zunächst sieben weitere Termine angesetzt. Der Grund: Die Verteidigung hat beantragt, dass sämtliche Zeugen aus dem ersten Verfahren noch einmal angehört werden.