Ahrensburg/Lübeck. Anklagebehörde wirft ehemaligem Chef des Unternehmens Steuerhinterziehung und Hehlerei vor. Der Fall geht jetzt in die nächste Instanz.
In dem Prozess um betrügerische Geschäfte in einem Autohaus in Ahrensburg geht die Staatsanwaltschaft in Berufung. Auch die beiden Angeklagten hätten durch ihre Verteidiger gegen das Urteil aus der vergangenen Woche Rechtsmittel eingelegt, sagte Felix Spangenberg, Sprecher des Amtsgerichts Lübeck. Damit landet der Fall nun in nächster Instanz beim Landgericht Lübeck.
Am Montag vor einer Woche war am Amtsgericht nach einem Mammutverfahren mit 13 Verhandlungstagen, 23 Zeugen und Hunderten eingeführten Dokumenten das Urteil gegen den ehemaligen Chef des Autohauses, Fatic B. (Name geändert) und die 39 Jahre alte Mitangeklagte, eine ehemalige Mitarbeiterin des Unternehmens, verkündet worden.
Betrug in Autohaus in Ahrensburg: Staatsanwaltschaft geht in Berufung
B. muss demnach wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Hehlerei, Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung und weiterer Delikte drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Außerdem verfügte das Gericht die Einziehung von Vermögenswerten des 42-Jährigen in Höhe von rund 300.000 Euro. Gegen die Mitangeklagte Jacqueline K. (Name geändert) verhängte das Gericht wegen Bankrotts und Steuerhinterziehung in elf Fällen eine Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro.
Als Betreiber des Autohauses hat Fatic B. nach Auffassung des Gerichts zwischen November 2014 und Oktober 2020 jahrelang systematisch gelogen und betrogen. 45 Punkte umfasste die Anklage, in 43 davon sprach es den 42-Jährigen schuldig.
Gericht sieht in Ermittlungsakte Hinweise auf zahlreiche weitere Taten
Laut der Vorsitzenden Richterin des Schöffengerichts, Corinna Wiggers, gibt es aber Hinweise auf zahlreiche weitere Taten, die im Ermittlungsverfahren nicht hätten aufgeklärt werden können. „Die Ermittlungsakten bieten Anhaltspunkte, dass es sich bei den angeklagten Taten nur um die kleine Spitze des Eisbergs handelt“, so die Richterin.
In mehreren Fällen hat der Unternehmer, der das Autohaus seit 2013 führte, laut Urteil mit Fahrzeugen gehandelt, die Dritte zuvor gestohlen hatten. Darüber hinaus nahm der Ahrensburger zur Finanzierung mehrerer Autos Kredite auf, ohne die gewährten Darlehen anschließend zu begleichen. Dies sei auch nie seine Absicht gewesen.
Mit gefälschten Dokumenten und Identitäten erschlich sich B. Finanzierungsverträge
Für den Abschluss der Darlehensverträge nutzte B. gefälschte Identitäten und Papiere. Teilweise überredete B. auch Bekannte und Mitarbeiter, die Finanzierungsverträge auf ihre Namen abzuschließen. Die Autos, alles hochwertige Modelle der Hersteller BMW, Mercedes und Audi, habe der Angeklagte auf sich zugelassen und selbst genutzt.
Als die Kreditinstitute wegen ausbleibender Ratenzahlungen die Fahrzeuge zurückforderten, waren diese nicht auffindbar. Einige Autos sind bis heute verschwunden. Noch immer warten die Banken auf Rückzahlungen in Höhe von rund 180.000 Euro. Bei den gestohlenen Fahrzeugen und jenen, die er sich per Darlehen angeeignet hatte, ließ der Ahrensburger in seiner Werkstatt die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ändern, um ihre wahre Herkunft zu verschleiern.
Der 42-Jährige manipulierte Geschäftsunterlagen, um die Betrügereien zu vertuschen
Jahrelang soll der 42-Jährige zudem Geschäftsunterlagen und Bilanzen manipuliert haben, um seine kriminellen Geschäfte zu vertuschen. Die genau Höhe des Schadens, der dem Fiskus dadurch entstand, hatte sich in dem Verfahren nicht feststellen lassen, da es keine Papiere über die tatsächlichen Umsätze des Unternehmens gibt. Eine Steuerfahnderin bezifferte die Summe vor Gericht auf mindestens 100.000 Euro.
Als das Autohaus 2018 erstmals in die Insolvenz rutschte, schaffte B. das Restvermögen der Firma, darunter mehrere Fahrzeuge, beiseite, indem er sie etwa an Verwandte und Bekannte überschrieb, um sie der Insolvenzmasse zu entziehen. Das Insolvenzverfahren am Amtsgericht Reinbek wurde schließlich mangels verwertbaren Vermögens eingestellt. In der Zwischenzeit hatte B. bereits eine neue Firma gegründet und führte seine kriminellen Geschäfte am selben Standort fort.
Ständig wechselnde Geschäftsführer waren laut Gericht nur Marionetten
Der 42-Jährige setzte ständig wechselnde Personen als Geschäftsführer des Autohauses ein, darunter seinen im Kosovo lebenden Bruder. Auch die Mitangeklagte Jacqueline K. war von August 2016 bis August 2017 als Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen. Die gelernte Friseurin hatte sich nach eigenen Angaben auf einen Bürojob bei B. beworben. Bedingung für die Einstellung sei gewesen, dass sie sich als Geschäftsführerin zur Verfügung stelle.
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Nach Überzeugung des Gerichts waren K. und die anderen aber nur Marionetten. Die Verantwortung habe zu jedem Zeitpunkt bei Fatic B. gelegen. Während gegen einige der Helfer gesonderte Ermittlungsverfahren laufen, konnten die Strafverfolgungsbehörden anderer bis heute nicht habhaft werden. Teilweise halten sie sich laut Gericht im Ausland auf.
Richterin spricht von „ausgeklügeltem System der Verschleierung“
Wiggers sprach von einem „ausgeklügelten System der Verschleierung und Irreführung“, das der Angeklagte entwickelt habe, um die Betrügereien zu vertuschen und den Gläubigern zu entkommen. Der Ahrensburger sei mit „erheblicher krimineller Energie“ vorgegangen und habe keine Skrupel gehabt, Menschen, die ihm vertrauten, in den finanziellen Abgrund zu stürzen. Das Autohaus habe dem 42-Jährigen dabei lediglich als Deckmantel für seine betrügerischen Machenschaften gedient.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von vier Jahren für Fatic B. gefordert. Das Gericht blieb mit seinem Urteil darunter. Im Fall von Jacqueline K. folgte es mit der Geldstrafe von 4800 Euro dem Antrag der Anklagebehörde. B.s Verteidiger hatte einen Freispruch seines Mandanten verlangt. Im Fall einer Verurteilung sei eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren angemessen, ausgesetzt zur Bewährung.
Ende März verurteilte das Amtsgericht Ahrensburg B. wegen fingierter Unfälle
B. sitzt zurzeit in Untersuchungshaft. Er ist bereits einschlägig vorbestraft: Erst Ende März hatte das Amtsgericht Ahrensburg den 42-Jährigen zu dreieinhalb Jahren Gefängnis wegen Betrug und Unterschlagung in sechs Fällen verurteilt. Der Unternehmer soll mit Autos seiner Kunden Unfälle fingiert und Versicherungen so um mehr als 140.000 Euro geprellt haben. Gegen die Entscheidung hat B. ebenfalls Berufung eingelegt. 2018 war der Ahrensburger wegen Betrug zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden.