Reinbek. 32-Jähriger soll gut 116.000 Euro eingenommen haben. Was Polizisten in seinem Haus fanden, überraschte sie sehr.
Nur der 32 Jahre alte Angeklagte Sebastian A. (alle Namen geändert) aus Großensee und sein Hamburger Rechtsanwalt waren im April schon einmal vor dem Reinbeker Amtsgericht erschienen, wo sich der Großenseer unter anderem wegen Urkunden- und Geldfälschung, Rauschgifthandel sowie Waffenbesitz verantworten musste.
Doch sein Verfahren wurde von dem seiner Komplizin abgetrennt, weil am 3. April 2024 gerade das neue Cannabisgesetz inkraftgetreten, die Anklage jedoch noch entsprechend dem alten Betäubungsmittelgesetz verfasst worden war. Bei ihm hatte die Polizei bei einer Razzia im Gegensatz zu ihr nämlich auch Marihuana und Waffen gefunden, die offen herumlagen. Sie ist hingegen bereits verurteilt worden, weil sie einen Stempel aus dem Hamburger Coronaimpfzentrum sowie Impfformulare entwendet hatte.
Corona: Impfnachweise gefälscht – Großenseer in Reinbek vor Gericht
Am Mittwoch, 4. September, wurde jetzt sein Hauptverfahren vor dem Amtsgerichtes Reinbek neu eröffnet. Nach außen hin wirkt der Mann im hellblau gepunkteten Hemd mit dunkler Brille wie ein gesetzter Familienvater. An den Vorwürfen der Anklage hat sich nichts geändert. Sebastian A. soll durch den Verkauf der gefälschten Impfnachweise – teilweise hatten Leute bei ihm offenbar über Telegram auch mehrere Blanko-Zertifikate bestellt – 116.300 Euro verdient haben. Außerdem soll der 32-Jährige zudem im August 2021 falsche Euro-Geldscheine im Wert von 6600 Euro und US-Dollarscheine im Wert von 200 Dollar hergestellt haben.
Gleichzeitig wurden bei ihm zu Hause auch mehr als 189 Gramm Marihuana und eine ganze Aufzuchtstation für Cannabis gefunden. Ein Fund der Polizei handelte ihm einen Bericht beim Jugendamt ein: In seiner Doppelhaushälfte, in der auch ein zweijähriges Kind wohnte, stand beispielsweise Pfefferspray auf der Fensterbank im Flur offen herum, wie ein Polizeihauptkommissar als Zeuge vor Gericht aussagte.
Im Büro stand die Cannabis-Aufzuchtstation
Der Beamte war Mitte August 2021 bei der Hausdurchsuchung in Großensee dabei: „In der Ecke des Büros stand ein Luftgewehr, in einer offenen Box im Regal lag eine geladene Schreckschusspistole. Das war schon problematisch, dass alles in Griffnähe war. Schließlich lebte auch ein kleines Kind im Haus.“ Außerdem habe man eine Stahlrute, einen Teleskopschlagstock und ein Einhandmesser in einer Kommode im Flur gefunden.
Im Büro im Obergeschoss stand auch die Aufzuchtstation für die Marihuana-Pflanzen, wie sich der Kommissar auch nach drei Jahren noch genau erinnerte: „Ich habe das alles fotografisch dokumentiert, bevor es sichergestellt wurde“, berichtete er. „Es war schon höchst ungewöhnlich, wie unaufgeregt das Ehepaar A. war. Zuerst war auch das Kind noch im Haus, später wurde es in die Kita gebracht.“
Eingeweckte Marihuana-Blüten neben den Lebensmitteln
Alles habe offen auf dem Esszimmertisch gelegen: sehr viele Impfbücher, ein Stempel, Aufkleber für Impfchargen. „Oben im Büro stand links und rechts je so ein Grow-up-Zelt mit professioneller Beleuchtung und allem Drum und Dran“, erinnerte sich der Zeuge. Dort sei nur noch eine vertrocknete, abgeerntete Pflanze gewesen.
„Die Marihuana-Blüten haben wir in Weckgläsern gefunden, die standen da im Regal neben den Lebensmitteln“, berichtete er. Der Oberstaatsanwalt fragte nach typischen Utensilien für den Drogenverkauf. An die erinnerte sich der Zeuge erst wieder, als die Richterin ihm noch einmal seine Fotos zeigte: wie an eine Waage und ein Folienschweißgerät in der Küche.
Waren die Besteller Komplizen des Angeklagten?
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Der Anwalt fühlte dem Zeugen noch einmal auf den Zahn, fragte nach dem Aufbewahrungsort für das Laminiergerät und ob es nicht auch für etwas anderes als zum Verpacken von Drogen verwendet werden könne? Außerdem wollte er wissen, ob sein Mandant vor der Hausdurchsuchung korrekt belehrt worden sei und ob vor Ort der Feuchtigkeitsgrad der Drogen getestet worden sei. Der könne nur im Labor in Kiel festgestellt werden, erklärte der Kommissar.
Ein Großteil des Prozesstages verstrich damit, dass der Verteidiger mit einer Flut von Beanstandungen und Anträgen versuchte, alle Beteiligten des Verfahrens auf denselben Wissensstand zu bringen. Zumal die Vorsitzende Richterin ihn damit überraschte, dass sein Mandant möglicherweise weitere Mittäter gehabt habe: seine Besteller. Ein Aspekt, der die Anklage in ein völlig anderes Licht stelle, kritisierte der Verteidiger. So konnte schließlich nur ein Zeuge gehört werden.
Möglicherweise verständigt man sich auf ein Strafmaß
Der Oberstaatsanwalt signalisierte zum Ende, dass man die Anklage auf die 51 vollendeten Fälle von Urkundenfälschung reduzieren könne - vorausgesetzt, der Angeklagte würde auf die beschlagnahmten Summen und Beweisgegenstände verzichten.
Hinter verschlossenen Türen erörterten Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht schließlich, ob man sich auf ein Strafmaß einigen kann. Ob es zu dieser „Verständigung“, wie es im Gerichtsjargon heißt, kommen wird, wird sich am Mittwoch, 11. September, zeigen. Dann wird der Prozess fortgesetzt.