Reinbek. 32-Jähriger soll mit falschen Corona-Impfbescheinigungen rund 115.000 Euro verdient haben. Doch zur Verurteilung kommt es erstmal nicht.

Es waren bereits mehr als vier Stunden vergangen, ohne dass abgesehen vom Verlesen der Anklageschrift, zahlreichen Unterbrechungen und Erörterungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit viel passiert war. Weil er laut Anklage der Staatsanwaltschaft von Mai bis Juni 2021 in 65 Fällen selbst erstellte falsche Bescheinigungen über Impfungen gegen das Coronavirus für je 100 Euro verkauft haben soll, muss sich ein 32 Jahre alter Mann aus Großensee seit Mittwoch vor dem Amtsgericht Reinbek verantworten.

Sebastian A. (alle Namen geändert) soll laut Anklage durch den Verkauf der gefälschten Impfnachweise – teilweise kauften Personen offenbar auch mehrere Zertifikate – 116.300 Euro verdient haben. Das ist aber nicht der einzige Vorwurf. Der 32-Jährige soll zudem im August 2021 falsche Euro-Geldscheine im Wert von 6600 Euro und US-Dollarscheine im Wert von 200 Dollar hergestellt haben, um sie in den Verkehr zu bringen. Er soll zur gleichen Zeit auch über 189 Gramm Marihuana besessen haben. Das soll er selbst angebaut haben, um es zu verkaufen. Gleichzeitig habe Sebastian A. in seiner Wohnung eine Schreckschusspistole, ein Einhandmesser und einen Teleskopschlagstock aufbewahrt.

Neues Cannabisgesetz sorgt dafür, dass das Verfahren ausgesetzt wird

Zur Beweisaufnahme zu diesen Vorwürfen kam es aber nicht. Das Verfahren gegen den 32-Jährigen wird auf Antrag der Verteidigung ausgesetzt und nicht vor Herbst fortgeführt. Hintergrund sind Bedenken der Verteidigung wegen des am 1. April in Kraft getretenen Cannabisgesetzes. Denn laut ursprünglicher Anklage ist Sebastian A. unter anderem wegen Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz angeklagt.

Würde die Tat aber nach dem neuen Gesetz bewertet werden, käme es womöglich zu erheblichen Verschiebungen des Strafrahmens. Auch deutete der Verteidiger an, dass viele Dinge anders seien als es in der Anklage geschrieben steht. So deutete er an, dass Sebastian A. womöglich keine Urkunden gefälscht, sondern die Fälschung nur vorbereitet habe. Von den in der Anklageschrift genannten 65 Fällen seien nur zehn tatsächlich Urkundenfälschungen.

Angeklagte aus Geesthacht soll dem Angeklagten geholfen haben

Neben Sebastian A. musste sich am Mittwoch aber auch eine zweite Person, Lisa K., vor dem Amtsgericht verantworten. Die 26-Jährige aus Geesthacht soll 2021 in einer Hamburger Arztpraxis und in einem Hamburger Impfzentrum gearbeitet haben. Laut Anklage soll sie einen Stempel gestohlen und diesen Sebastian A. zur Herstellung von gefälschten Impfnachweisen gegeben haben. Außerdem soll sie für sich selbst ein Dokument erstellt haben, demzufolge sie eine erste Impfung gegen das Coronavirus erhalten habe, obwohl dies nicht der Fall gewesen sei.

Der Verteidiger von Lisa K. gab zu den Vorwürfen eine schriftliche Erklärung ab, in der die Angeklagte ein fast vollumfängliches Geständnis ablegte. Sie wisse, dass sie einen Fehler begangen habe und bereue dies. Es sei wahr, dass sie sich jene falsche Impfbescheinigung ausgestellt habe. Sie habe große Angst vor Impfschäden gehabt, da ihr Chef, ein Hamburger Arzt, erhebliche Nebenwirkungen erlitten habe, die mittlerweile offiziell als Impfschaden anerkannt seien. Die Erstellung des falschen Nachweises habe sie kurz darauf bereut und ihn nie verwendet. Er wäre, da er nur eine erste Impfung nachwies, auch nichts wert gewesen. Kurz danach habe sie sich impfen lassen.

Lisa K. soll einen Stempel gestohlen und diesen Sebastian A. gegeben haben

Sie übergab ihre Bescheinigung Sebastian A., dessen Frau eine Arbeitskollegin von Lisa K. war. Es seien, so der 32-Jährige, viele schlechte Fälschungen im Umlauf, er wolle testen, ob er es besser könne. Er habe Lisa K. auch nach dem Stempel gefragt. Sie habe ihm den Gefallen getan. Dass er falsche Zertifikate verkaufen wollte, will sie nicht gewusst haben. Ursprünglich hatte es in der Anklage geheißen, Lisa K. habe 25.000 Euro Gewinnbeteiligung an den verkauften Impfnachweisen erhalten. Auch soll sie Aufkleber aus dem Impfzentrum entwendet haben. Beides bestritt sie.

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Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro plädiert. Die Verteidigung plädierte auf Verwarnung mit Strafvorbehalt. Das Gericht verurteilte Lisa K. wegen Diebstahls, Urkundenfälschung und Beihilfe zur gewerbsmäßigen Urkundenfälschung zu 90 Tagessätzen zu je 40 Euro. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Lisa K. davon ausgehen konnte, dass mithilfe des Stempels falsche Impfnachweise erstellt und verkauft werden.

Als strafmildernd bewertete das Gericht, dass Lisa K. weitgehend geständig war, sie nicht vorbestraft ist und die Folgen ihres Handelns bereits zu spüren bekommen hat, nicht nur wegen der langen Verfahrensdauer. Seit der Vorfall in der Praxis bekannt geworden war, arbeitet sie nicht mehr dort. Die Sache sei ihr so unangenehm gewesen, dass sie ihren langjährigen Arbeitgeber verließ, obwohl dieser sie gerne behalten hätte. Heute arbeitet sie in einem Krankenhaus.