Ahrensburg/Lübeck. Steuerhinterziehung und Hehlerei: Urteil gegen Unternehmer aus Ahrensburg. Waren angeklagte Taten nur die Spitze des Eisbergs?

In dem Verfahren um betrügerische Geschäfte in einem Ahrensburger Autohaus ist am Montag, 5. August, vor dem Amtsgericht Lübeck das Urteil verkündet worden. Der Hauptangeklagte, der ehemalige Chef des Unternehmens, Fatic B. (Name geändert), muss unter anderem wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Hehlerei, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis.

Insgesamt sprach das Schöffengericht B., der in Untersuchungshaft sitzt, in 43 der 45 Anklagepunkte schuldig. Außerdem verfügte es die Einziehung von Vermögenswerten des 42-Jährigen in Höhe von rund 300.000 Euro. Die 39 Jahre alte Mitangeklagte, eine ehemalige Mitarbeiterin des Autohauses, wurde wegen Bankrotts und Steuerhinterziehung in elf Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 4800 Euro verurteilt.

Autohaus-Chef aus Ahrensburg: Lange Haftstrafe wegen Betrug

Der Ahrensburger sei mit „erheblicher krimineller Energie“ vorgegangen und habe dabei keine Skrupel gehabt, Menschen, die ihm vertrauten, in den finanziellen Abgrund zu stürzen, sagte die Vorsitzende Richterin, Corinna Wiggers. Das Autohaus habe dem 42-Jährigen dabei lediglich als Deckmantel für seine betrügerischen Machenschaften gedient.

„In diesem Verfahren haben Sie keinerlei Reue und Einsicht gezeigt“, so die Richterin an den Angeklagten gewandt. Vielmehr habe das Gericht den Eindruck gewonnen, dass der Ahrensburger mit einem gewissen Stolz auf sein Vorgehen blicke.

Erst Ende März wurde der 42-Jährige wegen Betrugs verurteilt

Fatic B. ist einschlägig vorbestraft: Erst Ende März hatte das Amtsgericht Ahrensburg den 42-Jährigen zu dreieinhalb Jahren Gefängnis wegen Betrug und Unterschlagung in sechs Fällen verurteilt. Der Unternehmer soll mit Autos seiner Kunden Unfälle fingiert und Versicherungen so um mehr als 140.000 Euro geprellt haben. Gegen die Entscheidung hat B. Berufung eingelegt. Der Fall liegt derzeit in nächster Instanz beim Landgericht Lübeck. 2018 war der Ahrensburger wegen Betrug zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

13 Prozesstage gab es in dem aktuellen Prozess seit Ende Mai. Es handelte sich um ein Mammutverfahren: Das Gericht hörte während der Beweisaufnahme 23 Zeugen und führte Hunderte Dokumente und Urkunden ein. „Dieser Prozess hat alle Beteiligten an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht“, sagte Wiggers.

Die Anklageschrift umfasst diverse Delikte wie Steuerhinterziehung und Hehlerei

Die Staatsanwaltschaft hatte Fatic B. diverse Delikte vorgeworfen, die der 42-Jährige zwischen November 2014 und Oktober 2020 im Zusammenhang mit der Führung des Autohauses in Ahrensburg begangen haben soll, dessen Inhaber er seit 2013 war. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass B. in mehreren Fällen mit Fahrzeugen handelte, in dem Wissen, dass diese zuvor durch Dritte gestohlen worden waren.

Prozess Autohaus
Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richterin Corinna Wiggers (M.) verkündet das Urteil. Links sitzen die Anwälte der beiden Angeklagten. © HA | Filip Schwen

Darüber hinaus nahm der Ahrensburger zur Finanzierung mehrerer Autos Kredite auf, ohne die gewährten Darlehen anschließend zu begleichen. Dies sei auch nie seine Absicht gewesen. Für den Abschluss der Darlehensverträge nutzte B. gefälschte Identitäten und Papiere, die er teilweise professionell im Ausland habe herstellen lassen, wie Chats auf seinem Handy belegten.

Richterin spricht von einem „ausgeklügelten System der Verschleierung“

Teilweise überredete der Unternehmer auch Bekannte und Mitarbeiter, die Finanzierungsverträge auf ihre Namen abzuschließen. Die Autos, alles hochwertige Modelle der Hersteller BMW, Mercedes und Audi, habe der Angeklagte auf sich zugelassen und selbst genutzt. Als die Kreditinstitute wegen ausbleibender Ratenzahlungen die Fahrzeuge zurückforderten, waren diese nicht auffindbar. Einige Autos sind bis heute verschwunden, ein Wagen konnte schließlich in Belgien sichergestellt werden. Noch immer warten die Banken auf Rückzahlungen in Höhe von rund 180.000 Euro.

„Um die Betrügereien zu vertuschen und den Gläubigern zu entkommen, haben Sie ein ausgeklügeltes System der Verschleierung und Irreführung entwickelt“, so Wiggers. Bei den gestohlenen Fahrzeugen und jenen, die er sich per Darlehen angeeignet habe, habe B. in seiner Werkstatt die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) geändert, sodass ihre wahre Herkunft nicht mehr nachvollziehbar gewesen sei.

Der Unternehmer betrog das Finanzamt um mindestens 100.000 Euro

Außerdem habe der 42-Jährige über Jahre hinweg Geschäftsunterlagen und Bilanzen manipuliert, um seine kriminellen Geschäfte zu vertuschen und die illegalen Einnahmen zu waschen. Die genau Höhe des Schadens, der dem Fiskus dadurch entstand, habe sich in dem Verfahren nicht feststellen lassen, da es keine Papiere über die tatsächlichen Umsätze des Unternehmens gebe, so Wiggers. Eine Steuerfahnderin bezifferte die Summe vor Gericht auf mindestens 100.000 Euro.

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Als gegen das erste Unternehmen des Angeklagten 2018 am Amtsgericht Reinbek ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, gründete dieser kurzerhand eine neue Firma und führte die Geschäfte fort. Zuvor verschob B. den Feststellungen des Gerichts zufolge die verbliebenen Vermögenswerte des insolventen Unternehmens auf private Konten oder überschrieb sie Verwandten und Bekannten, um sie vor dem Insolvenzverwalter zu verbergen.

B. setzte immer wieder Strohleute als Geschäftsführer des Autohauses ein

Der 42-Jährige setzte ständig wechselnde Personen als Geschäftsführer des Autohauses ein, darunter seinen im Kosovo lebenden Bruder. Auch die 39 Jahre alte Mitangeklagte Jacqueline K. (Name geändert) war von August 2016 bis August 2017 als Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen. Die gelernte Friseurin hatte sich nach eigenen Angaben auf einen Bürojob bei B. beworben. Bedingung für die Einstellung sei gewesen, dass sie sich als Geschäftsführerin zur Verfügung stelle.

Nach Überzeugung des Gerichts hatten aber weder K. noch die anderen Personen je die Verantwortung für die Geschäfte des Unternehmens. „Es handelte sich um Phantome, die teilweise nie vor Ort waren“, so Wiggers. Es gebe „keinerlei Zweifel“, dass in Wirklichkeit Fatic B. während der gesamten Zeit alle maßgeblichen Entscheidungen getroffen habe.

Von einigen der Helfer des 42-Jährigen fehlt bis heute jede Spur

Während gegen einige der Helfer gesonderte Ermittlungsverfahren laufen, konnten die Strafverfolgungsbehörden anderer bis heute nicht habhaft werden. Teilweise halten sie sich laut Wiggers im Ausland auf. Ein ehemaliger „Geschäftsführer“ sei bis heute verschwunden, ein anderer sitze in Italien eine langjährige Haftstrafe ab.

Fatic B. sei mit einer solchen Perfektion vorgegangen, dass es lange gedauert habe, bis die Ermittlungsbehörden auf die Betrügereien und Täschungen aufmerksam geworden seien, sagte die Richterin. Im September 2016 war das Autohaus erstmals ins Visier der Steuerfahndung geraten, doch die Ermittlungen zogen sich Jahre hin, in denen der 42-Jährige seine kriminellen Geschäfte fortsetzte.

Kriminelle Geschäfte könnten deutlich weitreichender gewesen sein als bekannt

Laut Wiggers gibt es zahlreiche Indizien, die dafür sprechen, dass die illegalen Machenschaften des Ahrensburgers noch deutlich umfangreicher seien, als es in dem Prozess habe festgestellt werden können. „Die Ermittlungsakten bieten Anhaltspunkte, dass es sich bei den angeklagten Taten nur um die kleine Spitze des Eisbergs handelt“, so die Richterin.

Mutmaßlich gebe es weitere Geschädigte, auch habe B. sehr wahrscheinlich weitere Helfer gehabt. Wiggers deutete an, dass diese möglicherweise sogar in den Behörden zu finden sein könnten. So sei es dem 42-Jährigen etwa möglich gewesen, Fahrzeuge bei der Zulassungsstelle in Ahrensburg ab- und umzumelden, über die er wegen eines laufenden Insolvenzverfahrens zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr verfügungsberechtigt gewesen sei.

Richterin: „Es hätten mehr Personen auf der Anklagebank sitzen sollen“

„Es hätten deutlich mehr Personen auf der Anklagebank sitzen sollen“, so Wiggers. Dass es dazu nicht gekommen sei, sei der Überlastung der Ermittlungs- und Justizbehörden geschuldet. „Das Verfahren war nach mehreren Jahren Ermittlungsarbeit bereits so umfangreich, dass es abgeschlossen werden musste.“

Anschließend habe der Prozess nach Anklageerhebung eineinhalb Jahre beim Amtsgericht gelegen, ehe ausreichend Kapazitäten für die Hauptverhandlung vorhanden gewesen seien – ein Umstand, der sich strafmildernd ausgewirkt habe. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor vier Jahre Haft gefordert, B.s Verteidiger einen Freispruch für seinen Mandanten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Binnen einer Woche können die beiden Angeklagten und ihre Verteidiger Berufung oder Revision einlegen.