Glinde. Glinder Suppenküche verliert zwei Restaurants als Spender. Supermärkte und eine Bäckerei, die unterstützen, können das nicht auffangen.

Es ist der letzte Freitag im Juli, 11.15 Uhr: Im Foyer vor dem Elisabeth-Selbert-Zimmer im Glinder Bürgerhaus haben sich ein halbes Dutzend Personen versammelt, sitzen auf Stühlen und halten Klönschnack. An einem Tisch nahe der Tür werden sie von Ralf Müller und Thomas Brückner registriert. Es dauert noch 45 Minuten bis zum Einlass. Dass die Herrschaften so früh aufschlagen, ist die Regel, berichtet Barbara Bednarz. Sie organisiert die Suppenküche, zehn weitere Ehrenamtler zählen zum Team. Das Hilfsprojekt mit Gratisessen finanziert sich aus Spenden, richtet sich an Menschen mit kleinem Geldbeutel und Senioren, die einsam sind. Es wird sehr gut angenommen, meistens bleibt keiner der 30 Plätze frei. Jetzt aber gibt es ein Problem: Die Bereitschaft, diese Einrichtung zu unterstützen, ist gesunken. Deswegen drohen erhebliche Einschnitte.

„Wenn sich nichts ändert, müssen wir unser Angebot von Ein- auf Zweimonatsintervall umstellen“, sagt Bednarz. Sie sei ob der jüngsten Entwicklungen am Boden zerstört. Die 75-Jährige hatte drei Restaurants generiert, die abwechselnd für die Besucher kredenzen oder es wollten. Zwei sind abgesprungen, zuletzt das Steakhaus Remise. Unglücklich verlief die Kooperation mit dem Castello. Dessen Chef stellte den Betrieb vor der ersten Lieferung ein. Danach kochte er einmal mit selbst mitgebrachten Zutaten in der Küche des Bürgerhauses. Geblieben als Partner für warme Mahlzeiten ist die Speisestätte mit dem Namen Heimathafen.

Spenden von Band und evangelischer Kirche sind fast aufgebraucht

Diesmal müssen Bednarz und ihre Mitstreiter das Hauptgericht in Eigenregie produzieren. Es gibt Würstchen mit Salat und Brot. Paprika und Gurken hat die Chefin daheim geschnippelt sowie Dressing mit Kräutern aus dem eigenen Garten hergestellt. Milchspeisen als Nachtisch, Obst und Kekse sind Spenden von zwei Supermärkten, die der Suppenküche die Treue halten. Das gilt auch für eine Glinder Bäckerei, die jedes Mal zwei Brote zur Verfügung stellt. Für Fleischwaren und zum Beispiel Kaffee hat Bednarz 55 Euro bezahlt, in Prospekten gestöbert wegen der Sonderangebote. Das Geld stammt aus der Kasse, die damit so gut wie leer war am Freitagvormittag. 2023 spendete eine Musikgruppe 200 Euro nach einem Konzert im Gutshaus. Die evangelische Kirche steuerte in diesem Jahr rund 130 Euro bei. „Die Mittel sind fast aufgebraucht“, sagt Bednarz. Sie hat davon Tischdecken aus Stoff, Gläser und Tassen mit Untersatz für 35 Personen gekauft.

Glinde
Ihr schmeckt es: Heidi Sperlich (82) besucht seit Herbst 2023 die Suppenküche und freut sich über den Austausch mit anderen Menschen. © René Soukup | René Soukup

An Personal mangelt es der Suppenküche nicht. Bednarz, ihr Mann Ralf Müller und Brückner sind jedes Mal am Start. Die Herren bauen Tische sowie Stühle auf und ab. Jeweils vier Damen tauschen im Monatsrhythmus. Sie bedienen die Gäste an ihren Plätzen, bereiten die Teller mit viel Liebe vor. Es sieht schmackhaft aus, der Salat ist mit Kräckern dekoriert. Die fünf Tische sind geschmückt mit Blumen, Messer, Gabel und Löffel in Servietten gesteckt. Ein Apfel und ein Joghurt pro Besucher liegen griffbereit. Ausnahmsweise wird heute mal ein Schnaps offeriert.

Die Stadt stellt Räume im Bürgerhaus kostenlos zur Verfügung

Regina Kurth ist seit einem Jahr dabei. Die 73-Jährige aus Oststeinbek hat früher in einer Bank gearbeitet. Sie sagt: „Man tut etwas Sinnvolles. Ich bin total begeistert, es macht riesigen Spaß.“ Brückner packt seit Dezember mit an. Der Frührentner ist über die Männergruppe des Deutschen Roten Kreuzes zur Suppenküche gekommen. „Der Zusammenhalt gefällt mir. Man fühlt sich gleich aufgenommen“, sagt der 63-Jährige. Er hat mit den Vorbereitungen um 9.30 Uhr begonnen. Essensausgabe ist von 12 bis 14 Uhr immer am letzten Freitag eines Monats. Danach ist der Glinder noch ein bis zwei Stunden mit dem Abbau beschäftigt. Er könne sich gut vorstellen, noch mehr ehrenamtliche Arbeit zu leisten: im DRK oder in der Politik.

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Bednarz gehört dem Vorstand des Roten Kreuzes an, die Organisation stellt die Spendenbescheinigungen aus. Ansonsten agiert die Suppenküche autark vom DRK. Dass man die Räume im Marcellin-Verbe-Haus kostenlos nutzen kann, hat die 75-Jährige mit Bürgermeister Rainhard Zug ausgehandelt. Heidi Sperlich fühlt sich pudelwohl. „Mein Mann ist vor zwölf Jahren verstorben, ich bin allein, kenne inzwischen alle, die hier sind“, sagt die 82-Jährige. Von ihrer Wohnung im Quartier An der alten Wache ist es nicht weit bis ins Zentrum und der Termin für die Rentnerin gesetzt. „Das Essen ist abwechslungsreich“, lobt sie. Bleibt was über, können Besucher die Reste mitnehmen.

Ursula Kukuk hat heute Premiere als Gast. Die 89-Jährige ist alleinstehend. Sie sagt: „Ich erwarte nette Gespräche, bin erschienen, um Gesellschaft zu haben.“ Von der Möglichkeit, sich zu unterhalten, machen alle Gebrauch. Wer das Zimmer betritt, registriert sofort die vielen Stimmen. Auch die Helferinnen beteiligen sich an den Unterhaltungen.

Barbara Bednarz initiierte auch das Leihoma-Projekt

Die Glinder Suppenküche existiert seit Juli 2020 und ist nicht das einzige Projekt ihrer Gründerin. Bednarz und ihr Mann riefen eines für Leihomas ins Leben, veranstalteten über Jahre eine Kennenlernbörse im Gutshaus. Sie brachten junge Familien samt Kindern und Senioren zusammen. So wurden ältere Menschen Großeltern auf Zeit, passten auf die Kleinen auf und spielten mit ihnen, wenn Mutter und Vater noch dem Job nachgingen oder zum Beispiel einen Theaterbesuch zu zweit machten. Die Beaufsichtigung war ohne Gebühr und in privaten Räumen. 2022 zog Bednarz den Stecker, weil im Gutshaus kein Platz mehr für sie war.

Ein Verein aus Hamburg-Bergedorf wollte die Glinderin daraufhin gewinnen für die Etablierung eines Leihoma-Projekts. Bednarz lehnte dankend ab. Sie hat ohnehin genug um die Ohren, dient als Kommunalpolitikerin der FDP und ist stellvertretende Fraktionschefin. Die Teilnahme an Sitzungen sowie das Lesen von Vorlagen aus dem Rathaus beansprucht ihr Zeitbudget.

Der nächste Suppenküchentreff im August ist gesichert. Alle Helferinnen haben zugesagt, daheim eine Schüssel Kartoffelsalat zuzubereiten. Dazu gibt es Kasslerbraten. Bei der jüngsten Mahlzeitausgabe war eine Spendenbox aufgestellt: Die Kasse ist mit 50,50 Euro aufgefüllt.