Bad Oldesloe. Mobilitätsprojekt der Üstra im Großraum Hannover findet viel Beachtung. Ist es besser als die Angebote im Kreis Stormarn?
Wie sieht die nachhaltige Mobilität von morgen aus? „Alle Fortbewegungsangebote auf einen Blick, keine 1000 Tickets, ein integrierter Reiseplan, nicht zu teuer“, sagt dazu Axel Czaya. Der Volkswirt aus Hamburg war einer von 22 Gästen des fünften After-Work-Talks der Transformations- und Innovationsgenossenschaft Bad Oldesloe (TIBO). Dieses Mal hatten sich neben Bad Oldesloes Bürgermeister Jörg Lembke auch Vertreter von CDU, FBO und Grünen im Pop-up Coworking-Space am Konrad-Adenauer-Ring eingefunden und diskutierten über nachhaltige Mobilität und einen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf dem Land.
Referent Silas Föhr, Verkehrsplaner bei Üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe, sprach über den Shuttleservice Sprinti von Üstra und der Berliner Via Mobility DE GmbH, für den er als Projektmitarbeiter verantwortlich ist. „Ich bin selbst in der Region Hannover aufgewachsen und hätte das Sprinti-Angebot damals gern gehabt“, so Föhr. Der mit dem Deutschen Mobilitätspreis ausgezeichnete Service ist per App individuell und flexibel buchbar.
Sprinti: Kann Stormarn von Hannovers Vorzeige-Shuttleservice lernen?
Mehrere Fahrgäste mit demselben Ziel werden über einen Algorithmus gebündelt und in ein gemeinsames Fahrzeug in den Lücken zu den Linienbussen gebucht. Sprinti gilt als Vorzeigeprojekt, deckt zwölf Kommunen in der Region Hannover ab und ist mit dem Deutschlandticket nutzbar. Sprinti ist das größte On-Demand-Mobilitätsprojekt in Deutschlands. Wer es nutzen möchte, checkt zuerst, ob bereits eine gute Verkehrsanbindung besteht. „Wenn ja, ist der Sprinti nicht buchbar“, so Föhr. Damit soll Konkurrenz vermieden und stattdessen ein gutes Miteinander der verschiedenen Angebote ermöglicht werden.
116.000 Fahrgäste nutzten Sprinti im Mai 2024. Durch Algorithmen werden Fahrtwünsche gebündelt und so effizient wie möglich bearbeitet. Wer spontan bucht, muss zwischen 15 und 30 Minuten warten, bis ein Fahrzeug an der nächsten virtuellen Haltestelle, die maximal 200 Meter entfernt ist, bereitsteht. Dem Problem mangelnder Fahrzeugverfügbarkeiten kann durch Vorausbuchung begegnet werden. Die Zahl der Plätze variiert je nach Fahrzeugtyp. In Elektroautos beispielsweise passen weniger Menschen.
Referent sprach über On-Demand-Service Sprinti
„Wir wollen möglichst barrierefrei sein“, so Föhr, der auf Kindersitze auch für Babys und umfassende Betriebszeiten von 5.30 bis 1 Uhr verweist. Derzeit verteilen sich 120 Fahrzeuge auf die einzelnen Kommunen, die Anfahrtswege seien kurz. Die Hannoverschen Verkehrsbetriebe haben mit dem Service etwa 300 Jobs für Fahrerinnen und Fahrer geschaffen. Es gebe kein Fachkräfteproblem. Da derzeit etwa zwei Drittel der Kosten beim Personal anfallen, laufen parallel Tests für autonomes Fahren.
Neben Nachhaltigkeit und Integration ermögliche Sprinti Teilhabe an der Gesellschaft. Denn: „Ein Großteil unserer Nutzer bucht, um Wege zu unternehmen, die sonst unterlassen worden wären“, so der Wirtschaftsgeograf. An zweiter Stelle stehen diejenigen, die sonst ihr eigenes Auto genutzt hätten oder woanders mitgefahren wären. Eine weitere Besonderheit: „Wir haben Nutzer von 13 bis 85 Jahren“, sagt Föhr. Der Sonnabend sei der nutzungsintensivste Tag. 60 Prozent der Nutzer buchen spontan, 40 Prozent voraus. Die Durchschnittsstrecke liege bei sieben Kilometern.
Noch fährt der On-Demand-Service Sprinti ein Defizit ein
Noch fährt der Service ein Defizit ein. „Wir müssten pro Fahrgast und Ticket zwischen zehn und 13 Euro nehmen“, so Föhr. Mit 3,80 Euro pro Ticket trage sich das Modell nicht – zudem per Deutschlandticket unbegrenztes Sprinti-Fahren möglich sei. Die Herausforderung bestehe nun darin, den Service dauerhaft zu sichern. Die Förderung ist nämlich bis 2027 begrenzt. Daher solle, wenn möglich,„On-Demand mit autonomem Fahren zusammengeführt werden, um Kosten zu senken“, sagt Föhr.
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Bei der Diskussionsrunde sprachen die Teilnehmer darüber, was Bad Oldesloe in Sachen nachhaltige Mobilität von Hannover lernen kann. Jens Wieck (CDU) sagte: „Der Nahverkehr kann anders aufgebaut werden.“ Er verwies auf den On-Demand-Service HVV hop in Ahrensburg. Als weiteres Beispiel für moderne Mobilität im Norden nannte er das Technologie-Unternehmen Moia im Volkswagen-Konzern. „Wir sollten die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung unvoreingenommen prüfen“, sagte Axel Czaya, der sich in Hamburg mit AirMobility, also dem Transport von Gütern mit Drohnen, beschäftigt. Was die hiesige Problematik ausfallender Schulbusse betrifft, so hält er etwa eine Ergänzung um E-Bikes für denkbar. Wieck stellte hinsichtlich des Fachkräftemangels bei der Autokraft GmbH die Frage der angemessenen Bezahlung.
Der Hamburger Betriebswirt Sebastian Alrutz befürwortete eine Erweiterung des ÖPNV. Bei einer Verkehrswende müssten „die Verkehrsverbände kooperieren“, so Alrutz. Bisher sei es ein immenses Problem, per ÖPNV etwa von Ahrensburg nach Bad Oldesloe zu kommen. Per Auto sei das noch einfacher. Deshalb sollte man vom zentralisierten System abrücken und nach einer flexibleren Lösung suchen. Auch seine Frau Julia Alrutz bemängelte, dass man von Ahrensburg aus durch drei Tarifzonen müsse, um nach Bad Oldesloe zu gelangen. Das Ticket für diese Strecke sei also verhältnismäßig teuer. Gefragt wären mehr Einheitlichkeit und Transparenz.