Bad Oldesloe. Wie sich der Kreis Stormarn gegen die Folgen des Klimawandels wappnet. Und warum Oststeinbek eine Vorreiterrolle einnimmt.

Die dramatischen Bilder der Flutkatastrophe im Ahrtal Mitte Juli 2021, bei dem 134 Menschen starben und mehr als 750 zum Teil schwer verletzt wurden, sind vielen noch in lebendiger Erinnerung. Mitte Mai dieses Jahres waren dann Teile des Saarlands, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg von großflächigen Überschwemmungen betroffen. Anfang Juni dann ebenso Städte und Gemeinden in Bayern entlang der unteren Donau. Doch obwohl sich die Extremwetter-Ereignisse zuletzt im Süden und Westen der Republik häuften, verzeichnet auch der Norden zunehmend Starkregen mit den üblichen Begleiterscheinungen. „Von überschwemmten Straßen, vollgelaufenen Kellern sowie Bäumen, die Hausdächer zerstören und wichtige Verkehrswege blockieren, sind immer öfter auch die Feuerwehren und andere Hilfsorganisationen im Kreis Stormarn konfrontiert“, sagt Landrat Henning Görtz.

Extremwetter kostet Milliarden Euro und Menschenleben

Während Mitte dieser Woche 100 Expertinnen und Experten aus Forschung, Wissenschaft, Verbänden und Verwaltung auf der ersten Klimakonferenz des Landes Schleswig-Holstein in Neumünster gerade den Entwurf des Klimaschutzprogramms 2030 diskutiert haben, feierte der Kreis Stormarn zeitgleich bereits die Vollendung seines stolze 250 Seiten umfassenden Klimaanpassungskonzepts.

„Extremwetter kostet nicht nur Milliarden Euro zur Beseitigung der Schäden, sondern sogar Menschenleben. Deshalb kann Stormarn stolz sein, als erster Kreis überhaupt mit einem eigenen Klimaanpassungskonzept frühzeitig gegenzusteuern“, würdigte Gerold Rahmann, der dem Umweltausschuss des Kreistags vorsteht, die Vorreiterrolle.

33 konkrete Maßnahmen vor Vorsorge definiert

33 konkrete Maßnahmen in sieben Clustern und 14 verschiedenen Handlungsfeldern wie biologische Vielfalt, Wasserwirtschaft, menschliche Gesundheit und Bauwesen sind definiert worden. So sollen die Folgen des Klimawandels verringert, Schäden reduziert und die Resilienz gestärkt werden. Das betrifft insbesondere Schwerpunktbereiche wie die Starkregenvorsorge und den Hitzeschutz.

Klimaanpassungskonzept Stormarn
Am 3. Juli 2024 feierte der Kreis Stormarn sein erstes Klimaanpassungskonzept im KuB Bad Oldesloe. Hier Landrat Henning Görtz bei seinem Grußwort. © HA | Lutz Kastendieck

Wie notwendig ein schnelles Handeln ist, belegen aktuelle Zahlen aus dem Klimaanpassungskonzept. Sie belegen etwa einen signifikanten Anstieg der Jahresmitteltemperatur in Stormarn. Betrug sie in der Dekade von 1951 bis 1960 noch 8,3 Grad Celsius, so lag sich in der letzten Dekade 2011 bis 2020 schon bei 9,8 Grad, ein Anstieg um 1,5 Grad.

Signifikante Zunahme von Hitzetagen in Stormarn

Besonders auffällig war der Temperaturanstieg im Winter. Lag die Temperatur in den typischen Wintermonaten Dezember, Januar und Februar in den Jahren von 1951 bis 1960 im Schnitt bei 0,8 Grad Celsius, so belief sich der Wert für die gleichen Monate in den Jahren von 2011 bis 2020 auf 2,6 Grad und war damit um 1,8 Grad höher als im Vergleichszeitraum.

Deutlich zugenommen haben seit Mitte des 20. Jahrhunderts zudem die warmen Tage. Gab es in den 1950er-Jahren im Schnitt nur 16,5 Tage, an denen die Temperaturen auf über 25 Grad Celsius kletterten, so waren es in der Dekade bis 2020 schon 31, also fast doppelt so viele. Rekordverdächtig präsentierte sich dabei das Hitzejahr 2018 mit mehr als 60 sogenannten Sommertagen.

Mikroklima an Seen im Osten des Kreises deutlich moderater

Noch gravierender fällt hingegen die Entwicklung bei den Hitzetagen aus. Überschritt in der Dekade bis 1960 das Thermometer die 30-Grad-Marke im Schnitt nur an 1,5 Tagen pro Jahr, so waren es in der Dekade bis 2020 bereits 6,2 Tage. Über die vergangenen 70 Jahre ist damit eine signifikante Zunahme von besonders heißen Tagen im Kreis Stormarn nachweisbar. Dies vor allem in Südstormarn zwischen Barsbüttel und Reinbek, während sich das Mikroklima im Osten des Kreises rund um Großensee, Lütjensee und andere Gewässer deutlich moderater zeigte.

„Mit dem von uns entwickelten Klimaanpassungskonzept reagieren wir auf wichtige neue Erkenntnisse zur Vulnerabilität durch den Klimawandel“, sagt Sarah Hartwig, die Klimaanpassungsmanagerin des Kreises. Dabei seien ein Dutzend Maßnahmen priorisiert worden, die bereits innerhalb der kommenden drei Jahre umgesetzt werden sollen.

Handlungsspektrum umfasst auch bauliche Maßnahmen

Das Spektrum umfasst neben vielfältigen Beratungsmaßnahmen für Kommunen, Unternehmen und Haushalte, etwa zur privaten Starkregenvorsorge, zur Umgestaltung von Drainagesystemen auf landwirtschaftlichen Flächen und zur Entsiegelung von Flächen, konkrete bauliche Maßnahmen zur Schaffung klimaangepasster Grünflächen, Gebäude und Verkehrswege sowie eine Stärkung der Gesundheitskompetenzen der Bürger, insbesondere vulnerabler Gruppen wie chronisch Erkrankten und Senioren.

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Lebensqualität in unserem Kreis zu erhalten und zu verbessern, indem wir Maßnahmen ergreifen, die nicht nur die Umwelt schützen, sondern auch die soziale und wirtschaftliche Stabilität unserer Region stärken“, sagt Henning Görtz. Das sei eine komplexe Herausforderung, die innovative Lösungen und das entschlossene, koordinierte Handeln aller erfordere, der Bürger wie der Unternehmen.

Oststeinbek hat Starkregen-Wegweiser entwickelt

„Es wird absehbar mehr Extremwetterereignisse auch im Kreis Stormarn geben, darauf müssen wir uns einstellen und dagegen müssen wir uns wappnen“, mahnt der Landrat. Wie das gelingen kann, hat unter anderem Oststeinbek vorgemacht. Nach zwei sogenannten 100-jährigen Starkregenereignissen in den Jahren 2016 und 2018 hat die Gemeinde einen Starkregen-Wegweiser entwickelt und eine begleitende Broschüre herausgebracht.

„Wir haben dazu nicht nur die Feuerwehr, sondern auch die Bürger befragt“, berichtet Alex Krugenberg, Sachgebietsleiter Planen, Entwickeln, Umweltvorsorge im Rathaus Oststeinbek. Herausgekommen sei dabei unter anderem eine Karte mit den Hotspots für Extremwetter-Ereignisse. Das gesamte Material könne jederzeit über die Homepage der Gemeinde eingesehen und abgerufen werden.

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Außerdem habe die Kommune ein Förderprogramm für private Vorsorgemaßnahmen der Bürger auf den Weg gebracht, das mit 100.000 Euro ausgestattet ist. Seit Anfang Januar werden zum Beispiel die Entsiegelung von Freiflächen, die Installation von Anlagen zur Regenwassernutzung und -speicherung, die Dach- und Fassadenbegrünung, die Pflanzung von hochstämmigen und standortgerechten Bäumen, die Umwandlung von Schottergärten in Grünflächen und die Offenlegung verrohrter Gräben mit bis zu 1000 Euro bezuschusst.

„Wir unterstützen die Bürger aber auch mit Vorträgen von Fachleuten, Vor-Ort-Terminen und Infoständen bei Ortsfesten“, erklärt Krugenberg. Das Bewusstsein der Einwohner für die Wichtigkeit von Vorsorgemaßnahmen sei in den vergangenen Jahren gewachsen. Ebenso wie die Bereitschaft selbst einen Beitrag zu leisten. „Private Grundstücke bergen ein wesentliches Potenzial bei der Starkregenvorsorge, das ist in der Bevölkerung angekommen. Denn nur gemeinsam können wir das künftige Wohlergehen unserer Gemeinde sichern“, sagt Bürgermeister Jürgen Hettwer.