Lütjensee. Konditormeister Claus Zingelmann bekommt Goldenen Meisterbrief verliehen. Ein Gespräch über sein Handwerk, Probleme und die Zukunft.

Vor 50 Jahren, im Jahr 1974, da war die Welt noch eine andere. Im Radio liefen Songs von Abba und Rod Stewart, der Bundeskanzler hieß Helmut Schmidt und von Computern, Internet und Smartphones wusste damals noch niemand etwas.

Doch es gibt auch Dinge, die gleichgeblieben sind: Seit 50 Jahren spielt das Bäckerhandwerk im Leben von Konditormeister Claus Zingelmann eine tragende Rolle. Am 21. Juni 1974 legte der Lütenseer erfolgreich seine Meisterprüfung ab. Dafür bekam er am Donnerstag von Dirk Baumgarten, Obermeister der Bäcker-Innung Nord, den Goldenen Meisterbrief verliehen.

Lütjenseer Konditormeister Klaus Zingelmann bekommt Goldenen Meisterbrief

„Eigentlich wollte ich Koch werden“, sagt der 74-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch das Leben hatte andere Pläne. Der Lütjenseer wurde in eine Bäckereifamilie hineingeboren. Seine Eltern führten bereits in zweiter Generation die 1919 gegründete Bäckerei und Konditorei Zingelmann in der Hamburger Straße.

Eigentlich sollte sein Bruder die Bäckerei übernehmen. „Doch der verunglückte tödlich bei der Bundeswehr“, sagt Claus Zingelmann. Also änderte er seine eigenen Pläne, absolvierte 1969 seine Lehre und fing 1971 in der Bäckerei zu arbeiten an. 1986 übernahm er den Betrieb gemeinsam mit seiner Frau, die auch Bäckermeisterin ist.

Claus Zingelmann hat den Spaß am Backen in all den Jahren nie verloren

In all den Jahren seiner Berufstätigkeit hat er den Spaß am Backen nie verloren. „Jeder Tag ist anders“, sagt Zingelmann. „Es gibt zwar ein Grundsortiment an Brot, Brötchen und Gebäck, aber es kommt auch immer wieder etwas Neues dazu.“

Eine weitere Facette seiner Arbeit, die ihm stets viel Freude bereitet hat: Das Ausbilden. „Ich habe hier im Betrieb 30 Leute ausgebildet und war 25 Jahre lang Lehrlingswart“, sagt Zingelmann. Heute hat die Bäckerei rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Der Arbeitstag beginnt für die Mitarbeiter in Lütjensee um 4 Uhr in der Früh

Für die beginnt der Arbeitszeit um 4 Uhr in der Früh – und das ist im Vergleich zu anderen Betrieben in der Branche schon spät. Bis er den Betrieb vor einigen Jahren in die Hände seines Sohnes Leif Zingelmann gab, musste auch Claus Zingelmann jeden Tag frühmorgens auf der Matte stehen. Für ihn waren diese bäckertypischen Arbeitszeiten durchaus eine Herausforderung. „Daran muss man sich gewöhnen“, sagt er.

„Der ganze Tagesablauf ist aber dadurch ein anderer, das hat auch Vorteile“, so Zingelmann. „Man muss zwar sehr früh aufstehen, hat dafür aber an den Nachmittagen mehr Freizeit und kann diese mit der Familie verbringen.“

Das Bäckerhandwerk hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert

In den vergangenen 50 Jahren habe sich das Bäckerhandwerk spürbar verändert, sagt der Experte. „Auffällig ist, dass es heute viel mehr Industriebäcker und Großbäckereien gibt“, sagt Zingelmann. In vielen Städten gebe es vier bis fünf große Bäckereiketten. Kleine eigenständige Läden, so wie die Bäckerei und Konditorei Zingelmann eine ist, seien zur Seltenheit geworden.

„Es ist auch sehr schwer, sich als kleine Bäckerei zu halten“, sagt Zingelmann. Das liegt dieser Tage unter anderem an Lohnerhöhungen für die Mitarbeiter und an teureren Rohstoffen, Corona und der Ukraine-Krieg haben viele Betriebe belastet.

Die Bäckerei Zingelmann ist in Lütjensee zum Treffpunkt im Dort geworden.

„Wir haben das Glück, dass wir in Lütjensee der einzige Bäcker sind“, so Zingelmann. Das Traditionsgeschäft sei längst zum Treffpunkt im Dorf geworden. Die Mitarbeiter kennen die Gesichter der Kunden, von denen viele Stammkunden sind. Das Geschäft läuft, die Bäckerei ist gut besucht.

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Dass seine Bäckerei in Konkurrenz zu den Backshops in Discountern wie Lidl und Aldi steht, die Backwaren oft günstiger anbieten, kann Zingelmann nicht bestätigen. Es sei ein anderer Markt. Diejenigen, die Brot und Brötchen in Backshops kaufen, seien eher nicht seine Kunden. „Lütjensee ist kein armes Dorf, die Menschen hier sind meiner Erfahrung nach gewillt, für Qualität zu zahlen“, sagt Zingelmann.

Dass ein Goldener Meisterbrief verliehen wird, ist nicht alltäglich

Über den Goldenen Meisterbrief freue Zingelmann sich jedenfalls sehr. Dass ebendieser verliehen wird, kommt auch gar nicht so häufig vor und sei alles andere als alltäglich, verrät Dirk Baumgarten. Im vergangenen Jahr habe die Innung einen Goldenen Meisterbrief verliehen, davor auch jahrelang gar keinen.

„Es ist eine schöne Anerkennung“, sagt Zingelmann. Darauf, dass er in den vergangenen Jahrzehnten in der Selbstständigkeit stets durchgehalten habe, sei er stolz. „Es gab immer mal wieder schwierige Zeiten, in denen das Geschäft nicht so gut lief“, sagt er. Doch bei allen Herausforderungen hat der 74-Jährige die Leidenschaft für das Handwerk nie verloren – und ist nach wie vor selbst ein großer Freund von Brot und Brötchen. Zingelmann: „Am häufigsten landet bei mir Schwarzbrot auf dem Teller.“