Reinbek. Schon die Urgroßeltern haben die Sachsenwaldschule in Reinbek besucht. Was zur großen Feier zum 100. Geburtstag im Oktober geplant ist.

Knapp 5000 junge Leute haben seit 1929 ihr Abi an der Sachsenwaldschule (SWS) in Reinbek gemacht, genauer 4997. Schulleiter Sebastian Stemmler hat im Archiv genau nachgeschaut. 1931 erhielten sechs junge Menschen ihr Reifezeugnis, 2016 war mit 186 Abiturienten das Spitzenjahr. „Das lag damals am Doppeljahrgang durch die Einführung des G8-Bildungsgangs an Gymnasien in Schleswig-Holstein“, erläutert er. 2024 haben 99 junge Erwachsene ihre Hochschulreife erlangt.

Gerade Familien zeigen oft über mehrere Generationen ihre Treue zu der Schule, die in früheren Zeiten auch als „SOS“ (Sachsenwaldoberschule) bekannt war. Sie kennen die Schrullen ihrer Lehrer, die Räume oder auch den „Stallgeruch“. So wie bei den Familien Evers/Hofmann oder Niemeier/Fischer.

Schulen in Schleswig-Holstein: Zwei Familien, vier Generationen, ein Gymnasium

Sandra Hofmann, die gerade mit einigen anderen das Jubiläumsfest zum 100-jährigen Bestehen der Schule organisiert, sagt: „Wir würden uns freuen, wenn sich noch weitere Sachsenwald-Dynastien mit mehr als drei Generationen per E-Mail unter 100jahre@sachsenwaldschule.de melden und ihre Familienfotos schicken könnten. Denn wir wollen sie während der Feier für alle Ehemaligen am 12. Oktober in der Schule ausstellen.“

Ihre Mitstreiterin und Freundin Stefanie Fischer erzählt, dass das Organisationsteam bisher 15 Einsendungen erreicht haben. Das Besondere bei ihrer Familie und der von Sandra Hofmann ist, dass sie untereinander befreundet sind und es auch Querverbindungen gibt.

Liebe zur Sachsenwaldschule über vier Generationen „vererbt“

Alle kommen mindestens einmal im Jahr zusammen, die Erwachsenen treffen sich etwa alle drei Monate. Ihre Väter Fritjof Evers (73) und Michael Niemeier (74) sind bereits seit der Sexta befreundet.

Die unveränderte Vorderansicht der Sachsenwaldschule an der Schulstraße wird im Frühjahr und im Sommer fast vollständig vom Laub der beiden alten Kastanien verdeckt. Hier ein Archivfoto aus dem Winter 2020.
Die unveränderte Vorderansicht der Sachsenwaldschule an der Schulstraße wird im Frühjahr und im Sommer fast vollständig vom Laub der beiden alten Kastanien verdeckt. Hier ein Archivfoto aus dem Winter 2020. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Alle Ehemaligen der Schule wissen, dass damit die fünfte Klasse gemeint ist. Nach dem alten traditionellen System der Gymnasien wurden die Klassen auf Lateinisch von der Abiturklasse (der „Oberprima“) rückwärts gezählt. Heute verwendet man diese Benennung noch bis zur Oberstufe von der Sexta bis zur Untersekunda (10. Klasse).

„Sexta, Quinta und Quarta hatten ihre Klassenräume damals im Keller“, erzählt Michael Niemeier und Fritjof Evers stimmt zu: „Ja, da waren wir die Kellerkinder.“ Das kommentiert Niemeiers Enkel Aleksi Fischer (15) nur trocken: „Und ich gehe jetzt in den Container.“ Und erntet dafür Gelächter.

Ingvelde Simon, erstes Mädchen der „Ära Sachsenwald“

Dem Teenager gefällt der Unterricht in den Containern allerdings gut: „Die sind megacool: Da funktioniert jedenfalls die Technik – bis aufs Klima.“ Der junge Mann verdreht die Augen und sagt: „Es sei denn, der Lehrer kennt sich mit den Smartboards nicht aus.“

Sein Vater Jan Fischer (46) und seine Mutter Stefanie Fischer, geborene Niemeier, erinnern sich vereinzelt noch an Matrizen, wie sich die Durchschlagkopien mit blauer Schrift damals nannten. Fritjof Evers lächelt und sagt: „Tja, wir haben noch auf der Tafel geschrieben.“

Studierte Mädchen passten nicht in die Zeit

In einem Artikel der Festschrift zum 75-jährigen Bestehen der Schule hatte er schon gemutmaßt, dass die „Ära Sachsenwaldschule“ in seiner Familie mit dem Abitur seiner Tochter Sandra (damals noch Evers) beendet sei. Dabei hatte doch schon seine Mutter Ingvelde Evers 1929 als eine der ersten Schülerinnen das damalige Reformgymnasium besucht.

Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, damals war es neu, dass Mädchen und Jungen gemeinsam unterrichtet wurden. Ingvelde Evers, geborene Simon, musste die Schule 1935 mit der Mittleren Reife verlassen. „Denn studierte Mädchen passten nicht in die Zeit“, erklärt Fritjof Evers.

Lehrende gehen heute auf individuelle Bedürfnisse ein

Doch in einem hat er sich getäuscht. „Als wir nach der passenden Schule für unseren Sohn Felix suchten, fragte mein Vater schon, ‚warum schickt Ihr ihn nicht nach Reinbek?‘“, erzählt Sandra Hofmann, die heute mit ihrer Familie in Glinde wohnt. Während der Corona-Zeit verzichtete das Gymnasium Glinde im Gegensatz zur SWS tatsächlich auf einen Tag der offenen Tür.

Und so kam es, dass Felix Hoffmann (12), beeindruckt von den vielen Räumen, heute ebenfalls zur SWS geht. Seine Mutter sagt heute: „Wir hatten damals den Eindruck, dass die Schule in Reinbek stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingeht.“

Zwei Wochen Austausch mit einer Schule in Helsinki

Ihr Vater Fritjof Evers bestätigt das: „Es ist schon toll, wie die Lehrer heute auf die Kinder eingehen, da hat sich sehr viel getan.“ Ob zwei Wochen Austausch mit einer Schule in Helsinki, Jugend trainiert für Olympia mit dem Hockeyteam in Kiel und Berlin oder ein Kursus für kreatives Schreiben in St. Peter-Ording: Den Kindern und Jugendlichen werde heute viel geboten.

„Bei uns stand der Sportlehrer noch in Schlips und Kragen da und gab Anweisungen, unser Mathelehrer war ein Menschenverächter“, erinnert er sich. Sein Freund Michael Niemeier sagt: „Aber wir hatten keine andere Wahl, man ging einfach in die nächstgelegene Schule.“

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Die menschlichen Begegnungen und Freundschaften aus jener Zeit hätten jedoch ihre Schulzeit geprägt. Seine Frau Charlotte ist seine Jugendliebe: „Sie ist das Beste, was mir dort passiert ist. Ich habe Charlotte in der Schule kennengelernt“, erklärt er. Die lächelt und erzählt: „Wir waren elf Kinder, die den Mathezweig besucht haben, zwei Mädchen und neun Jungen. Beide Mädchen haben später Mitschüler geheiratet.“

Das Paar hat besonders noch seinen Abi-Ball in guter Erinnerung. Die Schulfeste wurden im Café Nagel an der Wildkoppel gefeiert. Durch Zufall hat Charlotte Niemeier entdeckt, dass auch ihr Vater Herbert Ganß (Jahrgang 1920) eine Zeit lang die Sachsenwaldschule besucht hatte. Wann genau, weiß sie allerdings nicht.

Heiratsmarkt Sachsenwaldschule in Reinbek

Aber auch Stefanie (44, im Beteiligungscontrolling einer großen Gesellschaft tätig) und Jan Fischer (46) sowie Sandra (43) und Thorsten Hofmann (47), die gemeinsam eine Spedition führen, kennen sich schon aus ihrer Schulzeit. „Irgendwann war ich nicht mehr nur die doofe kleine Schwester“, erinnert sich die 43-jährige Mutter zweier Kinder.

Ihr Bruder Carsten Evers (46), Jan Fischer und Thorsten Hofmann sind ebenfalls bereits seit der Schulzeit befreundet. „Das war vielleicht das prägendste Erlebnis“, sinniert Thorsten Hofmann: „Dass Carsten und ich, einer mit Gips, einer an Krücken, uns auf dem Schulhof besser kennenlernten, weil wir beide nicht beim Sportunterricht mitmachen konnten.“

Am 12. Oktober sind alle Ehemaligen willkommen

Sebastian Stemmler weist darauf hin, dass das Paukerschulen-Image längst überholt sei. Schon in ihren Anfängen als neu gegründetes Reform-Realgymnasium Reinbek sei die SWS sehr modern gedacht gewesen. „Heute ist die SWS zertifizierte Zukunftsschule und wird zu oft auf das Traditionsgymnasium reduziert“, sagt der Schulleiter.

„Zwischenzeitlich unterrichtete hier das im Durchschnitt jüngste Gymnasialkollegium Schleswig-Holsteins. Wir werden im Jubiläumsjahr 2024 173 Jungen und Mädchen in unseren neuen fünften Klassen willkommen heißen“, so Stemmler weiter. Jule Hofmann (8) und Linnea Fischer (6) haben bis zu ihrem Eintritt an einer weiterführenden Schule noch ein bisschen Zeit.

Sandra Hofmann und Stefanie Fischer erinnern noch einmal daran, dass alle Ehemaligen, ob mit oder ohne Abi, vor allem auch Lehrende, Hausmeister und Schulsekretärinnen, am Sonnabend, 12. Oktober, beim Jubiläumsfest willkommen sind.