Reinbek. Vor zwei Jahren entstand die Idee, für die Großeltern im eigenen Garten zu bauen. Bauherr spricht von unsinnigen Vorschriften.
Zwei Jahre ist es her, seit Christian und Ramona Seemann die Idee hatten, für die Eltern des Familienvaters ein 50 Quadratmeter großes Tiny House im eigenen Garten in Reinbek zu bauen. Ein Jahr kalkulierte das Ehepaar an Zeit ein, bis das Haus steht. Doch daraus wurde nichts, die Bürokratie brachte eine Reihe von Stolpersteinen mit sich. Nun hofft die vierköpfige Familie, dass das Tiny House im Oktober bezugsfertig sein wird und die Senioren endlich einziehen können.
Elfgart (80) und Sigfried (78) Seemann leben zurzeit noch in einem Einfamilienhaus in Lübeck auf rund 120 Quadratmetern. Dies steht inzwischen zum Verkauf. Die beiden sind erkrankt und werden über kurz oder lang Hilfe im Alltag brauchen. Sie warten sehnsüchtig auf einen baldigen Umzug auf das Grundstück ihres Sohnes Christian und seiner Familie.
Tiny House für Senioren – Bürokratie behindert besonderes Projekt
Als die Idee geboren wurde, waren alle noch zuversichtlich, dass das Haus im Mai dieses Jahres stehen würde. „Das Haus wird nur auf einen Sockel gestellt und ist einfach wieder zu entfernen“, so Christian Seemann, Geschäftsführer einer Medienagentur. Am 25. Juli 2023 stellten sie die Bauvoranfrage, die wurde dann Mitte August desselben Jahres genehmigt. Der Bauantrag sollte zeitnah folgen. Doch dann wurde es schwierig. „Da das Haus dauerhaft bewohnt werden soll, gilt es als Neubau mit allen Anforderungen“, so Christian Seemann.
Das bestätigt auch Michael Vogt, Amtsleiter Planung und Bauordnung in Reinbek. „Uns sind da leider aufgrund der rechtlichen Vorschriften die Hände gebunden“, sagt er. Themen wie die Prüfung auf mögliche Kampfmittelbelastungen, der notwendigen Auto- und Fahrradstellplätze, einer Baustellenzufahrt, obwohl diese gar nicht benötigt wird, und einer weiteren Umzäunung des Geländes, das bereits umzäunt ist, mussten abgearbeitet werden.
Reinbeker muss unzählige Unterlagen und Formulare einreichen
Sogar eine Überfahrgenehmigung für Baumaschinen sollten sie beantragen. Dabei muss nur ein kleiner Bagger durch die Gartenpforte fahren, und das ist problemlos möglich. „Uns ist klar, dass die Stadt nach ihren Vorgaben handeln muss“, so Christian Seemann. Dennoch, verstehen können sie den ganzen Aufwand nicht. Unzählige Unterlagen und Formulare musste eingereicht werden.
„Leider war den Schreiben oft nicht zu entnehmen, welches Formular genau benötigt wird, noch, wo wir es bekommen“, so Ramona Seemann. Ein Bauleiter hätte ihnen die Arbeit abnehmen können, doch der hätte eine hohe vierstellige bis untere fünfstellige Summe berechnet.
Noch kein Genehmigungsverfahren für Tiny Häuser
„Es gibt bislang kein Genehmigungsverfahren für Tiny Häuser“, weiß Christian Seemann inzwischen. Damit sei es auch Neuland für die Verwaltung gewesen. Für die Seemanns ist der Weg hart, denn die Großeltern warten auf den Umzug. Der muss organisiert werden, ebenso der Hausverkauf in Lübeck. Zudem sind nahezu täglich neue Fragen zum Bau zu klären.
Doch jetzt steht der Sockel, die Leitungen liegen, das Tiny House wird gefertigt, der Umzug ist in Sicht. Mitte September wird das Mobilheim voraussichtlich angeliefert. Dann sind es nur noch wenige Schritte bis zum Bezug. Die Küche muss noch eingebaut, die Anschlüsse verbunden werden, und dann kann der Möbelwagen kommen.
Tiny House für Senioren – raffinierte Innenausstattung
Für die Innenausstattung hat sich Technikfreak Christian Seemann einiges einfallen lassen, damit die Eltern möglichst sicher und selbständig leben können. „Ich habe meinen Eltern schon früh das Smartphone erklärt, und eine Smartwatch tragen beide.“ Die Rauchmelder im Haus sind so geschaltet, dass die Meldung im Brandfall sofort auf dem Smartphone von Christian Seemann eingeht. Überall gibt es Bewegungsmelder, damit es bei Bedarf immer hell ist.
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Aber auch auf mobile Einschränkungen sind sie vorbereitet. Die Toilette hat ein integriertes Bidet, die Duschtür ist breit genug, damit den Senioren beim Duschen geholfen werden kann. Den gesamten Bauprozess teilen die Seemanns über einen gemeinsamen digitalen Fotoordner mit den Eltern. Dort stellen sie regelmäßig Fotos vom Baufortschritt ein. Das Haus selbst hat Christian Seemann bereits digital eingerichtet. „Für meine Eltern ist das ein neuer Lebensabschnitt, der ihnen viel Energie gibt“, sagt er.
Die Seemanns wollten andere dazu animieren, ihre Idee aufzugreifen
Im Garten bleibt sogar noch Platz für die Sandkiste, ein Trimm-Dich-Gerüst, ein großes Trampolin und eine Nestschaukel. Schließlich musste Tochter Lina (8) auf ihr Klettergerüst verzichten. Doch alle freuen sich auf den Einzug der Großeltern. „Ich werde für die beiden einkaufen gehen“, sagt Sohn Marlon (16).
„Wir wollten andere dazu animieren, unsere Idee aufzugreifen“, so die Eheleute. Daran halten sie auch fest. Doch der Weg bis zum fertigen Mobilheim sei ein langer. „Wir hätten uns gerade vor dem Hintergrund der Situation mit zwei älteren Menschen, die Unterstützung im Alltag brauchen, gewünscht, dass es schneller geht. Auf aus unserer Sicht unsinnige Vorgaben hätte gerne verzichtet werden können.“