Reinbek. Gymnasium Reinbek ist viel zu klein. Sebastian Stemmler hat schon ein Modell gebaut. Denn er kann auch mit Holz richtig gut umgehen.
Unter den Streichinstrumenten ist der Kontrabass das größte und das mit der tiefsten und dunkelsten Stimme. Ohne die kommt kein Orchester aus, denn der Bass bildet das Fundament für jede Melodie. Diese Rolle gefällt Sebastian Stemmler – als leidenschaftlicher Bassist im Jugendsinfonieorchester der Sachsenwaldschule und als neuer Direktor des Reinbeker Gymnasiums. Am morgigen Sonnabend, 1. Juli., übernimmt der 50-Jährige diese Funktion offiziell.
Eine lange Einarbeitungszeit braucht der Reinbeker nicht, denn seit dem Ausscheiden seiner Vorgängerin Helga Scheller-Schiewek im Juli vergangenen Jahres leitet Stemmler das Gymnasium kommissarisch und quasi allein. Zuvor war er acht Jahre stellvertretender Leiter. Er kennt die Schule in- und auswendig. Das Gymnasium ist mit rund 1050 Schülern und einem 80 Frauen und Männer starken Kollegium eines der größten in Schleswig-Holstein. „Auf ein herausforderndes und arbeitsames Jahr“, blickt Stemmler zurück, der sich freut, dass die Stelle des Stellvertreters seit Anfang Juni ausgeschrieben ist und auf eine schnelle Nachbesetzung hofft.
Neuer Direktor des Reinbeker Gymnasiums: „Hier macht niemand Dienst nach Vorschrift“
Denn der Bassist, Flöten-, Klavier- und Orgelspieler weiß, dass – wie im Orchester – viel Gutes im harmonischen Zusammenspiel entsteht. Er kann sich schon jetzt auf ein sehr junges und engagiertes Kollegium verlassen, „in dem niemand Dienst nach Vorschrift macht“, sagt Stemmler. „Dieses kollegiale Miteinander und die Lebendigkeit an der Schule“ waren ausschlaggebend dafür, dass der Deutsch- und Geografielehrer unbedingt an der Reinbeker Sachsenwaldschule unterrichten wollte.
Auch der Name hatte es dem gebürtigen Kasseler angetan, der in Waldnähe groß geworden ist. Am Wald liegt die Schule mit dem denkmalgeschützten Backsteinbau zwar nicht, dafür aber sein Haus in Reinbek, das er zusammen mit seiner Frau Sophia grundlegend und in Eigenarbeit saniert hat. Denn seine Hände können nicht nur Instrumente zum Klingen bringen, sondern auch Holz formen. Sebastian Stemmler ist im ersten Beruf Tischler, bevor er seiner nächsten Leidenschaft des Lehrens folgte. Er stammt aus einer Lehrerfamilie in vierter Generation. „Die Arbeit mit jungen Menschen ist eine der sinnvollsten Aufgaben für mich“, ist er immer noch überzeugt.
Notendurchschnitt der Abiturienten in diesem Jahr liegt bei 2,2
Welchen Beruf seine drei Töchter ergreifen, ist noch offen. Alle drei sind ihrem Vater an seine Schule gefolgt. Alle drei teilen die Liebe zur Musik. Die Älteste spielt Cello, die Mittlere Geige und die Jüngste Querflöte.
Die Älteste ist eine von 117 Abiturienten in diesem Schuljahr. Mit einem Notendurchschnitt von 2,2 hat der Jahrgang ein genauso gutes Abitur abgelegt wie im vergangenen Jahr. „Darüber freuen wir uns sehr“, sagt Stemmler. Das Imageproblem, das die Schule Anfang der 1990er-Jahre hatte, ist lange Geschichte. Die Schülerzahl sank damals unter 600. Der gute Ruf der Schule sorgt heute dafür, dass zum einen offene Stellen in Zeiten von Lehrermangel noch nachbesetzt werden können und zum anderen genügend Anmeldungen für die fünften Klassen eingehen. Fünfzügig und mit 130 neuen Mädchen und Jungen startet die Schule nach den Ferien ins neue Schuljahr.
Schule soll jetzt überplant werden – Direktor Stemmler hat bereits Modell entwickelt
Allerdings wird es dann in den ohnehin zu engen Gebäuden noch enger. Als die Schule vor knapp 100 Jahren gebaut wurde, war sie ursprünglich für 300 Mädchen und Jungen ausgelegt. Seitdem sind nach und nach weitere Anbauten und Gebäudeteile auf dem Gelände an der Schulstraße dazugekommen. Die Schule ist heute ein Sammelsurium unterschiedlicher Architekturstile und Epochen.
Ausreichend sind die 52 Fach- und Klassenräume immer noch nicht. Deshalb lässt die Stadt zum neuen Schuljahr drei Container für 600.000 Euro in den Schulhof stellen, in denen nach dem Sommer die zehnten Klassen lernen sollen. „Ein Provisorium“, sagt Stemmler mit Nachdruck, der weiß, dass die Auslagerung der Oberstufe in die Räume der Volkshochschule ursprünglich für eine kurze Zeit ausgelegt war. „Das ist jetzt 20 Jahre her und muss endlich ein Ende haben“, sagt der Direktor. Nicht nur die Oberstufenschüler sollen aufs Schulgelände zurückgeholt werden, auch soll die Schule zukünftig barrierefrei werden und mehr Arbeits- und Begegnungsflächen erhalten. Wie das auf dem ohnehin begrenzen Gelände umgesetzt werden kann, wird sich zeigen – der Planungsprozess beginnt jetzt.
Langwieriger Digitalisierungsprozess soll endlich Ende des Jahres abgeschlossen werden
„Ich wünsche mir, dass wir spätestens in vier Jahren in die Realisierung gehen“, sagt Stemmler. Er tut alles dafür, dass der Prozess beschleunigt wird. Der Architekturfan hat sich bereits Gedanken gemacht, Modelle entwickelt, gebaut und der Politik vorgestellt. Eine seiner Ideen ist, die beiden Gebäude, die Mensa und die Cafeteria auf der linken Seite mit einem dritten zu verbinden. Zwischen den bestehenden Gebäuden würde so eine Ebene als Brücke geschaffen werden. Hier wäre Platz für Projekte, Pausen im Winter, Freistunden und vor allem den dringend benötigten Fahrstuhl.
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Dass so ein Planungsprozess Geduld braucht, das hat Stemmler in den vergangenen Jahren erfahren müssen. Ganze sieben Jahre hat es gedauert, um Reinbeks Gymnasium in die Moderne zu holen und zu digitalisieren. Abgeschlossen ist der Prozess immer noch nicht, „aber ich bin zuversichtlich, dass das bis Ende des Jahres der Fall ist“, sagt der Direktor, der versucht, im täglichen Kleinklein den Optimismus nicht zu verlieren. Daran erinnert ihn der „Hoptimist“, eine kleine Holzfigur auf seinem Schreibtisch, der beim Antippen hüpft. Der Hoptimist ist ein Designklassiker aus Dänemark, ein Land, das für Stemmler zum Sehnsuchtsort geworden ist. Dort am Meer mit Blick in die Weite kann der Feingeist den Alltag und den Stress der vergangenen Monate hinter sich lassen.