Elmshorn. Michael Kyrath hat seine Tochter bei der Messerattacke von Brokstedt verloren. Ein Gastbeitrag des Ministers machte ihn nun wütend.
Nachdem Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Die Grünen) in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) den bisherigen Kurs der Bundesregierung in Migrationsfragen kritisiert und eine sofortige Kehrtwende in der Asyl-Politik gefordert hatte, meldete sich nun der Vater eines der Brokstedt-Opfer aus Elmshorn in einem offenen Brief an Özdemir zu Wort.
Michael Kyrath hat bei dem Messerangriff eines Migranten im Regionalzug zwischen Hamburg und Kiel Anfang 2023 seine 17 Jahre alte Tochter verloren. Und in die Trauer um den dramatischen Verlust hat sich auch viel Wut auf die Bundespolitiker im Umgang mit Migranten in Deutschland gemischt.
Brief an Bundesminister: „Im Gegensatz zu Ihrer Tochter kommt unsere Tochter nicht mehr nach Hause!“
Der Politiker Özdemir hatte sich bei seinen Ausführungen über die aktuelle Situation in Deutschland unter anderem auch um das Wohlbehalten seiner eigenen Tochter auf dem Heimweg gesorgt. Kyraths Kernaussage im offenen Brief: „Im Gegensatz zu Ihrer Tochter, lieber Herr Özdemir, kommt unsere Tochter nicht mehr nach Hause!“
Direkt an den Minister gerichtet, schreibt er zu Beginn: „Sehr geehrter Herr Özdemir, mein Name ist Michael Kyrath. Ich bin der Vater der am 25. Januar 2023 in Brokstedt ermordeten 17-jährigen Ann-Marie.“ Auch ihr erst 19-jähriger Freund Danny war verstorben, „nachdem ein abgewiesener, mehrfach vorbestrafter, „staatenloser“ Palästinenser in einem Nahverkehrszug 38-mal auf die beiden eingestochen hatte.“
„Wir sollten darauf achten, dass der Mord an unserer Tochter nicht von Rechtsradikalen missbraucht wird“
Vor allem Özdemirs Sorgen um seine eigene Tochter nimmt der Vater aus Elmshorn zum Anlass seiner Kritik: „Es hat sich auch keiner Ihrer Parteifreunde in unserem Fall derart exponiert, wie Sie es jetzt für Ihre Tochter tun. Im Gegenteil! Man hat uns wissen lassen, wir sollten darauf achten, dass der Mord an unserer Tochter nicht von Rechtsradikalen missbraucht wird!“
Von einem der Koalitionspartner der Grünen hätten sie sogar die Nachricht erhalten, es tue ihm leid, dass „diese Leute“ ums Leben gekommen sind. „Diese Leute waren unsere Kinder, Ann-Marie und Danny! Teenager von 17 und 19 Jahren, die auf dem Weg von der Schule nach Hause waren. Zwei junge Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten.“
Vater trauert nach Brokstedt-Attentat: „Wir werden niemals den Schulabschluss unserer Kinder mitfeiern!“
Ob der Landwirtschaftsminister sich vorstellen könne, was so eine Tat mit den Hinterbliebenen machte. „Mit uns als Eltern? Mit den Großeltern, Mitschülern, Lehrern, Freunden, Nachbarn?“, heißt es in Kyraths Brief. Und weiter: „Wir werden niemals den Schulabschluss unserer Kinder mitfeiern! Wir werden ihnen niemals zu einer bestandenen Berufsausbildung oder Studium gratulieren! Wir werden nicht an ihren Hochzeiten teilnehmen, und wir werden auch niemals eigene Enkelkinder willkommen heißen. Wir werden unsere Kinder nie wieder in den Arm nehmen dürfen und ihnen sagen, dass wir sie lieben!“
Erst kurz vor dem Mord an Ann-Marie und Danny sei der mehrfach vorbestrafte Ibrahim A. mit einem Messerangriff aufgefallen. Es hätten sich mittlerweile bei Kyrath „über 300 Elternpaare gemeldet, die in den letzten fünf Jahren ihre Kinder verloren haben.“
Was sie alle eine, seien fünf Eckpunkte: „ 1. Immer das gleiche Täterprofil, 2. Immer das gleiche Tatwerkzeug, 3. Immer die gleichen Tatmotive. 4. Immer der nahezu gleiche Tathergang und 5. Immer die gleichen Floskeln der verantwortlichen Politiker nach einer solchen Tat!“
„Bedauerliche Einzelfälle“: Rund 300 Eltern von ermordeten Kindern hätten sich bei Kyrath gemeldet
Nach den Morden an den Kindern sei von „bedauerlichen Einzelfällen“ die Rede gewesen und man könne ja nie hundertprozentige Sicherheit garantieren. „Und dass man nicht verallgemeinern und damit den Rechtsradikalen in die Hände spielen darf. Und dass man versuchen werde, mit aller Härte gegen solche Täter vorzugehen. Mehr ist in den letzten Jahren nicht passiert“, so der Elmshorner Vater zu den Lippenbekenntnissen.
Es hätten ja „nur“ rund 300 Eltern den Mut gehabt, „sich an mich zu wenden und mir von diesem dunklen Kapitel ihres Lebens zu berichten. Wie hoch ist die Dunkelziffer derer, die den Mut nicht hatten? Wir alle waren nur „Einzelfälle“, unbedeutend, unbequem, unangenehm.“
Offener Brief an Cem Özdemir: „Jetzt betrifft es Sie plötzlich persönlich, weil es um Ihre Tochter geht“
Mehr als 300 ermordete Kinder und es sei kein Aufschrei der verantwortlichen Politiker erfolgt: „Und jetzt melden Sie sich zu Wort. Jetzt betrifft es Sie plötzlich persönlich, weil es um Ihre Tochter geht. Wäre Ihnen diese Erkenntnis früher gekommen und hätten Sie etwas unternommen, könnten viele unserer Kinder noch leben.“ Der Brief schließt mit den Worten: „Mögen Sie eine solche Erfahrung niemals machen müssen!
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Mittlerweile wird der offene Brief auch von einigen Organisationen und Medien geteilt, die dem politisch rechten Spektrum zugeordnet werden dürfen. Michael Kyrath hatte sich zuletzt auch nach dem Attentat in Solingen im Abendblatt Ende August mit deutlichen Worten positioniert.
Michael Kyrath fordert einen „funktionierenden Rechtsstaat“
Auf die Frage, ob er ein strammer Rechter sei, antwortete er: „Wer glaubt, dass der Ruf nach einem funktionierenden Rechtsstaat schon rechts ist – aus dessen Sicht bin ich das dann wohl. Wer glaubt, dass die Forderung, sich an Recht und Gesetz und unsere Werte zu halten, schon rechts ist, für den bin ich wohl ein Rechter.“
Wer die Forderung, dass die Bundesregierung Sicherheit und Ordnung wieder herstellen müsse, für rechts hält, „für den muss ich ein Rechter sein. Aber ich verorte mich eindeutig in der demokratischen Mitte“, so Kyrath.