Geesthacht. Verein schlägt Alarm: „Brauchen dringend neue Sporthalle.“ Warum die Lokalpolitik auf eindringliche Appelle zurückhaltend reagiert.
Ein Blick von der Tribüne auf das Parkett der Sporthalle an der Grenzstraße reicht, um einen Eindruck auf die Lage des VfL Geesthacht zu bekommen. Jedes Hallendrittel ist voll belegt, zwei mit Volleyball-Teams, in dritten wird Tischtennis gespielt. „So sieht das in allen Hallen der Stadt zwischen 16 und 19.30 Uhr aus“, weiß der Ressortleiter Sport, Klaus-Heinrich Wulff. Das ist die Kernzeit, in der Kinder und Jugendliche im Verein Sport treiben.
Weil es keine freien Hallenzeiten mehr gibt, musste der VfL Geesthacht für viele Jugendsparten bereits einen Aufnahmestopp erlassen. „Wir mussten sogar schon Geschwisterkinder abweisen“, bedauert der Vorsitzende Jörg Kunert. Die Lösung aus Sicht des Vereins wäre der Bau einer weiteren Drei-Feld-Halle in der Stadt. Doch das ist in absehbarer Zeit nicht realistisch. Ein entsprechender Antrag der Wählergemeinschaft Bürger für Geesthacht (BfG) im Bildungsausschuss wurde vertagt.
Aufnahmestopp beim VfL Geesthacht, weil Hallenzeiten fehlen
Dabei hatte der Verein alle Fraktionen der Ratsversammlung vorab zu sich eingeladen, um auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen. Der Ernst der Lage kam aber nur bei der BfG an. „Hier kokelt nicht nur ein kleines Feuer. Das ganze Dach brennt lichterloh“, sagte Kunert, der mit acht Mitstreitern in Sportkleidung zur Sitzung im Ratssaal erschienen war, nach dem für ihn enttäuschenden Ausgang.
Mit 2300 Mitgliedern ist der VfL der größte Verein in der Elbestadt. Wöchentlich treiben über zu bezahlende Kurse sogar 3000 Menschen in der Woche beim VfL Sport. Im wachsenden Geesthacht, das zur zehntgrößten Stadt Schleswig-Holsteins aufgestiegen ist, werden es künftig tendenziell eher mehr.
Neue Sporthalle hat geringste Priorität
So argumentierte auch die BfG: „Gerade junge Familien zieht es immer stärker aus der Großstadt in die eher ländlich geprägte Umgebung. Die Stadt Geesthacht wirbt mit der Aussage ,Eine Stadt, in der wir gut und gerne leben‘. Leider hinkt die Entwicklung der allgemeinen Infrastruktur dem Zuzug hinterher“, hieß es in der Begründung des Antrages. Besonders der Sektor „Sport“ sei dabei stiefmütterlich behandelt worden.
Im Sportentwicklungsplan der Stadt ist der Bedarf für eine weitere Halle erfasst. In der Prioritätenliste der Hochbauabteilung, die die Politik abgesegnet hat, ist diese Halle jedoch nur mit Priorität 3 aufgeführt. Was im Klartext heißt: Kurz- oder selbst mittelfristig ist aktuell keine Umsetzung vorgesehen. „Wenn Sie etwas anderes beschließen, setze ich das natürlich um“, betonte Bürgermeister Olaf Schulze, dass die Entscheidung über einen Sporthallenbau der Politik obliegt.
Geesthacht hat sechs große Sporthallen
In Geesthacht gibt es vier Drei-Feld-Hallen (Neuer Krug, Grenzstraße, Dösselbuschberg, Silberberg), zwei Zwei-Feld-Hallen (Berliner Straße, Westerheese) sowie zwei Ein-Feld-Hallen(Grundschule in der Oberstadt und Hachede-Schule). Dazu kommen Räume, die für Gymnastik und ähnliches genutzt werden können.
Die Sportvereine ringen dabei jeweils bei der Verwaltung um die Vergabe von Hallenzeiten, was laut Klaus-Heinrich Wulff aber weitgehend kollegial verläuft. Dabei nutzt der Düneberger SV vor allem die Halle am Silberberg und am Dösselbuschberg, der VfL Grünhof-Tesperhude die Westerheese und der große VfL den Rest. Auch der FSV Geesthacht mischt im Rennen mit.
Stadt muss viel Geld in Schulerweiterung stecken
In der Not wird schon auf den Sonnabendvormittag ausgewichen. Denn vor 16 Uhr werden die Hallen unter der Woche von den Schulen genutzt und ab Sonnabendmittag stehen Wettkämpfe und Punktspiele auf dem Programm. „Wir haben Handball-Teams, die spielen beim ersten Punktspiel das erste Mal auf einem großen Feld. Das sind nicht die besten Voraussetzungen“, beschreibt Kunert die Situation.
Gleichwohl muss Geesthacht auch Kitas und Schulen bauen. Allein die für viel Geld – im Raum stehen 50 Millionen Euro –erforderlichen Erweiterungen der Schulen, um den gestiegenen Schülerzahlen gerecht zu werden, werden nach derzeitigem Stand bis 2030 dauern. „Und danach kommt vielleicht irgendwann eine Halle. Das zeigt, welchen Stellenwert der Sport in der Stadt hat“, sagt Kunert, der für die FDP in der Ratsversammlung sitzt.
Sportler in Geesthacht brauchen Gelduld
Schon beim Bau von Kunstrasenplätzen mussten die Geesthachts Sportler viel Geduld aufbringen. Nachdem der Düneberger SV 2008 so einen modernen Belag erhalten hatte, dauerte es zehn Jahre, bis die übrigen Sportplätze umgerüstet worden waren. Das kostete die Klubs viele Mitglieder.
Was neue Sportstätten bewirken können, zeigte sich übrigens auch: Nur drei Jahre, nachdem der VfL Grünhof-Tesperhude einen Kunstrasenplatz bekommen hatte, erhielt ihre Fußballabteilung den Uwe-Seeler-Förderprreis für die am stärksten gewachsene Jugendabteilung binnen eines Jahres.
VfL will kein Prellbock sein
Derweil engagiert sich der VfL Geesthacht seit dem Sommer stark im Ganztagsbereich und bietet nachmittags Bewegungsangebote an Grundschulen an. „Das ist nachgefragt ohne Ende. Aber die Erwartungshaltung an uns ist auch, dass wir Sport anbieten. Das können wir nicht, wollen aber kein Prellbock für ärgerliche Eltern sein“, betont Kunert.
„Dass perspektivischer Bedarf besteht, ist uns allen bewusst. Aber wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen. 2025, wie von der BfG gefordert, ist das aber undenkbar“, sagte Christine Backs (SPD) im Bildungsausschuss. „Wir haben eine lange Prio-Liste. Und ja, wir wollen Kinder fördern. Aber erstmal müssen wir unsere Kinder beschulen können“, sagte Alexander Ewert (CDU).
Stephan Stark: „Wir brauchen Sofortmaßnahmen“
Letztlich einigten sich die Politiker auf eine Vertagung ins Frühjahr, bis dahin soll die Verwaltung die tatsächliche Hallenbelegung vorlegen. Diesen Schritt ging auch die BfG mit. „Unter der Prämisse, dass es dringlich ist“, sagte Jasmina Lorenz (BfG).
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Mit Stephan Stark weiß zumindest ein CDU-Politiker aus eigener Erfahrung um den Ernst der Lage. „Lauenburg hat neun Jahre von der Planung bis zum Spatenstich einer neuen Halle gebraucht. Was wir brauchen, sind Sofortmaßnahmen und eine interfraktionelle Diskussion darüber“, sagte der Vorgänger von Jörg Kunert als erster Vorsitzender des VfL Geesthacht.
VfL Geesthacht würde auch selbst bauen
Die CDU hat bereits eine Arbeitsgruppe gebildet. Ein Gedankenmodell ist, leerstehende Fabrikhallen, etwa bei der Teppichfabrik, kurzfristig umzurüsten. Dafür soll Kontakt mit dem Eigentümer aufgenommen werden.
Einen anderes Modell bringt der VfL Geesthacht ins Spiel: Anstelle des geplanten Sport- und Gesundheitszentrums mit Ein-Feld-Halle, Kita und Bewegungsbecken (Kunert: Ist aktuell nicht finanzierbar) könnte sich der Verein zeitnah die Planung und Errichtung einer Zwei-Feld-Halle auf dem vereinseigenen Gelände an der Mercatorstraße vorstellen.
„Auch hier kommt es auf die Finanzierung mit Zuschüssen an. Grundsätzlich könnte so ein Angebot für Entlastung des Hallenangebotes im Bereich HEW-Siedlung, Finkenweg sorgen. Das grundsätzliche Problem der Stadt, in der Infrastruktur Sport wäre damit nur gelindert, aber nicht geheilt“, sagt Jörg Kunert.