Lauenburg. Sasha Kurmaz sollte Künstlerhaus-Stipendiat werden, doch er verteidigt als Soldat sein Land. Seine Fotos schockieren auf ihre Weise.
Eine angebliche Bedrohung Russlands durch die Ukraine diente Putin als Vorwand für eine groß angelegte Invasion der Ukraine, diese begann am Morgen des 24. Februar 2022 gleichzeitig von Süden, Osten und Norden. Seit der völkerrechtswidrigen russischen Invasion ist ein Ende des Krieges ist nicht absehbar. Genau zwei Wochen zuvor war im Künstlerhaus Lauenburg die Entscheidung gefallen, welche vier Künstler als 22. Generation in die Stipendiatenstätte einziehen werden. Eine banale Nachricht im Vergleich zu der ersten. Und doch stehen sie in engem Zusammenhang. Der ukrainische Künstler Olexandre (Sasha) Kurmaz durfte nicht anreisen. Stattdessen wurde er zum Soldaten ausgebildet, um seine Heimat gegen die Russen zu verteidigen.
Sasha Kurmaz hat während er vergangenen Monate die Kriegsereignisse in der Ukraine auf seine Weise dokumentiert. Das Lauenburger Künstlerhaus zeigt seine Fotografien unter dem Titel „Contemplating the Empathy of Others“ (Nachdenken über die Empathie anderer). Womit bei der Konzeption dieser Ausstellung wohl niemand gerechnet hat: Der Künstler selbst wird nach Lauenburg kommen – wenn auch nur für einen Tag.
Lauenburg: Ukrainischer Künstler schockiert mit banalen Fotos vom Krieg
Für Sasha Kurmaz war seit Kriegsbeginn klar, er wird Kiew nicht verlassen. Er will kämpfen. Das tat der 36-Jährige immer schon, wenn auch bisher mit seiner Kunst. Er war mit seiner Kamera schon 2014 bei den sogenannten Maidan-Aufständen dabei. Damals hatten Studenten zu Protesten aufgerufen, weil der damalige Präsident Wiktor Janukowitsch das lange geplante Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht unterschreiben wollte. Die zunächst friedlichen Demonstrationen gipfelten in brutalen Straßenschlachten.
Sasha Kurmaz verzichtet auf die Darstellung von Gewalt – vor zehn Jahren genauso wie heute. Seine Bilder des Krieges zeigen oftmals den Alltag zwischen Trümmern, die beim Betrachter eine Gänsehaut auslöst. Nicht Schock-Fotos von Toten und Verletzten sind sein Mittel, dem Betrachter die Grausamkeit des Krieges vor Augen zu führen. Er zeigt vielmehr scheinbar Alltägliches, setzt den Krieg mit den Menschen in der Ukraine in eine Beziehung. Und genau das überträgt sich eindringlich auf den Betrachter seiner Fotos.
Der Ukraine-Krieg und der Wandel in der Wahrnehmung
Wenn inmitten bombardierter Häuser zwei alte Männer in der Sonne sitzen und Schach spielen, dann liegt in der ganzen Szenerie eine Tragik, die sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Auf den zweiten Blick geht die scheinbar friedliche Situation unter die Haut. Sasha Kurmaz zeigt keine verwundeten oder protestierenden Menschen, kein Leid und keine Kampfhandlungen. Und trotzdem mutet er dem Betrachter seiner Bilder viel zu.
So ist es auch mit den künstlerischen Fotografien, die jetzt im Künstlerhaus gezeigt werden. „Contemplating the Empathy of Others“ ist eine Reflexion über den Wandel der Empfindungen in der ukrainischen und deutschen Gesellschaft während des fortlaufenden russisch-ukrainischen Krieges. Die Besucher werden mit den Themen Wahrnehmung, Empathie, Widerstand und Gedenken konfrontiert.
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Sasha Kurmaz kommt nach Lauenburg und führt durch seine Ausstellung
Die in Kiew lebende Musikproduzentin, Sängerin und Filmkomponistin Maryana Klochko hat eigens für die Ausstellung ein begleitendes Klangstück entwickelt. Die Ausstellung wird am Sonnabend, 23. November, um 14 Uhr, eröffnet und bis zum 9. Februar im Lauenburger Künstlerhaus (Elbstraße 54) zu sehen sein (jeweils Donnerstag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr). Der Eintritt erfolgt gegen Spende.
Das Projekt wird gefördert durch ein Programm des ukrainischen Instituts in Deutschland. Es entstand in Kooperation mit dem Künstlerkollektiv Asortymentna Kimnata, ein selbstorganisiertes Künstlerhaus in der Ukraine für Künstler, die weiter im Land arbeiten. Das Netzwerk der Künstlerhäuser in Norddeutschland (NKN) – zu dem auch das Künstlerhaus Lauenburg gehört – hatte schon Ende Februar 2022 eine Hilfsaktion für die Asortymentna kimnata gestartet. Auch Sasha Kurmaz gehört zum Netzwerk des Künstlerhauses in Kiel. Darüber ergab sich die Möglichkeit, dass er kurzfristig doch nach Lauenburg kommen kann. Am Montag, 2. Dezember, wird er um 17 Uhr durch seine Ausstellung führen.