Lauenburg. Vor allem für das Engagement für Familien mit Trans-Kindern wurde sie angefeindet. Zerbrochen ist sie daran nicht. Was sie nun vorhat.

„Aufstehen, Krone richten, weitergehen“ – diesen Sinnspruch hat wohl jeder schon in unterschiedlichen Varianten gehört. Im Fall von Jessica Woehr kann man diese Floskel wörtlich nehmen. Sie hat im Frühjahr dieses Jahres am eigenen Leib erlebt, welche Auswüchse Cyber-Mobbing annehmen kann.

Ihre Energie hat sich Jessica Woehr davon nicht rauben lassen. Im Gegenteil: Innerhalb von fünf Monaten besuchte die sechsfache Mutter und CDU-Kommunalpolitikerin zahlreiche Weiterbildungskurse im Bereich der Schönheitspflege, absolvierte alle Prüfungen mit Bravour. Jetzt startet sie in Lauenburg mit ihrem eigenen Salon „Beauty Queen“ durch. „Die Krone ist gerichtet“, sagt die 46-Jährige lachend.

Nach Cyber-Mobbing: Jessica Woehr kämpft in Lauenburg für neuen Traum

Im Mai dieses Jahres war die Situation in einer Geesthachter Facebook-Gruppe mit rund 7000 Mitgliedern eskaliert. Dem Administrator der Gruppe war das Engagement von Jessica Woehr für die queere Szene und für Eltern von Transgender-Kindern ein Dorn im Auge. Auch stünden ihre privaten „selbstsexualisierenden“ TikTok-Videos im Widerspruch zu ihrem politischen Amt und ihrer Tätigkeit als Tagesmutter.

Jessica Woehr konnte sich gegen diese Vorwürfe selbst nicht wehren. Der Administrator hatte sie zuvor aus der Gruppe entfernt. Während einer Geesthachter Ratsversammlung lief die Situation dann völlig aus dem Ruder. Ihr Ehemann und der Admin der Facebookgruppe gerieten massiv aneinander, sodass die Polizei einschreiten musste. Für den Vorfall entschuldigten sich Jessica und Marco Woehr – beide Mitglieder der CDU-Fraktion – später vor dem Ältestenrat.

Freunde und Familie stärken den Rücken

„Mittlerweile habe ich die Geschehnisse abgehakt“, sagt Jessica Woehr. Ihre Familie und ihre Freunde hätten ihr damals die nötige Kraft gegeben. Auch die Geesthachter CDU hatte den Woehrs demonstrativ den Rücken gestärkt. Nach vorn zu schauen, sei schon immer ihre Devise gewesen. „Ich stehe zu dem, was ich tue und was ich mir in den Kopf setze, schaffe ich meist auch“, sagt die 46-Jährige.

Ihre Tätigkeit als Tagesmutter will die ausgebildete Integrationspädagogin bis zum Sommer nächsten Jahres weiterführen. Ein Versprechen, das sie den Eltern gegeben habe. „Dann kommen die von mir betreuten Kinder in die Kita. Bis dahin können sich die Familien auf mich verlassen“, sagt sie. Allerdings bedeutet das für Jessica Woehr, dass sie bis dahin zwei selbstständige Jobs ausfüllen wird – neben dem Haushalt, den Kindern und ihren Ehrenämtern.

Für das neue Ziel gebüffelt bis in die Nacht

Ein eigenes Kosmetikstudio zu haben, war schon immer eine Idee von Jessica Woehr. „Die Kinder sind jetzt aus dem Gröbsten raus. Jetzt kann ich nochmal ganz neu durchstarten“, sagt sie. Sich schön zu fühlen im eigenen Körper, war ihr schon immer wichtig. Dieses Gefühl möchte sie auch anderen Menschen vermitteln. „Ein Ort, an dem Schönheit und Entspannung Hand in Hand gehen“ – so wirbt sie auf ihrem druckfrischen Flyer für ihr Studio.

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In ihrer Ausbildung hat sie sich auf Permanent-Make-up und Wimpernstyling spezialisiert. Auch wie man Hyaluron-Behandlungen fachgerecht ausführt, hat sie gelernt – erst auf künstlichen Hautflächen, später an Models. „Die waren immer zufrieden“, erzählt sie lachend. Aber auch theoretisches Wissen war in der Ausbildung gefragt. „Ich habe manchmal bis in die Nacht hinein gebüffelt. Für eine der Prüfungen bin ich morgens nach Düsseldorf gefahren und abends wieder zurück“, erzählt sie. Kämpfen, das sei sie schließlich gewöhnt.

Jessica Woehr
Jessica Woehr, Ratsfrau der CDU Geesthacht, Gründerin der Selbsthilfegruppe Trans* in Familie und Mitinitiatorin der AG Queer in Geesthacht. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

„Ich werde mich immer einmischen, wenn es um Freiheit und Gleichheit geht“

Auf ihren Mann Marco, mit dem sie seit ihrer Jugend zusammen ist, hätte sie auch diesmal zählen können. Das großzügig geschnittene Studio am Fürstengarten 5 haben sie zusammen renoviert. Helle Farben und sparsam eingesetzte Farbakzente bestimmen jetzt die ehemaligen Räume einer Fahrschule. Durch die großen Fenster fällt viel Licht. Warum eigentlich Lauenburg und nicht Geesthacht? Jessica Woehr ahnt wohl, was hinter der Frage steckt.

„Nein, ich verstecke mich in Geesthacht nicht. Im Gegenteil, ich engagiere mich weiterhin für die CDU in der Ratsversammlung. Und ich werde mich immer einmischen, wenn es um Freiheit und Gleichheit geht“, sagt sie. Auf Lauenburg sei die Wahl gefallen, weil das leerstehende Ladengeschäft im Zentrum in jeder Beziehung perfekt sei. „Über mangelnden Zuspruch kann ich mich auch nicht beklagen. Dabei habe ich bisher nur über meine Online-Kanäle Werbung gemacht“, erzählt Jessica Woehr. Zumindest so lange sie vormittags als Tagesmutter noch Kinder betreut, behandelt sie im Studio aber nur nach Terminvereinbarung. Zu erreichen ist sie telefonisch unter 0151/ 57 54 17 18.