Lauenburg/Boizenburg. Laufen die Regierungschefs gemeinsam ins Ziel oder liefern sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen? Auch für Nicht-Läufer wird es spannend.

Als am 9. November 1989 die Nachricht um die Welt ging, dass die innerdeutsche Grenze offen ist, lebte Daniel Günther in Kiel und war gerade mal 16 Jahre alt. Manuela Schwesig war noch ein Jahr jünger und ging in Frankfurt (Oder) zur Schule. Hätte man den beiden Jugendlichen damals erzählt, dass sie 35 Jahre später als Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam einen Grenzlauf absolvieren werden, sie hätten es wahrscheinlich nicht geglaubt.

Vieles war damals nicht vorauszusehen, als diese Tradition von Läufern aus Lauenburg und Boizenburg aus der Taufe gehoben wurde. Für kommenden Sonnabend, 9. November, laden die Laufgruppen des TuS Hohnstorf und der SG Aufbau Boizenburg zur 21. Auflage des Grenzlaufes ein. Mit dabei sind der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, und seine Amtskollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig – beide begeisterte Freizeitläufer.

Lauenburg: Grenzlauf mit Daniel Günther und Manuela Schwesig

Die Tradition des Grenzlaufes zwischen Lauenburg und Boizenburg begann mit einer spontanen Aktion. Am 24. Dezember 1989 öffnete sich die Grenze zur DDR auch für Bürger aus der BRD. Um Mitternacht sollten die Schlagbäume aufgehen. In jener Nacht vor Heiligabend versammelten sich Sportler aus Ost und West zu einem Lauf. Die rund 15 Kilometer lange Strecke führte über den damals noch existierenden Grenzübergang in Horst. Damals versprachen sie sich, dieses Ereignis nie zu vergessen und den Lauf zu einer immerwährenden Tradition zu machen.

Kurt Tschiltschke war damals Leiter der Laufgruppe der TSG Wittenburg. „Wir hatten schon mit Beginn der politischen Wende Kontakt zu den Sportfreunden in Hohnstorf aufgenommen. Nachdem wir nach der Grenzöffnung in den Westen durften, intensivierte sich die Beziehung. So entstand die Idee, gemeinsam und als erste durch die offene Grenze von Lauenburg nach Boizenburg zu laufen“, erinnert sich der 77-Jährige. Auch die Hohnstorfer Sportfreunde waren Feuer und Flamme. Als Samtgemeindedirektor Uwe Behme, selbst ein begeisterter Langstreckenläufer, von dem Vorhaben erzählte, meldeten sich nicht nur Läufer, die dabei sein wollten, sondern auch Freiwillige, die aus Begleitfahrzeugen für die Versorgung der Sportler sorgten.

Grenzlauf war Initialzündung für Städteparnerschaft

„Wir waren um 22.30 Uhr in Lauenburg am vereinbarten Treffpunkt an der Palmschleuse. Der damalige Bürgermeister von Lauenburg, Hauke Matthießen, hielt eine bewegende Rede und dann ging es los“, erzählt Kurt Tschiltschke. Kurz vor Mitternacht sehen die drei diensthabenden DDR-Grenzer am Lauenburger Übergang einen Tross aus 50 Läufern auf sich zurennen. Auf der Strecke hatten sich Menschen spontan angeschlossen. Die Lauenburgische Landeszeitung schrieb damals: „Angesichts der langen Schlange, die sich auf sie zubewegt, geben sie jeglichen Kontrollversuch auf. ‚Habt ihr alle Reisepässe?‘, fragt einer der Grenzsoldaten. Nach einem vielstimmigen ‚Ja‘ gibt er lachend die Grenze frei und die Langstreckler aus mehreren Vereinen laufen in die DDR ein.“

„Gleich hinter der Grenze jubelten uns die Leute aus den Trabis zu und drückten uns Blumen in die Hand. Auf dem Platz des Friedens in Boizenburg gab es dann ein großes Fest. Zum Schluss sind wir nicht mehr gelaufen, sondern haben getanzt“, schwärmt Tschiltschke. Was machte es da schon, dass die Läufer trotz des nasskalten Wetters nassgeschwitzt waren. Die Begleitfahrzeuge steckten irgendwo im Stau. „Das war so eine positive Stimmung. Wir waren erst am Morgen wieder zu Hause“, erzählt er. Der Lauf in der Nacht zu Heiligabend und das fröhliche Fest auf dem Platz des Friedens gilt als Initialzündung für die Städtepartnerschaft zwischen Lauenburg und Boizenburg.

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Grenzlauf: Abschlussveranstaltung am Lauenburger Schlossplatz

Dass der Grenzlauf in diesem Jahr ähnlich emotional wird, ist nicht zu erwarten. Allerdings ist auch diesmal ein großes Rahmenprogramm geplant, denn das sportliche Ereignis ist nur ein Programmpunkt der Veranstaltung „Tag und Nacht der Demokratie“. Die Läufer starten um 11 Uhr am Rathaus Boizenburg. Die leicht hügelige Strecke ist etwa 12 Kilometer lang. Auf Schnelligkeit kommt es übrigens nicht an. Jeder läuft in seinem eigenen Tempo. Gegen 12 Uhr werden die Läufer am Schlossgebäude (Amtsplatz 6) in Lauenburg erwartet. Lauenburgs Bürgermeister Thorben Brackmann wird auch unter ihnen sein.

Musikalisch werden die Teilnehmer des Grenzlaufes von den „Schaalseemusikanten“ begrüßt. Außerdem erhalten sie einen Imbiss im DLRG-Zelt am Schloss. Auch für Duschmöglichkeiten ist gesorgt. Lauenburger Laufteilnehmer können den Shuttle-Service nutzen. Um 10.15 Uhr fährt der Bus vom Lauenburger ZOB nach Boizenburg. Boizenburger Läufer können den Shuttle-Bus um 14 Uhr vom Lauenburger ZOB zurück nach Hause nutzen. Wer dabei sein möchte, schickt seine Anmeldung per E-Mail bis Donnerstag, 7. November an andersonjens@aol.com.