Geesthacht. Fraktion gibt Stellungnahme zu angedrohten Schlägen ab. Hintergrund ist queerfeindliche Kampagne in der Facebookgruppe Geesthachter.

Nach dem Eklat während einer Sitzungsunterbrechung der Geesthachter Ratsversammlung am Freitag, 17. Mai, hat die CDU ihren betroffenen Mitgliedern Jessica und Marco Woehr das Vertrauen ausgesprochen. Gleichzeitig schreibt Christin Ischdonat in einer Erklärung der Fraktion: „Als Fraktionsvorsitzende entschuldige ich mich für das Verhalten von Herrn Woehr bei allen Beteiligten.“

Dieser war mit Erdal Torun, dem Administrator der Facebookgruppe Geesthachter, vor dem Ratssaal aneinandergeraten, woraufhin Torun die Polizei rief.

Nach Eklat bei Geesthachter Ratsversammlung: CDU steht zu den Woehrs

Inzwischen scheint unstrittig, dass Marco Woehr Torun Schläge angedroht hat. Denn Ischdonat betont in der Erklärung auch: „Der verbale Angriff und die Androhung von körperlicher Gewalt durch Herrn Woehr als Fraktionsmitglied der CDU ist dennoch nicht tolerierbar.“ Grund für den Ausraster des Politikers könnte sein, dass sich die Familie Woehr in einer emotionalen Ausnahmesituation befinde.

Diese fasst Ischdonat wie folgt zusammen: „In der Facebookgruppe ,Geesthachter‘ wurden seit Ende März federführend durch den Administrator der Gruppe mehrere Beiträge verfasst, die unser Fraktionsmitglied Jessica Woehr persönlich und zu ihrem vielseitigen ehrenamtlichen Engagement angreifen. Vordergründig sind die Themen Transidentität, ihre weitere ehrenamtliche Tätigkeit in der gegründeten Beratungs- und Selbsthilfegruppe ,Trans in Familie‘ oder die neu gegründete AG Queer zu nennen. Die Diskussionen in den Kommentaren nahmen eine rufschädigende und existenzgefährdende Dynamik an, die von der CDU-Fraktion gänzlich zu missbilligen sind.“

Polizeieinsatz in Zuge der Sitzung der Geesthachter Ratsversammlung: Erdal Torun (Administrator Facebookgruppe Geesthachter) und CDU-Politiker Marco Woehr waren aneinander geraten.
Polizeieinsatz in Zuge der Sitzung der Geesthachter Ratsversammlung: Erdal Torun (Administrator Facebookgruppe Geesthachter) und CDU-Politiker Marco Woehr waren aneinander geraten. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Toruns persönliche Anwesenheit bei der letzten Sitzung des Sozialausschusses (7. Mai) und der Ratsversammlung habe für die CDU provokant gewirkt. Ischdonat erklärt, dass Marco Woehr sich einsichtig und reflektiert geäußert habe, „dass sein Verhalten unangebracht und die gewählten Worte nicht richtig waren“.

Jessica Woehr will sich in Ratsversammlung entschuldigen

Laut Geesthachts Bürgervorsteher Arne Ertelt (ebenfalls CDU) wolle sich Jessica Woehr, die anders als ihr Mann auch Mitglied der Ratsversammlung ist, sich zudem in der kommenden Sitzung des Gremiums am 14. Juni für das Verhalten ihres Mannes und ihr Einmischen in die Auseinandersetzung öffentlich entschuldigen. Dies hat die CDU bei der außerordentlichen Sitzung des Ältestenrats der Stadt angekündigt.

Zum Ältestenrat gehören die Vorsitzenden der in der Ratsversammlung vertretenen Fraktion sowie der Bürgervorsteher. Als Gäste waren auch Bürgermeister Olaf Schulze und ein Vertreter der FDP (hat keinen Fraktionsstatus) anwesend.

Während des Eklats spricht Jessica Woehr (CDU, vorn rechts) mit Christian Barbarousis (BfG). Hinten: Erdal Torun (links) und Marco Woehr (verdeckt).
Während des Eklats spricht Jessica Woehr (CDU, vorn rechts) mit Christian Barbarousis (BfG). Hinten: Erdal Torun (links) und Marco Woehr (verdeckt). © Dirk Schulz | Dirk Schulz

„Ich habe auch darauf hingewiesen, dass sich Kommunalpolitiker im privaten Umfeld zurücknehmen sollten, um keine Angriffsflächen zu bieten, weil Privates und Politisches nicht unbedingt unterschieden werden“, sagte Ertelt. Hintergrund: Bestandteil der Dinge, die Erdal Torun Jessica Woehr vorwirft, sind ihre privaten TikTok-Videos.

Jessica Woehr hat Anzeige wegen Rufschädigung erstattet

„Wer als 46-jährige Frau mit Kindern arbeiten möchte, eine Kinder-Tagespflege hat und sich so selbstsexualisierend, lasziv und verstörend im Internet zeigt und dabei noch ein ,öffentliches Amt‘ besetzt, muss mal kritisch hinterfragt werden“, hatte Torun unserer Redaktion geschrieben.

Er folgert daraus, dass ihre Verhaltensweise auf „schwere Persönlichkeitsstörungen/Traumata“ hinweisen würden und kündigte deshalb sogar einen Antrag auf Überprüfung einer Kindeswohlgefährdung beim Amtsgericht Schwarzenbek an. Wegen Aussagen wie dieser hat Jessica Woehr nach eigenen Angaben Anzeige wegen Rufschädigung gestellt. Sie ist Fachkraft für Integrationspädagogik und Tagesmutter und setzt sich für die queere Szene ein, weil sie selbst ein Transkind hat.

Die CDU betont zur politischen Aktivität von Jessica und Marco Woehr: „Ihr Input ist für die Fraktionsarbeit wertvoll. Und diesen Mehrwert und Erfahrungsschatz gerade auf dem noch langen Weg zur vollständigen Inklusion möchten wir zukünftig weiterhin einbringen und daher nicht auf Familie Woehr verzichten.“

Facebook-Admin Erdal Torun spricht von „Trans-Ideologen“

Torun, der von einer Kampagne nichts wissen will, ist Jessica Woehrs Engagement für die queere Gesellschaft ein Dorn im Auge. In einem seiner Facebookbeiträge schreibt er in Großbuchstaben: „Weil ich weiter dafür kämpfe, jedes einzelne Kind vor Trans-Ideologen zu schützen.“ Wegen angeblicher Vorteilsnahme und Interessenskonflikten, die ihre kommunalpolitische Tätigkeit und die Beratungen mit sich brächten, hat er auch eine Beschwerde nach Paragraf 16 der Gemeindeordnung eingereicht.

Nach Informationen unserer Redaktion sollen darüber hinaus anonyme Hinweise bei Polizei und Staatsanwaltschaft eingegangen sein, die sich gegen Jessica Woehr richten. Auch die Stadt Geesthacht soll diesbezügliche anonyme Briefe erhalten haben.

Andere Fraktionen reagieren verhalten auf CDU-Erklärung

Dass die Woehrs „trotz der monatelangen Angriffe“ noch die Kraft und die Motivation aufbringen, politisch aktiv zu bleiben, begegnet die CDU-Fraktion mit größtem Respekt, teilt sie mit. Die Aufklärung der gegenseitigen Vorwürfe erfolge derweil auf privatrechtlichem Weg.

In einer Sitzungsunterbrechung der Ratsversammlung am vergangenen Freitag hatte Marco Woehr Erdal Torun vor dem Ratssaal dicht an dicht gegenübergestanden. Woehr soll zuvor Sätze wie „Komm raus. Wir klären das“ und „Ich hau dir auf die Schnauze“ gesagt haben. Andere Politiker stellten sich zwischen die Streithähne.

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Wie die anderen Fraktionen zu der Reaktion der CDU auf die Vorfälle stehen, wollten sie erst nach Kenntnis des genauen Wortlauts intern beraten. Für die SPD sagte Petra Burmeister vorab: „Die Stimmung in der Fraktion ist, dass es kein Verständnis für Gewaltandrohung gibt.“ Die Bürger für Geesthacht (BfG) hätten laut Ertelt bereits im Ältestenrat durchblicken lassen, dass eine Entschuldigung nicht ausreichend sei.