Dassendorf. Ausgerechnet im Derby gegen den ETSV Hamburg lief für den Fußball-Oberligisten alles schief. Doch es kam noch schlimmer.
Ausgerechnet im Derby gegen den Lokalrivalen ETSV Hamburg musste die TuS Dassendorf ihre erste Saisonniederlage hinnehmen. Der Tabellenzweite der Fußball-Oberliga unterlag den „Eisenbahnern“ am Sonnabend vor 429 Zuschauern am Wendelweg nach 1:0-Führung an einem Nachmittag der bösen Überraschungen noch mit 1:2.
Gäste-Trainer Berkan Algan, der in den vergangenen Wochen nach drei Niederlagen in Pokal und Meisterschaft in Folge schwer in der Kritik gestanden hatte, konnte sein Glück kaum fassen. „Wir müssen das jetzt schnell abhaken und uns auf unser nächstes Spiel gegen die SV Halstenbek-Rellingen konzentrieren“, wählte er auf der anschließenden Pressekonferenz eine Wendung, wie man sie normalerweise nach Niederlagen gebraucht.
Nachmittag der bösen Überraschungen für die TuS Dassendorf
„Es ist ein ungewohntes Bild, hier in Dassendorf dem Gast zum Sieg zu gratulieren“, gab TuS-Trainer Thomas Seeliger zu. Die erste Hiobsbotschaft für seine bis dahin noch ungeschlagene Elf hatte es bereits vor dem Anpfiff gegeben. Topstürmer Martin Harnik verletzte sich beim Warmmachen, musste kurzfristig passen.
„Beim Aufwärmen hat es in den Oberschenkel reingezogen“, schilderte der 37-jährige Ex-Profi vom HSV und Werder Bremen. Als die Mannschaften das Spielfeld betraten, war Harnik bereits vom Spielberichtsbogen gestrichen. Nicht mal eine Joker-Rolle auf der Bank war für ihn drin. „Wenn ich nicht spielen kann, dann kann ich auch nicht eingewechselt werden“, machte Harnik klar.
Kristof Kurczynski stürmt für Martin Harnik und trifft prompt zum 1:0
Wie lange er nun ausfallen wird, ist unklar. Sicher ist: Die Zeit drängt. Denn nach dem nächsten Spiel beim FC Türkiye (19. Oktober) stehen für die Dassendorfer mit dem Heimspiel gegen Tabellenführer Altona 93 (26. Oktober, 13 Uhr, Wendelweg) und dem Pokal-Achtelfinale beim SC Victoria (29. Oktober, 19.30 Uhr, Stadion Hoheluft) zwei absolute Kracherspiele an.
Für Harnik stürmte Edel-Reservist Kristof Kurczynski von Beginn an. Und der 34-Jährige nutzte seine Chance. Mit Hingabe lief Kurczynski jede Lücke zu, warf sich in jeden Zweikampf und in jede Flanke und stand schließlich beim Tor zum 1:0 goldrichtig, als er eine gedankenschnelle Vorlage von Eyke Kleine über die Linie drückte (32.).
Ausnahme-Stürmer Antonio Verinac trifft und geht
Alles lief also nach Plan für die Hausherren, die die Begegnung bis dahin komplett dominiert hatten. „Dann musst du so eine Führung natürlich mit in die Halbzeitkabine nehmen“, haderte Seeliger mit dem Abwehrverhalten seiner Elf, die ausgerechnet ETSV-Topstürmer Antonio Verinac aus den Augen verlor. So allein wie noch nie ein Stürmer im gegnerischen Strafraum gelassen wurde, fand sich Verinac vor dem TuS-Gehäuse wieder und hämmerte den Ball zum 1:1 in die Maschen (43.).
Die Dassendorfer waren also kalt erwischt worden. Es war das 13. Saisontor für Verinac. Mit diesem Treffer zog der frühere kroatische U-19-Nationalspieler in der Torschützenliste an Martin Harnik (12) vorbei und setzte sich an die Spitze. Ausgerechnet hier am Wendelweg! Und die nächste böse Überraschung für die Gastgeber sollte nicht lange auf sich warten lassen: Denn als die Teams zur zweiten Hälfte auf das Spielfeld zurückkehrten, fehlte beim Gegner aus Billwerder ausgerechnet Verinac!
Ein Ein-Mann-Bollwerk hält die Dassendorfer auf
Und das waren für die Dassendorfer richtig schlechte Nachrichten. Denn für den zwar torgefährlichen, aber manchmal etwas lauffaulen Verinac kam Benjamin Petrick. Der frühere Regionalliga-Stürmer von Kilia Kiel ist ein unglaublicher Typ, ein Ein-Mann-Bollwerk auf dem Platz, an dem fortan sämtliche Versuche der Dassendorfer, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen, abprallen sollten.
Jetzt machte es der ETSV Hamburg richtig gut. Nichts mehr zu spüren von der Verunsicherung der vergangenen Wochen. „Wir Spieler sind gut beraten, uns auf das zu fokussieren, was wir beeinflussen können, nämlich den Fußball, den wir spielen“, betonte Verteidiger Sebastian Hertner.
Zhi-Gin Lam vergibt den Siegtreffer für die TuS Dassendorf
Der frühere Zweitliga-Profi musste ausgerechnet gegen Fabian Graudenz spielen, mit dem er bis zum Sommer zusammen beim FC Teutonia gekickt hatte. „Das ist natürlich ein Vorteil für den Verteidiger, gegen jemanden zu spielen, dessen Bewegungen man aus zahllosen Trainingseinheiten ganz genau kennt“, betonte Hertner, der Graudenz komplett aus der Partie nahm.
Es spricht für die Qualität der TuS Dassendorf, dass sie es trotz dieser ganzen Probleme schaffte, sich einige gefährliche Chancen zu erspielen. Die beste hatte Zhi-Gin Lam. Doch seinen Schuss aus fünf Metern Entfernung parierte ETSV-Keeper malte Schuchardt glanzvoll (87.).
Der ETSV Hamburg macht es wie Xabi Alonso und seine Leverkusener
Stattdessen ist auf der Gegenseite plötzlich der eingewechselte Ede Zimmermann frei durch und vollendet zum 2:1-Sieg für die Gäste (90.). Nun gab es kein Halten mehr. Die ganze Ersatzbank des ETSV Hamburg stürmte zur Eckfahne, um den Torschützen zu feiern. Mit einem Schlag hatten sie die ganze Krise weggewischt.
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Im Vergleich zu seinem früheren Club Teutonia 05 sieht Hertner die „Eisenbahner“ daher auch auf einem guten Weg. „Bei Teutonia hieß es in der Winterpause immer schon: Wir wollen Meister werden“, erzählt er. „Hier beim ETSV Hamburg gibt es ein Gefühl dafür, dass das alles ein Prozess ist, der Zeit braucht. Ich muss da immer an Xabi Alonso denken. Der hat mit Bayer Leverkusen auch lange nicht von der Meisterschaft gesprochen und dann haben sie ganz souverän den Titel geholt.“
Nach dem Schlusspfiff folgte für Dassendorf die nächste Enttäuschung
Und die TuS Dassendorf? Die durfte nach der ersten Saisonniederlage plötzlich wieder hoffen, dass vielleicht doch alles nicht ganz so schlimm kommt. Denn im anschließenden Spiel zwischen dem USC Paloma und Spitzenreiter Altona 93 erwischten die „Tauben“ einen Traumstart und führten nach einer halben Stunde schon mit 2:0.
Doch es war eben der Nachmittag der bösen Überraschungen für die TuS Dassendorf. Und daher drehte Tabellenführer Altona in der Folge noch die Partie, gewann mit 4:2 und hat nun satte vier Punkte Vorsprung auf die Dassendorfer. „Wir werden am Ende nicht wegen eines einzigen Spiels Meister oder nicht Meister“, hatte TuS-Coach Seeliger vor der ETSV-Partie betont. Doch seine Mannschaft wird sich nun für eine ganze Weile mit der Verfolgerrolle anfreunden müssen.