Hamburg. Die spinnen, die Schweden? Wo der Lindgren-Klassiker verfilmt wurde, leuchtet eine Ampel in den leeren Wald. Was es damit auf sich hat.
Es wirkt wie eine Fata Morgana, aber sie ist tatsächlich da. Kurz unterhalb des Gipfels des Berges Sörknatten, an dem 1984 der Kinderbuch-Klassiker „Ronja Räubertochter“ von Astrid Lindgren verfilmt wurde, hängt mitten im Wald eine Ampel. Und sie funktioniert auch noch! Beständig wechselt die Anzeige zwischen Rot, Gelb und Grün, obwohl außer uns niemand hier ist, der es sehen könnte. Was soll das?
In unserem Bergedorfer Blog „Volkers Welt“ geht es heute um die Geschichten, mit denen wir alle aufgewachsen sind. Wir sind unterwegs im Dalsland, in einem der abgelegensten Gebiete in Südschweden. Westlich des gewaltigen Vänersees, dessen Uferlinie mit 2000 Kilometern etwa doppelt so lang ist wie die Küste Schleswig-Holsteins, erstreckt sich hier eine endlose Weite von Wäldern und kleineren Seen. Eine perfekte Umgebung für die Verfilmung des Kinderbuch-Klassikers „Ronja Räubertochter“ von Astrid Lindgren (1907-2002).
Was macht eine Ampel im Wald von Ronja Räubertochter?
Anders als bei „Pippi Langstrumpf“ (1945), „Kalle Blomqvist“ (1946), „Wir Kinder von Bullerbü“ (1947) oder „Karlsson vom Dach“ (1955) handelt es sich bei „Ronja Räubertochter“ um ein Spätwerk der berühmten schwedischen Kinderbuch-Autorin. Lindgren war schon 74 Jahre alt, als es 1981 in Schweden erschien. Doch es ist ihr bestes Buch. „Ronja Räubertochter“ ist eine gefühlvolle Geschichte über das Erwachsenwerden, über die Beziehung eines Mädchens zu ihrem Vater.
Die kleine Ronja wächst in einer Räuberhorde auf. Ihr Vater Mattis ist der Hauptmann der Mattis-Sippe, die in einer Hälfte einer von einem Blitz gespaltenen Burg haust. Die andere Hälfte wird von den Borka-Räubern bewohnt, die mit den Mattis-Leuten verfeindet sind. Eines Tages lernt sie bei einem Streifzug durch die Wälder Birk kennen, den Sohn von Räuberhauptmann Borka. Die Kinder treffen sich fortan heimlich, bis sie schließlich auffliegen und die Sache eskaliert.
Die Macht eines Vaters endet bei dem Willen seiner Tochter
Anleihen bei Klassikern wie „Romeo und Julia“ oder „Tristan und Isolde“ sind unverkennbar, doch Lindgrens Werk ist mehr als nur ein müder Abklatsch davon. Das liegt an der Figur des Räuberhauptmanns Mattis. Dieser ungehobelte, ewig polternde Bär von einem Mann dominiert zwar seinen Clan, doch gegen den Willen seiner Tochter ist er machtlos.
Die Verfilmung des Stoffs im Jahr 1984 ist ein Glücksfall der Filmgeschichte. Vor allem wegen der Hauptdarsteller. Mattis wird von dem Shakespeare-Darsteller Börje Ahlstedt verkörpert, Ronja von der damals elf Jahre alten Hanna Zetterberg. Sie ist der Inbegriff eines naturverbundenen Mädchens und hat ganze Generationen verzaubert. Die heute 51-Jährige ist mittlerweile selbst zweifache Mutter, saß für die Sozialisten im schwedischen Parlament und hat in ihrem ganzen Leben nur diesen einen Film gedreht.
Nach 40 Jahren: Film „Ronja Räubertochter“ ist mühelos zu bekommen
Hinzu kommt die gewaltige Kulisse der endlosen Wälder und Seen des Dalslandes, die ebenfalls ihren Teil zum Erfolg beiträgt. Obwohl der Film schon vier Jahrzehnte alt ist, ist er bis heute aktuell geblieben und noch immer per Stream zu sehen und als DVD zu haben. Maximal fünf Tage dauert die Bestellung bei einem der Online-Großhändler. Den Familienfilm können sich auch Erwachsene gut anschauen.
Am Fuß des Berges Sörknatten, an dessen bewaldeten Hängen die meisten Szenen des Films entstanden sind, steht ein Stein mit dem Modell der geteilten Burg darauf. Es ist das Modell, das bei den Trickaufnahmen zum Einsatz kam, beispielsweise wenn zu Beginn des Films ein Unwetter gezeigt wird.
Wie unterscheidet sich eigentlich ein Hügel von einem Berg?
Bei den Filmen der 1980er-Jahre war noch alles handgemacht. Bei „Ronja Räubertochter“ genauso wie bei der ebenfalls 1984 entstandenen Verfilmung von „Die unendliche Geschichte“. Jedes Wesen musste mühsam über Puppenspieler einzeln bewegt werden. Erst einige Jahre später brach mit dem Siegeszug der Digitaltechnik ein neues Zeitalter an.
Der Weg auf den Sörknatten führt durch ein Dorf, vorbei an einem Friedhof, über eine Kuhweide und dann über Felsen, Geröll und Waldwege hinauf zum Gipfel. Der Aufstieg ist nicht allzu schwierig und mit drei Kilometern auch nicht sehr lang, denn der Berg Sörknatten ist mit einer Höhe von 142 Metern eher ein Hügel. Üblicherweise wird alles unterhalb einer Höhe von 200 Metern als Hügel bezeichnet. Der Sörknatten ist trotzdem ein Berg.
Was es mit der seltsamen Ampel im Wald auf sich hat
Und er hält eine Überraschung bereit. Hoch oben im Wald, wo vor vier Jahrzehnten in einer zentralen Szene des Films Mattis- und Borka-Räuber miteinander kämpften, hängt unverhofft eine Ampel in den Bäumen und leuchtet Rot – Gelb – Grün. Ausgerechnet hier, wo keinerlei Straßenverkehr zu erwarten ist und wohl auch noch nie welcher war. „Die spinnen, die Schweden!“, würde Asterix sagen.
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Ein kleines Schild gibt Aufschluss: Es handelt sich um etwas Esoterisches, eine Ampel der Achtsamkeit. Rot bedeutet, man soll stehenbleiben und die spektakuläre Aussicht genießen. Gelb heißt, man soll einmal tief ein- und ausatmen und dabei seinen Gedanken freien Lauf lassen. Bei Grün soll man weitergehen. Es wirkt. Mehrfach durchläuft unsere ganze Familie die Phasen der Achtsamkeit.
Warum Astrid Lindgren mit 67 Jahren auf einen Baum kletterte
Was Astrid Lindgren wohl zu der seltsamen Ampel gesagt hätte? Die Kinderbuch-Autorin war 1984 bei den Dreharbeiten selbst vor Ort, unterhielt sich lange mit der elfjährigen Hanna Zetterberg. Lindgren hatte auch selbst viel von ihrer Kunstfigur Ronja in sich. Mit 67 Jahren kletterte sie beim Geburtstag einer alten Freundin mit dieser um die Wette auf einen Baum. Schließlich gebe es „kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern“, sagte sie hinterher augenzwinkernd.