Hamburg. Fußball-Oberligist in der Krise. Sportchef Huremovic tobt. Was das für Coach Algan bedeutet und wie der Verein eigentlich wirtschaftet.

Er hatte es geahnt. „Das sind die Spiele, die mir Sorgen bereiten“, hatte Sascha „Jassi“ Huremovic, der Sportchef des ETSV Hamburg, vor dem Auswärtsspiel in der Fußball-Oberliga beim USC Paloma gewarnt. Gegen solche vermeintlichen Außenseiter hatten sich die „Eisenbahner“ schon oft schwer getan. Uns tatsächlich: Sie verloren mit 2:4.

Der Frust darüber war so groß, dass Huremovic anschließend sein Handy ausschaltete und für den Rest des Tages unerreichbar blieb. „Ich hatte einfach keinen Bock auf Gerede“, gab er am nächsten Tag zu. „Das war wieder so ein Spiel, nach dem mir alle möglichen Fragen im Kopf herumgehen. Ich habe die Nacht kaum geschlafen.“

Warum beim ETSV Hamburg Geld doch keine Tore schießt

Die Krise beim ETSV Hamburg, sie ist förmlich mit Händen zu greifen. Mit großen Zielen war der Verein in die Saison gestartet. Eine besondere Saison, schließlich ist der ETSV im Sommer 100 Jahre alt geworden. Nach dem glänzenden dritten Platz als Aufsteiger in der vergangenen Spielzeit liebäugelten die „Eisenbahner“ nun mit einem möglichen Aufstieg in die Regionalliga und später dann vielleicht sogar in die 3. Liga.

ETSV-Sportchef Sascha Huremovic beklagt Einfallslosigkeit im Spiel des Oberligisten.
ETSV-Sportchef Sascha Huremovic beklagt Einfallslosigkeit im Spiel des Oberligisten. © BGZ/Hanno Bode | Bode

Doch nun hat der Tabellenvierte aus Billwerder den Anschluss an die Tabellenspitze erst einmal verpasst. Auf Spitzenreiter Altona 93 sind es schon sechs Zähler Rückstand, auf die TuS Dassendorf fünf. Zwei Wochen vor dem Spitzenspiel in Dassendorf (12. Oktober, 13 Uhr, Wendelweg) ist das ein herber Dämpfer für die hohen Ambitionen der „Eisenbahner“.

ETSV Hamburg verliert den Anschluss an die Tabellenspitze

„Wir verlieren im Moment jedes dritte Spiel“, bilanziert Huremovic. „Da braucht niemand von der Regionalliga zu reden.“ Dabei tun die „Eisenbahner“ doch alles, um die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Spielzeit zu schaffen. Coach Berkan Algan trainiert mit seiner Elf viermal pro Woche – mehr als die meisten Konkurrenten. Das Team zog zudem extra aus Billwerder an die Sander Tannen um, um in Bergedorf neue Anhänger zu gewinnen.

Und trotzdem hakt es. „Mir gefällt der Fußball nicht, den wir spielen“, formuliert Huremovic einen deutlichen Vorwurf an Mannschaft und Trainer. „Da waren gegen Paloma keine Ideen im Spiel nach vorn. Die Mannschaft wirkte hilflos auf dem Platz.“ Angesichts des hohen Aufwands, den der Verein betreibe (Huremovic: „Die Spieler kriegen von uns alle den Hintern gepudert. Wir finanzieren zwei Trainingslager pro Jahr“) sei die bisherige Ausbeute enttäuschend, Coach Algan nun „unter Druck“.

Nach dem Dassendorf-Spiel soll es die große Aussprache geben

Nach dem Dassendorf-Spiel wollen sie sich zusammensetzen. „Dann wird es eine Aussprache geben“, blickt Huremovic voraus. „Die hatten wir aber sowieso geplant, unabhängig von der aktuellen Situation.“ Dass Algan eine solche Analyse fürchten muss, erscheint zweifelhaft. Denn zwei gewichtige Argumente hat er auf seiner Seite: Da ist zum einen der im Sommer völlig neu zusammengestellte Kader, der sich erst finden muss, und zum anderen die Verletzung von Bujar Sedija, dem überragenden „Sechser“. Er fällt mit einem Kreuzbandriss monatelang aus.

Andererseits ist der ETSV-Kader so üppig besetzt, dass das Team solche Ausfälle eigentlich kompensieren müsste. Schießt Geld beim ETSV Hamburg also doch keine Tore? Der Verein steht ja in dem Ruf, besonders viel in den sportlichen Erfolg zu investieren. „Alle glauben immer, dass wir das Geld mit vollen Händen ausgeben würden“, ärgert sich Huremovic darüber. „Doch bei uns herrscht ein klares Leistungsprinzip. Wer nie spielt und daher auch keine Prämien kassiert, muss wahrscheinlich noch Geld mitbringen, um viermal Training in der Woche zu bewerkstelligen.“

Wie die finanzielle Absicherung der Amateurfußballer funktioniert

Wichtig ist es dem Sportlichen Leiter zu betonen: „Alle unsere Spieler haben Amateuranbindungsverträge. Das heißt, sie sind BG-krankenversichert und verdienen mindestens 350 Euro im Monat.“ Diese Untergrenze schreibt der Hamburger Fußballverband vor. Sie wurde erst im Februar von 250 auf 350 Euro erhöht, um solche Verträge für die Vereine nicht zu lukrativ zu machen. Denn wer einem Spieler einen solchen Vertrag gibt, muss dem abgebenden Verein keine Aufwandsentschädigung zahlen.

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Bei einem 25-Mann-Kader erreichen die Kosten für eine Saison leicht den sechsstelligen Bereich. Möglich gemacht wird das durch einen Pool von etwa zehn Sponsoren im Hintergrund, die den Kader finanzieren. „Aus dem Verein ist das Team ausgegliedert“, erläutert Huremovic. „Es kann ja nicht sein, dass Tänzer oder Turner für mögliche Kosten der Fußballer aufkommen.“

Ein Hauch von Bundesliga: Sponsorentafel bei Interviews

Schwierig ist es für die Vereine oft, ihren Gönnern etwas zurückzugeben. Doch auch dazu hat sich Sportchef Huremovic schon etwas einfallen lassen. „Wir planen jetzt eine Sponsorentafel als Hintergrund für Interviews wie bei den Fußball-Bundesligisten“, schwärmt er. Bleibt für den ETSV Hamburg zu hoffen, dass die Spieler dann künftig möglichst häufig wieder über Siege sprechen können.“