Geesthacht. Das Klinikum der Johanniter in Geesthacht ist beliebt als Geburtsklinik. Was bedeutet der Insolvenzantrag für werdende Eltern?
673 Kinder wurden 2023 in Geesthacht geboren, der kleine Mika Leander machte in diesem Jahr am 1. Januar den Anfang. Etwa 700 Babys sind es, die Jahr für Jahr im Durchschnitt im Geesthachter Johanniter-Krankenhaus zur Welt kommen. Wohin aber sollen sich werdende Mütter wenden, wenn die Klinik geschlossen wird? Am Montag, 23. September, haben die Johanniter für ihr Krankenhaus in Geesthacht einen Insolvenz-Antrag gestellt.
Die Lücke, die durch eine Stilllegung gerissen werden könnte, ist gewaltig. Das Krankenhaus ist begehrt bei Eltern, seit 2012 eine zertifizierte babyfreundliche Geburtsklinik, klinischer Praxisort für den dualen Hebammen-Studiengang und belegte 2023 den dritten Platz beim Deutschen Hebammenpreis in der Kategorie „Teams“.
Unsicherheit nach Insolvenzantrag: Wo sollen 700 Babys künftig zur Welt kommen?
In diesem Jahr wurde zur weiteren Förderung einer natürlichen Geburt der „Geesthachter Geburtszirkel“ eingeführt. Er funktioniert ähnlich wie ein Zirkeltraining, es geht hierbei aber um Atmung und Entspannung, Bewegung und Mobilisation sowie Konzentration und Meditation.
So weit, dass sich künftige Mütter eine andere Klinik suchen müssen, ist es noch nicht. „Werdende Eltern werden weiterhin in unserer Klinik versorgt. Auch Neuanmeldungen nehmen wir entgegen, auch wenn die Geburten erst für das nächste Jahr geplant sind“, berichtet Sprecherin Regina Doerr.
Kooperation mit Klinikum Lüneburg wird weitergeführt
„Sollte die Geburtshilfe in Geesthacht nicht aufrechterhalten werden können, haben Schwangere die Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern in erreichbarer Distanz“, beruhigen Geschäftsführer Dr. Michael Moormann und Verwaltungsleitung Undine Wendland vom Klinikum Lüneburg potenzielle Eltern über die Zeitspanne eines Insolvenzverfahrens hinaus.
Mit der dortigen Kinderklinik besteht bereits seit Jahren eine Kooperation. Fast täglich reisen Ärzte aus Lüneburg zur turnusmäßigen Visite der Neugeborenen ins Krankenhaus nach Geesthacht, die Häufigkeit richtet sich nach der aktuellen Geburtenzahl. Und bei Kindern unter drei Jahren wird bei einem Notfall verlegt, auch mit Rettungswagen und Sonderfahrt.
Kliniken fehlen Monat für Monat 500 Millionen Euro
„Als Perinatalzentrum Level 1 steht das Klinikum Lüneburg natürlich auch insbesondere für komplexere Geburten oder Schwangere mit bestimmten Risikofaktoren zur Verfügung“, heißt es in dem Statement der beiden Führungskräfte aus Lüneburg. „Werdende Mütter ohne Risikofaktoren und einer erwartbar unkomplizierten Geburt sind in den anderen Geburtskliniken der Region, zum Beispiel unserem Kooperationspartner in Winsen, ebenfalls hervorragend aufgehoben“, heißt es weiter. Sollte die Klinik in Geesthacht nicht oder nur in begrenztem Umfang weitergeführt werden können, werden die Lüneburger auch vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Johanniter-Krankenhauses einen Arbeitsplatz bieten können.
Aktuell fehlten den Kliniken Monat für Monat 500 Millionen Euro, berichtet die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Sie rechnet mit einer Insolvenzwelle. Im Jahr 2023 waren 40 Standorte von einer Schließung betroffen, 2024 waren es bis August 13. Und nun hat auch das Johanniter-Krankenhaus zumindest einen Insolvenzantrag gestellt.
Lohnzahlungen auch nach Ende November zugesichert
„Lohn- und Gehaltszahlungen sind zunächst über das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit und die beantragte Insolvenzgeldvorfinanzierung bis Ende November abgesichert. Auch danach erhalten die Beschäftigten für ihre Arbeit bei uns weiterhin ihre Lohn- und Gehaltszahlungen“, verspricht Regina Doerr.
Es muss unterschieden werden zwischen der Insolvenz in Eigenverwaltung, wie sie die Johanniter für Krankenhaus, Geriatrie und Seniorenhaus beantragt hat, und dem Antrag für die Regelinsolvenz für das Fachärztezentrum MVZ an der Bergedorfer Straße.
Insolvenzantrag muss nicht gleich die Schließung bedeuten
Ein Antrag muss nicht bedeuten, dass es zwangsläufig zur Schließung kommt. Die Insolvenz in Eigenverwaltung soll Unternehmen ermöglichen, ihre finanziellen Probleme selbstständig – sofern möglich – zu überwinden und sich wieder zukunftsfähig zu positionieren. Ein Sachwalter übernimmt zwar die Aufsicht, das Unternehmen behält aber die Kontrolle und kann Entscheidungen treffen.
Die Zeitdauer des Ablaufes variiert je nach Sachlage und auch der Größe des Unternehmens zwischen Monaten bis zu Jahren. Die Regelinsolvenz hingegen – das Unternehmen ist zahlungsunfähig – dauert vom Start weg länger, oft zwischen drei und sechs Jahren. Ein vom Gericht eingesetzter Insolvenzverwalter übernimmt die Kontrolle und trifft Entscheidungen.
In Bergedorf wird die Situation aufmerksam beobachtet
Auch beim Agaplesion Bethesda Krankenhaus in Bergedorf wird die Lage in Geesthacht aufmerksam verfolgt. Schließlich könnte am Glindersweg, sollte es wirklich zu einer Schließung des Johanniter-Krankenhauses kommen, einiges an Mehr-Patienten zur Versorgung auflaufen. Von 10.000 Patienten pro Jahr spricht das Johanniter – plus 20.000 Patienten in der ambulanten Versorgung.
„Wegen der unzureichenden Finanzierung leiden wir alle unter dem gleichen Druck, das macht betroffen“, sagt Sprecher Matthias Gerwin zur Situation in Geesthacht. „Wenn das Johanniter-Krankenhaus ausfällt, ist das sicher nicht der gewollte Zustand in der Planung. Aber wir sind in der Region mit allen Krankenhäusern stark genug aufgestellt, da muss sich die Bevölkerung keine Sorgen machen“, beruhigt Matthias Gerwin.
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„Wir haben in Deutschland sehr viele Krankenhausbetten, und diese Reserve, die man sonst bejammert, ist dann in schlechten Zeiten wie in der Corona-Pandemie oder wenn ein Krankenhaus ausfällt, natürlich ein Segen. Es ist nicht so, dass der Ausfall des Krankenhauses in Geesthacht die Versorgungssicherheit der Bevölkerung gefährdet. Aber die Wege werden länger. An dem Punkt sind wir noch nicht. Erst mal arbeiten ja alle normal weiter“, so Gerwin.