Geesthacht. Johanniter-Krankenhaus Geesthacht begrüßt erste duale Studiengangs-Absolventinnen als Hebammen. Zwei bleiben – ein gutes Zeichen.

Die Geburtsstation im Johanniter-Krankenhaus Geesthacht ist die beliebteste in der Region. Zumindest, wenn man nach der Anzahl an Geburten im Jahr 2023 geht. 671 waren es in dem Haus am Runden Berge, das bereits mehrfach als „babyfreundliche Geburtsklinik“ (seit 2012) ausgezeichnet wurde. Da können das St. Adolf-Stift in Reinbek (626) und das Bethesda in Bergedorf (598) nicht mithalten. Auch das Krankenhaus Winsen kam mit 574 Geburten nicht an die Zahl heran. Zur Einordnung: Alle diese Geburtskliniken entsprechen dem aktuellen Level IV, das heißt, sie haben den gleichen Versorgungsauftrag.

Die offene Zukunft beziehungsweise die künftige Ausrichtung des Johanniter-Krankenhauses Geesthacht nach der Krankenhaus-Reform des Bundes und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sorgen bei werdenden Müttern derweil für Verunsicherung. Das soll so weit gehen, dass sich Frauen fragen, ob sie ihr Kind im Sommer überhaupt noch in Geesthacht zur Welt bringen können. Fakt ist: Die Johanniter verstärken ihr dann 17-köpfiges Team in der Geburtsklinik um zwei neue Hebammen.

Hebammen im dualen Studium selbst ausgebildet

Dabei handelt es sich um selbst ausgebildetes Fachpersonal: Kathi Kohler (28) und Greta Wolters (27). Die beiden gehören zu den ersten Absolventinnen des neuen dualen Studiengangs „Hebammenwissenschaften“, den unter anderem die Hochschule für Angewandte Wissenschaften und die Medizinische Fakultät der Universität Hamburg seit 2020 anbieten. Den praktischen Teil ihrer Ausbildung haben die beiden in Geesthacht absolviert. Die dritte der Absolventinnen, die sich seit Ende Februar als Hebamme bezeichnen darf, wechselt in eine außerklinische Geburtshilfe.

„In Geesthacht gefällt mir die Art der Geburtshilfe. Hier steht die natürliche Geburt im Vordergrund und oft ist eine Eins-zu-eins-Betreuung möglich“, sagt die im Allgäu aufgewachsene Kohler, die vor einem Jahr deshalb vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) nach Geesthacht wechselte. Auch die aus Hannover stammende Wolters hatte zuvor kurz Erfahrungen in einem anderen großen Haus gemacht und sagt: „Da stand die Pathologie im Vordergrund. In Geesthacht geht es um die Selbstbestimmung der Frauen.“

Geesthacht hat hohe Quote an natürlichen Geburten

Das Ziel in Geesthacht ist die natürliche Geburt. Die Rate an Kaiserschnittgeburten war im bundesweiten Vergleich besonders niedrig. Während sie 2023 in Geesthacht bei 21,7 Prozent lag, waren es in ganz Deutschland 31 Prozent. Für das Engagement zur Förderung einer physiologischen (natürlichen) Geburt belegte das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht 2023 den dritten Platz beim Deutschen Hebammenpreis (Kategorie „Teams“).

Hohe Auszeichnung für Hebammenteam des Johanniter-Krankenhauses in Geesthacht; Deutscher Hebammenverband zeichnet Johanniter für hervorragende Teamarbeit mit dem 3. Platz aus (nach UKE und Geburtshaus Idstein): Oberin Carmen Schönberg (l.) und Leitende Hebamme Miriam Jens mit der Auszeichnung.
Hohe Auszeichnung für Hebammenteam des Johanniter-Krankenhauses in Geesthacht; Deutscher Hebammenverband zeichnet Johanniter für hervorragende Teamarbeit mit dem 3. Platz aus (nach UKE und Geburtshaus Idstein): Oberin Carmen Schönberg (l.) und Leitende Hebamme Miriam Jens mit der Auszeichnung. © Johanniter | Johanniter

Für die Leitende Hebamme Miriam Jens sind die vielen Angebote der Klinik, wie eine persönliche Geburtsanmeldung mit einer Hebamme, geburtshilfliche Sprechstunden mit einer Fachärztin, Angebote und Alternativen zur Förderung einer normalen Geburt wie Wassergeburten, ein erweitertes Angebot bei Kindern in Steißlage sowie eine Leidenschaft für Geburtshilfe der Mitarbeiterinnen, Faktoren für die Senkung der Kaiserschnittrate.

Besonders viele Kaiserschnitte in Schleswig-Holstein

Dabei lässt sich mit einem Kaiserschnitt mehr Geld verdienen. Pro normaler Geburt zahlen die Johanniter rund 1000 Euro drauf. Knackpunkt sind die hohen Vorhaltekosten, sprich die permanente Bereitstellung von Mensch und Material, auch wenn mal Leerlauf ist. „Die Vergütung erfolgt nach der Schwere des Falles, und ein Kaiserschnitt wird bislang als komplexer angesehen. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung steht, dass diese Fehlanreize beseitigt werden sollen“, weiß Miriam Jens.

Die Finanzierung der Geburtsstationen ist ein deutschlandweites Problem. Im nördlichsten Bundesland hat sich die Zahl der Geburtsstationen von einst 40 auf 16 in den vergangenen rund 35 Jahren reduziert. Dagegen liegt die Kaiserschnittrate in Schleswig-Holstein noch über dem Bundesdurchschnitt.

Trotz fehlender Bahn für Geesthacht entschieden

Der andere Geesthachter Ansatz hat derweil Kathi Kohler und Greta Wolters gerade dazu bewogen, nach ihrer Ausbildung, in der sie bereits 40 Geburten federführend begleitet haben, bei den Johannitern zu bleiben – obwohl sie in Hamburg St. Georg beziehungsweise Winterhude wohnen. „Mit dem ÖPNV nach Geesthacht zu kommen, ist gerade im Schichtdienst nicht möglich“, sprechen sie einen wunden Punkt in der Mitarbeitergewinnung hiesiger Arbeitgeber an. Stichwort: fehlender Bahnanschluss.

Das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht ist eine von nur noch 16 Geburtskliniken in Schleswig-Holstein.
Das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht ist eine von nur noch 16 Geburtskliniken in Schleswig-Holstein. © NEWS & ART | Carsten Neff

Dass die Johanniter die beiden neuen ausgebildeten Hebammen fest anstellen, ist für Dr. Klaus von Oertzen, den Chefarzt der Frauenklinik, ein gutes Zeichen. „Dass die Johanniter AG der Anstellung zugestimmt hat, zeigt für mich, dass sie den Standort für gesichert sieht“, sagt von Oertzen. Kathi Kohler steigt am 1. Juli ein, Greta Wolters am 1. Juni. Letztere hilft vorab aber bereits aus.

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Zum Angebot der Johanniter gehören mehrere Geburtskurse. Neu ist in 2024 der „Geesthachter Geburtszirkel“, der ähnlich wie ein Zirkeltraining funktioniert, bei dem es um Atmung und Entspannung, Bewegung und Mobilisation sowie Konzentration und Meditation geht. An der Beliebtheit der Geesthachter Geburtsklinik hat sich aller Unsicherheiten zum Trotz bis dato nichts geändert. Bis zum 13. März (mittags) zählten die Johanniter schon wieder 132 Geburten. Das sind zehn mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum.