Lauenburg. Immer mehr Muslime wollen in Lauenburg beigesetzt werden, da, wo ihre Kinder leben. Das ist nach den Riten des Islam jetzt auch möglich.
Fast jeder stellt sich irgendwann die Frage: Wo werde ich meine letzte Ruhestätte finden? Besonders schwer fällt die Antwort denjenigen, die weit weg von ihrer Heimat leben. Ist es das Land, in dem man aufgewachsen ist, oder doch lieber der Ort, in dem Kinder und Enkel jetzt zu Hause sind? Und was ist mit den Traditionen und religiösen Vorschriften, die mit einer Beisetzung verbunden sind?
Auf dem evangelischen Friedhof in Lauenburg wurde in den vergangenen Monaten ein Grabfeld errichtet, auf dem Menschen muslimischen Glaubens nach den Vorschriften ihres Glaubens beigesetzt werden können. Propst Philip Graffam hatte sich bereits in seiner Zeit als Pastor in der Kirchengemeinde Lauenburg für diese Idee starkgemacht.
Lauenburger Friedhof öffnet sich für muslimische Bestattungen
Stadtpräsidentin Elif Karagöz engagiert sich auch im Vorstand der türkisch-islamischen Gemeinde. Sie weiß, wie wichtig diese Möglichkeit ist, Menschen muslimischen Glaubens in Lauenburg nach den traditionellen Riten bestatten zu können. „Die Menschen, die in den 1960er-Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind, haben hier mittlerweile Kinder und Enkel. Meine Generation ist hier geboren und zu Hause. Viele in meinem Alter möchten ihre Angehörigen auch nach deren Tod in ihrer Nähe wissen“, sagt die 37-Jährige. Etwa 1000 Muslime verschiedener Herkunftsländer sind derzeit in Lauenburg zu Hause.
In Deutschland leben rund 5,5 Millionen Menschen muslimischen Glaubens. Das geht aus Zahlen hervor, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kürzlich veröffentlicht hat. Etwa die Hälfte von ihnen besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Weil muslimische Bestattungen an wichtige Vorschriften gebunden sind, genügt es nicht, für ein solches Grabfeld einfach eine Fläche abzustecken. Wichtig ist, dass die Verstorbenen in „reiner Erde“ beigesetzt werden, das heißt, an dieser Stelle dürfen noch nie Gräber gewesen sein. Nach einer rituellen Waschung wird der Tote in weiße Leinentücher gewickelt und nach dem Totengebet auf einem muslimischen Friedhof beigesetzt.
Einäscherung sind bei den Muslimen und bei den Juden tabu
Das Grab wird so ausgehoben, dass es im rechten Winkel Richtung Mekka liegt. Auch der Tote wird so gebettet, dass sein Gesicht nach Mekka weist. Der muslimische Glaube schreibt wie auch das Judentum vor, dass Verstorbene nicht verbrannt werden dürfen, sondern ihre letzte Ruhe in der Erde finden sollen.
Seit dem Frühjahr vergangenen Jahres leiten Uwe Pusback und Annett Topaloglu gemeinsam die Geschicke des Lauenburger Friedhofs. „Der Wunsch, einen Ort der letzten Ruhe für Menschen zu schaffen, die sich nach islamischen Riten bestatten lassen möchten, wurde bereits vor vielen Jahren an uns herangetragen“, sagt die Verwaltungsleiterin.
Sargpflicht ist in Deutschland fast überall entfallen
Uwe Pusback hat mit seinem Team das etwa 450 Quadratmeter große Grabfeld abgesteckt und mit einer Buchenhecke eingefriedet. „Dieses Projekt liegt uns sehr am Herzen, da es ein Schritt für ein respektvolles Miteinander der unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften in unserer Stadt ist“, sagt er. Die Angehörigen der Verstorbenen können zwischen einer „Gartenlage“ und einer „Rasenlage“ wählen. In der Gartenlage pflegen die Angehörigen die Gräber selbst, in der Rasenlage erfolgt die Pflege durch das Friedhofsteam.
Fast überall in Deutschland ist die Sargpflicht bei muslimischen Bestattungen entfallen – außer in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Noch wollen etwa zwei Drittel der türkischstämmigen Muslime in ihrer Heimat beigesetzt werden. Doch in den nachfolgenden Generationen gibt es einen anderen Trend. Die von der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft veröffentlichte Expertise „Islamische Grabfelder und Bestattungen auf deutschen Friedhöfen“ lieferte im vergangenen Jahr erstmals ein genaues Bild zum Stand von islamischen Bestattungen auf Friedhöfen in Deutschland.
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Pastor und Imam halten gemeinsame Andacht
Dazu wurden die Verwaltungen von 340 Friedhöfen in Deutschland befragt. Demnach hätten 77 Prozent angegeben, dass eine sarglose Bestattung möglich sei. Zudem gaben über 80 Prozent der Verwaltungen an, dass sie sich mit den lokalen muslimischen Gemeinschaften abstimmen würden.
Auch in Lauenburg wurde das neue Gräberfeld in enger Zusammenarbeit mit der türkisch-muslimischen Gemeinde geplant und umgesetzt. Die gemeinsame öffentliche Andacht auf dem Friedhof am Mittwoch, 11. September, werden ab 18 Uhr Pastor Hans-Christian Baden-Rühlmann und der Imam der Türkischen Gemeinde, Suat Bayar, halten.