Lauenburg. 2004 wurde das Lauenburger Krankenhaus dicht gemacht, später abgerissen. Gerettet wurde nur Metallbalken, den erst keiner haben wollte.
Die Geschichte vom Krankenhaus in Lauenburg ist eine Geschichte voller Erfolge, Niederlagen und handfester Skandale. Im Jahre 1920 übernahm die Stadt die Einrichtung aus einem Stiftungsvermögen. Fast 90 Jahre später rückten die Abrissbagger an. Heute erinnert in Lauenburg nichts mehr an das Haus, das viele Jahre lang von dem „Skandaldoktor“ Prof. Dr. Julius Hackethal geleitet wurde.
Die Geschichte wäre unwiederbringlich mit den Schuttmassen verschwunden, hätte der Schlossermeister Heino Kruse nicht den Balken über dem Eingangsportal in letzter Minute vor den Baggerschaufeln gerettet. Viele Jahre lag dieser unbeachtet in einem privaten Gartenhaus. Jetzt hat der Balken einen Ehrenplatz gefunden: Es hängt in der Arztpraxis von Dr. Dimitri Daniel – ehemaliger Student und späterer Nachfolger von Prof. Dr. Julius Hackethal.
Krankenhaus Lauenburg: Ehrenplatz fürs letzte Andenken
Dass die Stadt Lauenburg 1920 überhaupt ein eigenes Krankenhaus eröffnen konnte, verdankte sie Johann Ernst Friedrich Uhrbrock, Spross einer angesehenen Lauenburger Familie. Er galt als ein Mann mit ausgeprägtem Pflichtgefühl und starkem Gerechtigkeitssinn. Ganz ein Patriarch der damaligen Zeit sorgte er für die Familie, verlangte dafür aber absolute Gehorsamkeit. Wer sich ihm widersetzte, wurde enterbt.
Das galt übrigens auch für die Stadt Lauenburg selbst, die er in seinem Testament mit einer Stiftung bedachte, aus der das Lauenburger Krankenhaus finanziert wurde. Als Gegenleistung sollte die Stadt nach seinem Tod die Grabstätte pflegen. Später wurde nach dem Wohltäter sogar ein ganzes Viertel benannt. Die sogenannte Uhrbrock-Siedlung wird derzeit aufwendig durch die Stadt saniert.
Chefarzt Prof. Dr. Julius Hackethal – weltberühmt und umstritten
Einer der Chefärzte des Lauenburger Krankenhauses war Prof. Dr. Julius Hackethal. Er erregte erstmals 1963 Aufsehen, als er in Erlangen dem Klinikchef in der Chirurgie über Hundert schwere Kunstfehler vorwarf, von denen mehr als die Hälfte tödlich ausgegangen seien. Damals ein besonderer Skandal: Hackethal setzte sich für aktive Sterbehilfe ein. 1965 wurde der damals 44-jährige Hackethal Assistenzarzt am städtischen Krankenhaus Lauenburg, arbeitete sich zum Chefarzt hoch und machte das Lauenburger Krankenhaus weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.
1974 legte er sich mit dem damaligen Lauenburger Bürgermeister Dieter Wollenberg an. Bundesweit waren die Zeitungen voll von den neuen Geschichten rund um den „Skandaldoktor“ und seinem Rechtsstreit mit der Stadt Lauenburg. Hintergrund soll eine Forderung des Mediziners an den Magistrat gewesen sein: Hackethal wollte den Operationssaal mit einem teuren Gerät ausstatten, doch die Stadt wollte die Summe von fast 100.000 Mark nicht locker machen. „Dann gehe ich eben“, soll der Krankenhaus-Chef gesagt haben und Wollenberg nahm ihn beim Wort.
Hackethal eröffnet nach seiner Entlassung Privatpraxis in Lauenburg
Was viele Lauenburger freute, ärgerte seine Gegner in der Stadt: Nach seiner Entlassung aus dem öffentlichen Dienst kaufte Hackethal 1975 die weiße Villa an der Berliner Straße 57. Dort richtete er seine chirurgische Praxis ein. Neuer Chef im Lauenburger Krankenhaus wurde sein bisheriger Stellvertreter Dr. Dimitri Daniel.
Hackethal blieb seinem ehemaligen Zögling ein väterlicher Freund. „Er war wie ein liebevoller, aber strenger Vater“, erinnert sich der heute 89-Jährige. Inzwischen hat sein Sohn die Praxis am Schüsselteich übernommen. Im Wartezimmer hängt der Eingangsbalken des Lauenburger Krankenhauses über vielen gerahmten Zeitungsausschnitten von damals.
1990 gibt die Stadt das städtische Krankenhaus auf
Wie kam es aber überhaupt zum Niedergang des Lauenburger Krankenhauses? Das Schicksal des Hauses war im Grunde schon 1990 besiegelt. Das städtische Krankenhaus war tief in die roten Zahlen gerutscht. 1990 entlässt die Stadt die Klinik aus ihrer Regie – sie wird an das Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht angegliedert. Es ist ein Sterben auf Raten. 2004 wird das Lauenburger Krankenhaus endgültig aufgegeben.
Im Jahre 2009 machte das Lauenburger Krankenhaus letztmalig von sich reden. Es gab Streit um 67, teils stattliche Bäume auf dem ehemaligen Klinikgelände, die letztlich wie das Gebäude selbst dem Bau des Discounters Penny weichen mussten.
Museum will geschichtsträchtigen Balken nicht haben
Einer, der damals den Abriss des ehemaligen Krankenhauses aufmerksam verfolgte, war Heino Kruse. Der Schlossermeister hatte einen guten Blick auf das Gelände, da sich seine Werkstatt in unmittelbarer Nachbarschaft befindet. „Eines Nachts sah ich mehrere Personen, die sich an dem halb abgerissenen Gebäude zu schaffen machten. Als ich genauer schaute, bemerkte ich, dass sie es auf den Metallbalken über dem Eingang abgesehen hatten, aber schließlich unverrichteter Weise abziehen mussten“, erzählt er.
Am nächsten Tag holte Heino Kruse den damaligen Bürgervorsteher Wilhelm Bischoff mit ins Boot und holte sich vom Bauamt grünes Licht, die Balken bergen zu dürfen. „Wir dachten, das Lauenburger Museum müsste uns die letzte Erinnerung an das städtische Krankenhaus doch aus den Händen reißen“, erinnert sich Kruse. Er erfuhr jedoch, dass das Exponat nicht in die Sammlung des Elbschifffahrtsmuseums passe. „Ich kann bis heute nicht verstehen, dass die Stadt kein Heimatmuseum hat, wo solche Stücke hingehören“, ärgert er sich.
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Ehrenplatz für letztes Andenken ans Lauenburger Krankenhaus
Bis vor Kurzem lagerte der geschichtsträchtige Balken im Gartenhaus von Wilhelm Bischoff. Jetzt hat das letzte Andenken an das Lauenburger Krankenhaus im Warteraum der Arztpraxis von Dimitri und Constantin Daniel einen Ehrenplatz bekommen. Wenn Vater und Sohn daran vorbeigehen, fällt ihr Blick auch auf ein Stück Familiengeschichte, an der der Lauenburger „Skandaldoktor“ einen großen Anteil hatte.
Am 28. März 1974 zitiert die Lauenburgische Landeszeitung Prof. Dr. Julius Hackethal mit den Worten: „Dr. Daniel ist mein Schüler. Er hat seine chirurgische Ausbildung, mit Ausnahme eines Jahres, nur als mein Mitarbeiter erhalten. Dr. Daniel hat mich in den letzten Tagen wiederholt um Rat gefragt. Wir haben nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis.“