Geesthacht. Auf der Suche nach Leerstand entdecken Geesthachts Grüne ganze Wohnblocks, die nicht genutzt werden. Doch es gibt auch gute Nachrichten.

Ein vergessenes Fahrrad lehnt abgeschlossen an einem Bügel vor einer Tür. Es wurde lange nicht bewegt, durch die Speichen wächst kniehoch das Gras. Die meisten Klingelschilder hier im Quartier mit den Mietshäusern der Wohnungsbaugenossenschaft Neue Lübecker tragen keine Namen mehr – und wer bei denen klingelt, auf denen noch welche zu lesen sind, wird keine Antwort erhalten.

Ruhig ist es hier am Bandrieter Weg. Viel zu ruhig, um normal zu sein. Das Ensemble rotgeklinkerter Häuser ist eine Geisterstadt mitten in der Geesthachter City – nur 200 Meter vom Rathaus entfernt. Eine Handvoll Menschen lebt hier noch. Auch sie werden ausziehen, die Gerüchteküche brodelt.

Namenlose Klingenschilder, unnormale Stille – unweit des Rathauses liegt eine Geisterstadt

„Angeblich soll alles abgerissen werden und etwas Neues entstehen“, sagt Ratsherr Jens Kalke. Es ist ihm beim Lokaltermin von einem Anlieger erzählt worden.

Hier macht keiner mehr auf: eine Eingangstür mit Klingelschildern in der Geisterstadt.
Hier macht keiner mehr auf: eine Eingangstür mit Klingelschildern in der Geisterstadt. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Den Grünen sind Wohnungen ohne Bewohner in Geesthacht ein Dorn im Auge. Sie haben die verlassenen Häuser entdeckt auf einer „Leerstands-Rallye“ mit dem Fahrrad, um aufzuspüren, wo überall Häuser verwaist sind. Es geht ihnen darum, dass die leerstehenden Wohnungen wieder bezogen werden, um so Flächenfraß durch Neubauten zu verhindern.

Solche Objekte finden sich verstreut im gesamten Stadtgebiet. Es sind in der Regel einzelne, kleinere Objekte, eingezwängt zwischen bewohnten Immobilien. Nichts erreicht aber die Dimensionen des Bandrieter Wegs. Auch am Schlesierweg steht ein ganzer Zug mit Mietwohnungen leer.

Geesthacht gehört zu den 67 Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt

Das Auffinden von solchen Häusern dient den Grünen als Vorbereitung für eine Anti-Leerstands-Offensive nach der politischen Sommerpause. Ziel: Geesthacht soll eine Zweckentfremdungs-Satzung erhalten. Die dürfen nur Gemeinden aufstellen, die auf einer vom Land erstellten Liste auftauchen.

Auf dieser sind 67 Städte und Gemeinden erfasst, für die ein angespannter Wohnungsmarkt identifiziert wurde. Geesthacht ist darunter sowie aus der Nachbarschaft Börnsen und Lauenburg. „Damit verbunden ist die Hoffnung, ein kommunales Instrument in den Händen zu halten, mit dem in Zukunft effektiv gegen Wohnungsleerstände vorgegangen werden kann“, erklärt Jens Kalke.

Neues Wohnraumgesetz bietet Chance für Satzung gegen Zweckentfremdung

Hintergrund der Aktivitäten ist das neue Wohnraumschutzgesetz des Landes, das Ende Juni in Kraft getreten ist. Paragraf 10 des Wohnraumschutzgesetzes eröffnet Kommunen mit einem angespannten Wohnungsmarkt die Möglichkeit, eine Zweckentfremdungssatzung aufzustellen.

So müssten Wohnungseigentümer unter bestimmten Bedingungen einen Antrag auf Zweckentfremdung stellen, wenn der Wohnraum für andere Zwecke genutzt werden soll – und dazu gehört auch Leerstand. „Immer nur auf neue Flächen für den Wohnungsbau zu setzen, greift zu kurz. Es geht auch darum, Leerstände und Fremdnutzungen wieder dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen“, sagt Sprecher Max Hansen.

Neue Analyse listet Zahl der leerstehenden Wohnungen im Kreis auf

„Rückwirkend allerdings gilt das nicht“, erläutert der Fraktionsvorsitzende Ali Demirhan. Immobilien, die vor Verabschiedung des neuen Gesetzes bereits leer standen, bleiben davon unberührt.

Unterdessen veröffentlichte am Mittwoch (21. August) das Pestel-Institut eine aktuelle Analyse zum Wohnungsmarkt im Herzogtum, durchgeführt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel. Demnach registriere der aktuelle Zensus für den Kreis rund 2610 Wohnungen, die nicht genutzt würden.

Gewisser Prozentsatz an leerstehenden Wohnung als Puffer notwendig

Es handele sich hierbei um 2,7 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes im Lauenburgischen. Rund 1150 Wohnungen stehen bereits seit einem Jahr oder länger leer. „Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Institutsleiter Matthias Günther.

Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand notwendig. „Rund drei Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können. Und natürlich, um Sanierungen überhaupt machen zu können. Aber es wird nur selten gelingen, Wohnungen, die lange leer stehen, wieder zu aktivieren und an den Markt zu bringen“, meint Matthias Günther.

Es gibt in Sachen neuer Mietwohnungen auch gute Nachrichten für Geesthacht

Das Institut hat auch einen „lahmenden Wohnungsneubau“ registriert. So habe es in den ersten fünf Monaten des Jahres im gesamten Kreis lediglich für 223 neue Wohnungen eine Baugenehmigung gegeben. 2023 seien es 374 Baugenehmigungen gewesen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist es um so erfreulicher, dass sich die Dinge manchmal überraschend auch ohne Gesetzeseinwirkung zum Besseren entwickeln. Denn die gute Nachricht für Geesthacht ist: Am Bandrieter Weg und am Schlesierweg kehrt das Leben zurück in die alten Häuser aus den 1960er Jahren. Der Leerstand soll, läuft alles nach Plan, spätestens im Jahr 2026 der Vergangenheit angehören.

Schöne Lage am Bandrieter Weg: Mit Balkonen an der Wohnung können Mieter künftig den Ausblick noch mehr genießen.
Schöne Lage am Bandrieter Weg: Mit Balkonen an der Wohnung können Mieter künftig den Ausblick noch mehr genießen. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Wer eine Bleibe sucht in Geesthacht, wird sich dann über 81 zum Teil vergrößerte und top sanierte neue Mietwohnungen freuen können, die dann angeboten werden. So mussten die Mieter der Neuen Lübecker am Bandrieterweg ausziehen, weil im großen Stil saniert wird. „Die Beschlussfassung zur Modernisierung erfolgte im Jahr 2022 mit dem Ziel des Baustarts in 2024“, berichtet die Baugenossenschaft zum Vorhaben.

54 Wohnungen in vier Gebäuden erfahren Kernmodernisierungen mit Grundrissänderungen und dem Bau von Balkonen, zusätzlich kommt es zum Bau von zusätzlichen Wohnungen im Dachgeschoss. Geplant wird der Anschluss an die Fernwärmeversorgung der Stadtwerke. Die Gesamtinstallationen aus Heizung, Sanitär und Elektro wird erneuert, und alle Gebäude werden energetisch ertüchtigt, mit Fassadendämmung, Dacheindeckung und -dämmung, neuen Fenstern und einer Kellerdeckendämmung.

Wermutstropfen: Die Mieten werden neu kalkuliert

Baustart ist spätestens im Januar, die Gesamtfertigstellung für Ende 2026 vorgesehen. Es wird versucht, Rückkehrwünsche zu berücksichtigen, verspricht die Neue Lübecker. Ein Wermutstropfen: Die Mieten werden neu kalkuliert.

Fast parallel könnten die Arbeiten am Schlesierweg starten, berichtet der Eigentümer, der namentlich im Hintergrund bleiben möchte. Ungefähr acht Jahre habe die Zeit des Leerstandes gedauert, schätzt der Architekt. Wobei das Objekt aber stets beheizt und von einem Hausmeisterservice betreut wurde.

Am Schlesierweg soll Einzimmerwohnungen zu größeren Einheiten zusammengefasst werden.
Am Schlesierweg soll Einzimmerwohnungen zu größeren Einheiten zusammengefasst werden. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

„Die Baugenehmigung ist erteilt, die Statik steht“, sagt der Architekt. In der kalten Jahreszeit werden dann aus kleinen Einheiten größere, erklärt er den Plan. „Hier sollen Wohnungen entstehen, die eine langfristige Perspektive haben“, erklärt der Eigentümer.

Die 30 Quadratmeter großen Einzimmerwohnungen werden aufgelöst zu größeren Einheiten mit 65 Quadratmetern Fläche. Die Gesamtanzahl der Wohnungen im Block schrumpft dadurch von derzeit 34 auf dann 27. Zwei Einzimmerwohnungen im Mittelstück der Häuserzeile seien bereits umgewandelt, der Eigentümer schätzt, dass dieser Gebäudeteil zuerst fertig sein wird.

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Ziel sei, noch vor Weihnachten 2025 in die Vermarktung zu gehen. Der Keller sei schon komplett umgebaut, und die Heizung für die Anlage erneuert. „Ich hätte auch gerne Fernwärme genommen“, sagt der Eigentümer. Ob das später möglich sei, konnten die Stadtwerke noch nicht versprechen. So lief es auf eine moderne Gastherme hinaus.