Geesthacht. Die städtische Gesellschaft ist Vorreiter in Schleswig-Holstein, soll die Energiewende sichern. Warum das künftig wichtig sein wird.
Die vier Fahrzeuge sind bereits auf den Straßen Geesthachts zu sehen, der Schriftzug lässt die Menschen rätseln, so neu ist das Unternehmen: „Geesthachter Netzbau“ steht auf den Karosserien, dahinter vier bunte Streifen in Blau, Grün, Rot und Gelb – die Farben, die auch die Stadtwerke benutzen.
Somit ist deren „Verwandtschaft“ zum jüngsten Spross von Betrieben mit städtischer Beteiligung schon rein optisch nicht zu übersehen. 52 Prozent Anteile am Neuling halten die Stadtwerke, 48 Prozent die Geestra-Bau Versorgungs GmbH. Die Stadt verspricht sich von der Neugründung auch eine Absicherung ihrer Netzausbau-Pläne.
Geesthachter Netzbau startet offiziell zum August – die Fahrzeuge sind schon unterwegs
Denn es wird erwartet, dass nach Abschluss der kommunalen Wärmeplanung später mal alle Gemeinden – kleinere haben bis Ende 2027 Zeit – fast gleichzeitig neue Leitungen bauen wollen. Dann dürften Tiefbau-Unternehmen nur schwer zu bekommen sein. Mit der Gründung einer eigenen Netzbau-GmbH (GNG) beugt Geesthacht dieser Situation vor.
Allein in Geesthacht stehen für die Wärmewende Arbeiten am gut 300 Kilometer langen Netz der Gasleitungen an. Hinzu kommt die Verlegung von rund 400 Kilometern Niederspannungskabeln, um PV-Dachanlagen und Wärmepumpen ins Stromnetz zu integrieren. Die Kosten für diese Maßnahmen bis zum Jahr 2045 werden auf rund 400 Millionen Euro taxiert.
Neugründung soll Zeitplanung und Termintreue verbessern
Außerdem erwarten die Verantwortlichen deutliche Synergieeffekte in Sachen Zeitplanung und Termintreue, aber auch Wirtschaftlichkeit durch ein verbessertes Preis-Leistungs-Verhältnis. Am 1. August nimmt die GNG offiziell die Arbeit auf.
„Natürlich spielen wir als lokaler Energieversorger im Rahmen der Energiewende eine zentrale Rolle – eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Die Neugründung der GNG ist daher unsere Antwort auf die Frage, wie wir kurzfristig in die Umsetzung gehen und langfristig zuverlässig einsatzbereit bleiben“, erklärt Markus Prang.
Geesthachter Ratsversammlung musste die Zustimmung geben
Der Geschäftsführer der Stadtwerke hatte die Entwicklung maßgeblich mitgestaltet und tritt in der Konstellation als Vertreter der Gesellschafterversammlung auf. „Wir sind sehr froh, dass wir in guter Zusammenarbeit mit der Firma Geestra-Bau GmbH das Joint Venture gegründet haben“, sagt Markus Prang. Die Ratsversammlung hatte im Mai zugestimmt.
Auch Bürgermeister Olaf Schulze – zudem Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke – hat die Gründung der GNG begleitet. „Gerade in diesen Zeiten, in denen der Fachkräftemangel Entwicklungen an mancher Stelle verlangsamt, stellen wir den Ausbau unseres Fernwärmenetzes so auf sichere Füße“, sagt er.
Geesthacht bekam eine Ausnahmegenehmigung für Gründung
Olaf Schulze verweist darauf, dass Geesthacht mit dieser Gründung zudem eine der ersten Kommunen in Schleswig-Holstein sei, die in diesem Bereich eine Ausnahmegenehmigung bekommen habe und somit Vorreiter im Land sei. „Das setzt ein Zeichen, dass wir uns Gedanken machen, wie können wir einen Schritt weiter sein als andere und dementsprechend handeln.“
Hintergrund: Laut Gemeindeordnung dürfen Kommunen nur dann ein neues Unternehmen gründen, wenn es einen öffentlichen Zweck erfüllt. Die Kommunalaufsicht sieht dies vordergründig hier zwar nicht gegeben. Es gibt aber eine Ausnahmegenehmigung – die Experimentierklausel –, weil das Vorhaben zur Beschleunigung der Energiewende dient.
Störungsnummer für Notdienste ändert sich nicht
Die Geschäftsführung bilden Saskia Lotz und Stephan Wollschläger, der auch als Bereichsleiter für Technik und Infrastruktur bei den Stadtwerken tätig ist. „Wir konnten 13 Kollegen für das Unternehmen gewinnen“, berichtet Stephan Wollschläger. Geplant ist zudem, im Beruf des Tief- und Rohrleitungsbauers selbst auszubilden. „Ob wir in 2025 schon starten können, müssen wir noch sehen“, sagt Stephan Wollschläger.
Mehr als die Hälfte der Fachkräfte kommt aus Geesthacht und Umgebung. Alle machen auch abwechselnd Bereitschaft für den Notdienst. Die 24-Stunden-Erreichbarkeit im Falle einer Störung für Energie und Wasser ändert sich durch die Neugründung nicht. Es bleibt die Nummer der Stadtwerke unter Telefon 04152/772 99.
Die Verlegung von Datenkabeln gehört vorerst nicht zum Aufgabengebiet
Die bunten Linien hinter dem Schriftzug symbolisieren, was an Leitungen durch das neue Unternehmen in der Erde verlegt wird. „Wir starten mit Strom, Gas, Wasser und Wärme“, erklärt Stephan Wollschläger. Datenkabel sind auch geplant. Der Fokus liegt auf dem Versorgungsgebiet der Stadtwerke Geesthacht, dazu gehören auch die Umlandgemeinden Kollow, Hamwarde, Wiershop, Gülzow und Worth.
„Wir haben schon diverse Projekte im Köcher“, erzählt Stephan Wollschläger. Soll heißen: Die Auftragslage der Netzbau GmbH ist vom Start weg gut, viele Termine und Projekte für diverse Netzmaßnahmen im Auftrag der Stadtwerke stehen fest. So finden auf der Baustelle in der Bohnenstraße/Ecke Bergedorfer Straße bereits Tiefbauarbeiten im Rahmen der Stromnetzsanierung statt. Die GNG übernimmt nun den Staffelstab, denn dies gehört zu den künftigen Kernkompetenzen der Gesellschaft.
Immer mehr Kabel werden verlegt – Flächenfindung ist eine Herausforderung
Weitere Arbeiten im größeren Maßstab sind angesetzt in der Steinstraße und die Fortführung der Tätigkeiten in der Spandauer Straße. Verkehrsbehinderungen werden nicht ausbleiben, schon deshalb, weil die Arbeiten deutlich mehr Platz beanspruchen würden als früher, berichtet Stephan Wollschläger: „Die Gräben werden nicht mehr so schmal sein, die Energiewende trägt jetzt schon Früchte. Es ist nicht mehr nur ein Kabel auszutauschen, sondern manchmal zehn bis zwölf.“
Der Fuhrpark besteht zum Start aus vier Einsatzfahrzeugen plus drei Baggern. Auch diese sollen noch mit den Logos der GNG nachgerüstet werden, weitere Maschinen und Geräte sind bestellt. Ausgerückt wird von zwei Standorten in der Baustraße und in der Frohnauer Straße.
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Die Investitionen dürften sich für die Stadt auszahlen, erwartet Olaf Schulze. „Für uns ist es ein weiterer Baustein, um uns breiter aufzustellen“, erklärt der Bürgermeister. „Wir würden sonst künftig immer mehr Schwierigkeiten bekommen, Tiefbaufirmen zu finden. Da ist es natürlich sehr gut, wenn man eine eigene Tiefbaufirma hat, damit wir unsere Projekte auch umsetzen können.“