Geesthacht. Große Aufregung bei Eltern und Politikern über Entscheidung der Verwaltung, die Verkehrsregelung am Neuen Krug in Geesthacht zu ändern
Eine knappe Pressemeldung aus dem Geesthachter Rathaus sorgt kurz vor den schleswig-holsteinischen Sommerferien für riesige Aufregung unter Eltern, Schülern und in der Politik. Die Stadt will am Neuen Krug den Radweg zurückbauen und alle Schüler, die mit dem Rad zum Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) oder zur Alfred-Nobel-Gemeinschaftsschule (ANS) fahren, zwingen, fortan die Straße zu benutzen. Dass dies, wie beabsichtigt, zu mehr Sicherheit auf dem Schulweg führt, wird stark angezweifelt.
„Ach, du Scheiße“, entfährt es Madita, die am OHG die 11. Klasse besucht, als sie von den Plänen erfährt. „Der Straßenrand ist doch mit Autos zugeparkt.“ Und ihre Schulkameradin Magdalena ergänzt: „Ich fahre persönlich schon ungern auf der Straße, aber wenn ich jetzt an meine kleinen Geschwister denke. Das ist mit den vielen Bussen doch total unübersichtlich.“
Neuer Krug Geesthacht: Stadt baut Radweg zurück und schickt Schulkinder auf die Straße
Auch der Schulelternbeirat (SEB) des Otto-Hahn-Gymnasiums ist schon aktiv geworden, hat in einem Schreiben sein Unverständnis zum Ausdruck gebracht. „Es herrscht bei uns große Verwunderung, dass man unsere Kinder morgens auf diese Straße schicken will. Hier sind diverse Schulbusse unterwegs und gestresste Elterntaxis – und irgendwann kommt auch die dunkle Jahreszeit. Das ist nicht zu Ende gedacht“, sagte Christian Lohrke, SEB-Vorsitzender am OHG.
Am Neuen Krug gehen etwa 1800 Kinder zur Schule (OHG 1000, ANS 800). Zudem befindet sich dort mit dem Familienzentrum Regenbogen die größte Kita der Stadt. Die Verwaltung hatte per Pressemeldung mitgeteilt, dass die dortige Tempo-30-Zone konsequent durchgesetzt werden soll. Dafür sollen im gesamten Neuen Krug die Rechts-vor-Links-Regel angewendet werden und Vorfahrt-gewähren-Schilder an der Waldstraße und Mittelstraße abgebaut werden.
Laut StVO gehören Fahrräder in Tempo-30-Zonen auf die Straße
Außerdem würden die Radwege zurückgebaut und an dieser Stelle der Gehweg entsprechend verbreitert. Die Erklärung liefert die Verkehrswacht im Rathaus: „In 30er-Zonen gehört der Radverkehr grundsätzlich auf die Fahrbahn.“ Ausnahmen in der Straßenverkehrsordnung (StVO) gelten für (kleine) Kinder: Bis zum vollendeten achten Lebensjahr müssen sie auf dem Gehweg fahren, bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr dürfen sie den Gehweg noch nutzen. Die Fünftklässler an OHG und ANS sind alle älter.
Diese Veränderungen sind nach einer Verkehrsschau, bei der das städtische Straßennetz regelmäßig von Fachleuten aus Verwaltung sowie von Polizei, ADFC und übergeordneter Verkehrsbehörde angeschaut wird, beschlossen worden. Allerdings, ohne vorab die Kommunalpolitiker darüber informiert zu haben.
Politik war vorab nicht informiert
Der fehlende Informationsfluss seitens der Verwaltung hatte gerade erst im Mai für Verstimmung gesorgt, als die Politik nichts von einer geplanten Verbreiterung des dortigen Gehweges wusste. „Und bei der Verkehrsschau hatten wir im Januar verabredet, dass der Bauausschuss über die Ergebnisse der Verkehrsschau informiert wird“, sagte Petra Burmeister (SPD). „Und generell gilt: Bei Themen, die die Bürger bewegen, gehört eine Information in die Gremien. Das macht man nicht mit einem Drei-Zeiler als Pressemitteilung.“
Auch die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Nicole Voss (CDU), versteht den Sinn der Maßnahme nicht. „Das ist erhöhtes Gefährdungspotenzial. Es ist ja schon jetzt ein unsicherer Schulweg. Wie katastrophal wollen wir es noch machen?“ fragt Voss. Nach Schulschluss reihen sich teilweise acht Schulbusse hintereinander im Neuen Krug auf, dazu kommen fahrende Autos und zwischendurch zwängen sich die Kinder.
Gefahr durch Busse und ausparkende Autos
„Viele der jüngeren Schüler haben gerade erst ihren Fahrrad-Führerschein gemacht“, gibt Nicole Voss zu bedenken. Zudem sind die Parkplätze schräg am Straßenrand angeordnet. Ein Rückwärts-Ausparken und dabei den fließenden Verkehr im Auge zu behalten, ist hier schon herausfordernd, bis unmöglich.
„Das erste Stück fährt man blind“, bestätigt Ekkehard Gertig von der Geesthachter Ortsgruppe des ADFC (Allgemeiner Deutsche Fahrrad-Club). Radfahrer können dort noch leicht übersehen werden. Gertig war dabei, als sich die Verkehrsexperten am Neuen Krug trafen. „Das war schon 2023“, berichtet er. Und räumt weiter ein: „Das mit dem Busverkehr haben wir an dieser Stelle vielleicht nicht bedacht.“
Auswirkungen auch auf andere Radwege vor Schulen?
Für Petra Burmeister stellt sich noch eine ganz andere Frage: „Ob diese Maßnahme für alle Tempo-30-Zonen in der Stadt der zukünftige Maßstab sein wird bezüglich des Umgangs mit Radwegen?“ Denn in der Konsequenz hieße dies, dass auch am Dösselbuschberg mit drei Schulen und einer Kita der Radverkehr auf die Straße müsste.
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„Die Frage, wie der Radverkehr zu führen ist, ob als Streifen, eigener Radweg, unter Mitbenutzung des Fußwegs, auf der Straße bei Fehlen eines Radweges, als Fahrradstraße, ist aus unserer Sicht nicht nur ein straßenverkehrsrechtliches Thema. Es ist eines, das die Kommunalpolitik interessiert“, betont Burmeister.
Christian Lohrke vom Schulelternbeirat hat die Hoffnung, dass die Entscheidung noch nicht in Stein gemeißelt ist und noch geändert wird. Klar ist aber, Bauarbeiten an Fuß- und Gehweg im Neuen Krug wird es in den Ferien voraussichtlich ab der kommenden Woche geben. Die Stadtwerke schließen das Familienzentrum Regenbogen und die Förderschule ans städtische Fernwärmenetz an, zudem werden die Bushaltestellen barrierearm umgebaut.