Friedrichsruh. Der 46-jährige Historiker leitet ab 1. August die Otto-von-Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh und Schönhausen. Das will er anpacken.
Er freut sich auf seine neuen Aufgaben: Obschon der Historiker Dr. Ulf Morgenstern sich seit mehr als 13 Jahren mit Otto von Bismarck beschäftigt, wird ihm sein Fachgebiet nicht langweilig: „Im Gegenteil, ich habe gelernt, wie vielschichtig diese Person ist und wie viel Musik noch in der Geschichte des 19. Jahrhunderts steckt“, erklärt der 46-Jährige. Am 1. August übernimmt er die Nachfolge von Prof. Ulrich Lappenküper und leitet die Otto-von-Bismark-Stiftung.
„Denn die Kolonialgeschichte wird in der Gesellschaft immer wichtiger“, sagt Ulf Morgenstern. Friedrichsruh werde als Ort so auch interessant für die Globalgeschichte. „Das Thema bleibt uns sicher noch zehn bis 20 Jahre erhalten“, meint der Historiker. Früher habe man es eher für ein Randthema gehalten, aber der Fokus habe sich verschoben. „Daher müssen wir jetzt in einen stärkeren globalen Austausch gehen“, stellt der neue Stiftungsleiter fest. Er begrüßt diese Debatte.
Ulf Morgenstern leitet künftig die Otto-von-Bismarck-Stiftung
Wichtig ist dem Historiker: „Wir behandeln in der Stiftung nicht nur den Menschen Otto von Bismarck, sondern auch das 19. Jahrhundert, das aus seiner Politik hervorgegangen ist. Denn in der Geschichte gehe es um Antworten auf die Frage: Wo kommen wir her?“ Es gehe aber nicht allein um die Sozialversicherung, das Hochschulwesen oder die Verkehrswege. „Unsere Städte stammen aus dem 19. Jahrhundert“, erklärt Morgenstern. Es gehe eben auch um die Kolonialgeschichte.
„Ganz wichtig ist mir aber auch, dass es nicht allein um die negative Erinnerungsgeschichte, sondern auch um einen positiven Erzählstrang geht: Nämlich auch um unsere Demokratiegeschichte, um die 48er-Revolution, um den Parlamentarismus und die ersten Formen der Frauenemanzipation“, betont Morgenstern. Denn in der Geschichte lassen sich lange Entwicklungslinien verfolgen. Die enden nicht mit dem Ersten Weltkrieg, sondern ziehen sich teilweise bis in die Gegenwart.
Friedrichsruh im Sachsenwald: Der Ort macht Geschichte greifbar
Der Reichskanzler Otto von Bismarck (1. April 1815 - 30. Juli 1898) war Ende der 1870er Jahre nach Friedrichsruh gezogen. Seine Nachfahren leben noch heute dort und ihr Urahn hat auch die Geschichte des Orts mitten im Sachsenwald entscheidend geprägt. Seit 13 Jahren, seit Morgenstern als wissenschaftlicher Mitarbeiter von der Universität Leipzig nach Hamburg gekommen ist, forscht er zu dem Thema. Er ist mit seiner Frau und drei Kindern nach Hamburg gezogen.
„Wir fühlen uns mittlerweile pudelwohl hier im Norden“, erzählt der 46-Jährige. „Meine Frau ist Ergotherapeutin und arbeitet als stellvertretende Leitung einer neurologischen Abteilung in einem Krankenhaus. Unsere Töchter sind heute 14 und 18 Jahre alt und unser Sohn ist 16.“ Dass ihm sein Arbeitsplatz Freude bereitet, merkt man Ulf Morgenstern an, wenn er von seinen Aufgaben berichtet. „Man kann die Geschichte hier so gut greifen, kann sie quasi begehen“, schwärmt er.
Eine der Hauptaufgaben ist die Neugestaltung des alten Museums
Eine besondere Herausforderung hat er von seinem Vorgänger übernommen: die Sanierung des Bismarck-Museums und die Einrichtung der neuen Dauerausstellung. Zuerst muss die Machbarkeitsstudie zu dem Projekt fertig werden. Das Gebäude wurde 1889 als Gasthof mit landwirtschaftlichem Betrieb gebaut und steht unter Denkmalschutz. Vermutlich wird man den Wissenschaftler künftig auch mal mit Bauhelm antreffen.
Doch er freut sich darauf: „Das wird eine superspannende, tolle Zeit“, sagt Ulf Morgenstern. „Wie können wir das alte Museum neu gestalten?“ Der Bund hat das Museum gekauft, jetzt müssen die beiden Häuser der Stiftung zu einem Ganzen zusammengeführt werden. „Im alten Bahnhof wird es keine Ausstellung mehr geben“, sagt Morgenstern.
Steuerzahler haben das Bismarck-Museum finanziert
Da der Ankauf steuerfinanziert gewesen sei, müsse den Menschen auch etwas geboten werden. Allein kann der neue Stiftungsleiter jedoch nicht über die neue Ausstellung entscheiden. „Der wissenschaftliche Beirat und unsere Gremien werden selbstverständlich auch beteiligt sein“, erklärt Ulf Morgenstern. „Wir werden uns auch streiten, das gehört dazu.“
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Eine weitere interessante Frage sei, wie der Stiftungsstandort Friedrichsruh während des Umbaus am Laufen gehalten werde. Immerhin wird es 2025 ein Jubiläum geben: Dann bestehe das Bismarck-Museum seit 75 Jahren. Gleichzeitig laufe am zweiten Standort der Stiftung in Otto von Bismarcks Geburtsort Schönhausen ein ähnlicher Prozess. Dort werde ebenfalls neu gebaut, berichtet Nathalie Wohlleben, Sprecherin der Stiftung. Es gehe um einen neu gestalteten, historischen Bau.
Bismarck-Stiftung zählt 2023 in ihren Einrichtungen 19.000 Besucher
„Wir sind die einzige Politiker-Gedenkstiftung mit einem Standort in den ‚neuen‘ Bundesländern“, sagt sie. „Der Bedeutung für die Demokratieförderung dort sind wir uns bewusst.“ Man wolle beide Standorte stärker verzahnen, „Und wir freuen uns darauf“, sagt sie. Insgesamt zählen 22 Mitarbeitende sowie zusätzlich studentische und Honorarkräfte zur Stiftung.
Gleichzeitig will Ulf Morgenstern aber auch an die alten Erfolge anknüpfen: Denn die Stiftung hat im Jahr 2023 - inklusive des Standortes Schönhausen, des Museums in Friedrichsruh sowie allen Veranstaltungen und den Wanderausstellungen - 19.000 Besucherinnen und Besucher gezählt. Schülerinnen und Schüler verbringen oft einen ganzen Tag in Friedrichsruh. „Wir sind die einzige außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Region und erfüllen unseren Auftrag für die politische Bildung“, erklärt Wohlleben. Etwa alle 14 Tage würden daher ein bis zwei Schulklassen aus Hamburg, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen kommen, um Geschichte „live“ zu erleben.