Lauenburg. Umweltpreise sammelt das Chemiewerk Worlée regelmäßig ein. Jetzt kommt der Ausbildungspreis dazu. Doch ein großes Problem bleibt.
Die Zeiten, in denen Schulabgänger stapelweise Bewerbungen schreiben mussten, um eine Lehrstelle zu ergattern, sind lange vorbei. Heute müssen sich Betriebe allerhand einfallen lassen, um bei den Jugendlichen als Ausbildungsbetrieb in die engere Wahl zu kommen. Das Lauenburger Chemiewerk Worlée macht in dieser Beziehung wohl vieles richtig. Die ausgeschriebenen Ausbildungsplätze werden fast immer besetzt und die Abbrecherquote ist verschwindend gering. Die meisten ehemaligen Azubis bleiben dem Unternehmen auch nach den Abschlussprüfungen treu.
Worlée ist als Ausbildungsbetrieb seit Jahren erfolgreich. Dieses Qualitätsurteil hat das Unternehmen jetzt sogar schwarz auf weiß, oder besser in quietschbunt. Im Foyer des Verwaltungsgebäudes seht seit Mittwoch (26. Juni) eine große Stellwand mit der Aufschrift: „Top Ausbildungsbetrieb 2024“. Das Lauenburger Chemiewerk konnte einen der fünf Preise im Kammerbezirk einheimsen, den die Industrie-und Handelskammer (IHK) zu Lübeck jedes Jahr unter ihren 60.000 angeschlossenen Betrieben vergibt. Bewerben können sich Unternehmen um die begehrte Auszeichnung nicht.
Auszeichnung der IHK: Worlée ist „Top-Ausbildungsbetrieb“
Die traditionelle Sommertour der IHK nutzte Hauptgeschäftsführer Lars Schöning, um den Preis in Lauenburg persönlich zu übergeben. „Junge Leute entscheiden sich heute nach vielen Kriterien für einen Ausbildungsberuf. Neben Gehalt und Erreichbarkeit spielt auch das Image des Unternehmens eine Rolle. Und wenn gerade ein Chemiewerk mit zahlreichen Umweltpreisen für sich werben kann, dann spricht das sehr für Worlée“, sagte er.
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, sagte man früher, wenn sich Lehrlinge über cholerische Ausbilder oder langweilige Arbeitsaufgaben beschwerten. So behandelt heute wohl kein Unternehmen mehr seinen Nachwuchs. Bei Worlée sind die Auszubildenden vom ersten Tag an Kollegen auf Augenhöhe. Darauf legt Ausbildungsleiterin Jennifer Müller großen Wert. Auch sie hat 2001 bei Worlée ihre Lehre angefangen. Heute bringt sie dem beruflichen Nachwuchs des Einmaleins der Chemielaboranten bei.
Viele ehemalige Azubis bleiben Worlée treu
Jedes Mal fiebert sie mit, wenn Schützlinge von ihr über den Abschlussprüfungen brüten. Noel-David Herzer und Fabienne Kessler haben seit ein paar Tagen ihren Abschluss in der Tasche. Beide bleiben dem Unternehmen treu, auch wenn sie dafür täglich zwischen Lüneburg und Lauenburg pendeln müssen. „Wir sind in unseren Teams von Anfang an integriert gewesen und fühlen uns top ausgebildet“, sagt die frischgebackene Chemielaborantin.
Der Arbeitsweg von Rafael Tami Holzmann ist wesentlich kürzer. Der Lauenburger hat sein erstes Ausbildungsjahr fast geschafft und wird in zwei Jahren auch seinen Berufsabschluss als Chemielaborant geschafft haben – hoffentlich, wie er sagt. Doch eigentlich zweifelt der 21-Jährige nicht wirklich daran. „Ich habe genügend Ansprechpartner im Unternehmen, die jederzeit für mich da sind, wenn es Unklarheiten gibt oder ich bei einer Aufgabe nicht weiterkomme“, sagt er. Besonders beliebt bei allen Azubis: das Ausbildungslabor. Jede Formel, die in der Berufsschule Kopfschmerzen bereitet, können die Jugendlichen als Versuchsaufbau praktisch nachvollziehen.
Keine Busverbindung: Worlée für viele Azubis schwer zu erreichen
Rafael ist auf Worlée bei der Berufsmesse in der Albinus-Gemeinschaftsschule aufmerksam geworden. Damals stand er kurz vor den Abi-Prüfungen und wusste noch nicht so recht, was er nach der Schule anfangen soll. „Die Präsentation und die Struktur der Ausbildung haben mich damals überzeugt“, sagt er. Bereut hat er seine Entscheidung bisher nicht. Auch er kann sich vorstellen, nach seiner Ausbildung im Werk einen Arbeitsvertrag als Chemielaborant zu unterschreiben.
Auch wenn Worlée bei vielen Jugendlichen als möglicher Ausbildungsbetrieb punktet: Ein Gegenargument lässt sich nicht so schnell entkräften. Wer noch keinen Führerschein besitzt, muss sehen, wie er zum Werk weit draußen im Lauenburger Industriegebiet kommt. „Dass kein Bus ins Industriegebiet fährt, ist gerade für junge Auszubildende ein großes Hindernis. Sie müssen sich allerhand einfallen lassen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen“, weiß die Ausbildungsleiterin. Die Anbindung des Lauenburger Industriegebietes an das Busliniennetz ist ein Schwerpunkt, den sich der neue Wirtschaftsbeirat der Stadt auf die Fahne geschrieben hat.
Auch interessant
- Verkehrsplanung: Klagewelle gegen Geesthachter Ortsumgehung rollt an
- VHH: Stadtbus Schwarzenbek beliebt – doch die Förderung läuft aus
- Superfood Heidelbeere: Hier sind Selbstpflücker willkommen
Geschichte des Traditionsunternehmens Worlèe
Als Gewürzhändler Johann Nikolaus Worlée anno 1783 den Bürgereid der Freien und Hansestadt Hamburg leistete, ahnte er wohl nicht, dass er damit den Grundstein für ein heute weltweit agierendes Unternehmen legte. Als Worlée 1976 nach Lauenburg kam, waren gerade einmal 30 Mitarbeiter dort beschäftigt, heute sind es über 200. Damit ist das Unternehmen einer der wichtigsten Arbeitgeber der Stadt. Mehr als 40.000 Tonnen Kunstharze und Zusatzstoffe für Farben und Lacke im Jahr werden derzeit von Lauenburg aus weltweit ausgeliefert. In den vergangenen Jahren kam die Produktion von Grundstoffen für ökologisch unbedenkliche Kosmetikprodukte dazu.
Im Mai 2020 erschütterte eine schlimme Nachricht die Stadt: Im Werksteil Ost war ein Feuer ausgebrochen, der betroffene Produktionsturm brannte komplett aus. Zunächst hieß es vonseiten des Unternehmens, dass der Turm wieder aufgebaut würde. Derzeit wird die entkernte Ruine aber Stück für Stück abgetragen.
„